Dem weltweiten Mangel an Mikronährstoffen entgegenwirken: Studie zu Zink-Konzentrationen in Gerste
In vielen Regionen der Erde werden die Gesundheit und die Lebenserwartung der Menschen gravierend beeinträchtigt, weil ihre tägliche Nahrung zu wenig Vitamine und Mineralien enthält. Diese sogenannten Mikronährstoffe sind für den Organismus lebenswichtig, auch wenn sie ihm keine Energie zuführen.
Neueren Schätzungen zufolge leiden heute mehr als zwei Milliarden Menschen unter einem Mangel an Eisen und Zink, weil Getreide, das zu geringe Mengen dieser Substanzen aufweist, einen Hauptbestandteil ihrer Nahrung bildet.
Eine höhere Anfälligkeit für Darm- und Atemwegserkrankungen sowie für Malaria ist die Folge. Beim jüngsten UN-Welternährungsgipfel, der 2014 in Rom stattfand, forderten daher die Delegierten aus mehr als 170 Staaten öffentlich dazu auf, den weltweiten Mangel an Mikronährstoffen entschieden zu bekämpfen.
Biofortifikation von Nahrungsmitteln: ein weltweites Forschungsziel
Vor diesem Hintergrund interessiert sich die Pflanzen- und Ernährungsforschung immer stärker für die Frage, wie der Gehalt an Mikronährstoffen in Pflanzen – insbesondere in Getreidesorten – gesteigert werden kann. „Biofortifikation“ ist das Ziel dieser Bestrebungen. Dabei geht es nicht zuletzt um genetische Faktoren, die zu einem höheren Anteil von Zink, Eisen und weiteren Mineralien in der Nahrung beitragen können.
An der Universität Bayreuth befasst sich ein Forschungsteam um Prof. Dr. Stephan Clemens am Lehrstuhl für Pflanzenphysiologie schon seit vielen Jahren mit den Möglichkeiten der Biofortifikation. In der Fachzeitschrift „New Phytologist“ haben die Wissenschaftler jetzt eine Studie veröffentlicht, die sich mit Konzentrationen und mit der räumlichen Verteilung von Zink in verschiedenen Sorten von Gerste befasst. Wissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum sowie des Jožef Stefan-Instituts in Ljubljana haben ebenfalls daran mitgewirkt.
Gerste als Grundnahrungsmittel mit vielen genetischen Variationen
„Wenn es um die weltweite Bekämpfung des Zinkmangels geht, ist Gerste ein besonders interessantes Getreide. Sie ist in zahlreichen Teilen der Erde – vor allem in höher gelegenen Regionen Afrikas, Asiens und Südamerikas – ein Grundnahrungsmittel, zugleich gibt es schon heute ungewöhnlich viele genetische Variationen“, erklärt Prof. Clemens.
Aus der ‚International Barley Core Collection (BCC)‘, einer der weltweit umfangreichsten Gendatenbanken für Gerste, haben die Autoren der neuen Studie einige Sorten und Varietäten von Gerste ausgewählt und im Glashaus kultiviert. Anschließend wurde untersucht, in welchen Konzentrationen die Metalle Zink, Eisen und Mangan in diesen genetisch verschiedenen Pflanzen vorkommen und wie sie sich dabei innerhalb der Pflanzen verteilen.
Bei den Analysen kamen verschiedene spektroskopische Techniken sowie ein anspruchsvolles Röntgenverfahren zum Einsatz, das in der Forschung als Micro-PIXE-Analyse (‚Micro-Proton-Induced X-Ray Emission Analysis‘) bezeichnet wird.
Lebensmittelrelevante Unterschiede bei Zink-Konzentrationen:
Chancen für eine erfolgreiche Bekämpfung von Ernährungsmängeln
Wie sich herausstellte, enthielten die Pflanzen verschieden hohe Konzentrationen der drei Metalle. Insbesondere bei Zink waren die Unterschiede besonders ausgeprägt und zu einem großen Teil genetisch bedingt. Zudem konnten die Wissenschaftler zeigen, dass diese Unterschiede alle Teile des Korns betrafen. Bei Gerste-Sorten, die insgesamt eine hohe Konzentration von Zink aufwiesen, enthielten also auch diejenigen Teile des Korns, die gewöhnlich für die Herstellung von Lebensmitteln verwertet werden, große Mengen von Zink.
„Diese Erkenntnisse sprechen eindeutig dafür, dass ein gezielter Anbau ausgewählter Gerste-Sorten erheblich dazu beitragen kann, dem Mangel an lebenswichtigen Mikronährstoffen entgegenzuwirken. Weil hohe Konzentrationen von Zink und anderen Mineralien offenbar mit genetischen Merkmalen der jeweiligen Gerste-Sorten in Zusammenhang stehen, eröffnet möglicherweise die ‚Grüne Gentechnik‘ neue Chancen, den Anteil dieser Nährstoffe im Grundnahrungsmittel Gerste zu steigern“, meint Prof. Clemens, Sprecher des Profilfelds ‚Lebensmittel- und Gesundheitswissenschaften‘ an der Universität Bayreuth.
Höhere Cadmium-Konzentrationen – ein Argument gegen die Biofortifikation?
Allerdings fällt die Bilanz der neuen Studie nicht uneingeschränkt positiv aus. Das Forscherteam hat nämlich zugleich untersucht, wie hoch die Konzentrationen von Cadmium in genetisch verschiedenen Gerste-Sorten ausfallen. Cadmium ist ein Schwermetall, das heute weltweit auf landwirtschaftlich genutzten Flächen anzutreffen ist. Infolgedessen ist es auch in zahlreichen Lebensmitteln enthalten. Schon in sehr geringen Mengen kann es giftige Auswirkungen auf den menschlichen Organismus haben. Umso stärker ist das Interesse, die Cadmium-Spuren in Nahrungsmitteln zu reduzieren.
Doch ausgerechnet einige Gerste-Sorten, die hohe Zink-Konzentrationen enthielten, zeigten in den Bayreuther Experimenten eine ausgeprägte Neigung, vergleichsweise große Cadmium-Mengen dem Boden zu entnehmen und zu speichern. Muss also die erwünschte Anreicherung von Gerste mit lebenswichtigen Mikronährstoffen durch einen höheren Anteil des gesundheitsschädlichen Cadmiums erkauft werden?
Dr. Paula Pongrac, die als Bayreuther Humboldt-Stipendiatin an der neuen Studie maßgeblich mitgearbeitet hat, warnt vor voreiligen Schlussfolgerungen: „Wir haben im Verlauf unserer Forschungsarbeiten eindeutige Hinweise dafür gefunden, dass das Mengenverhältnis von Zink zu Cadmium in diversen Gerste-Sorten unterschiedlich ausfallen kann. Es scheint durchaus möglich, dass hohe Zink-Konzentrationen mit einer schwachen Absorption von Cadmium vereinbar sind. Die genetischen Voraussetzungen hierfür gilt es mit Nachdruck zu erforschen, damit die – gesundheitspolitisch erwünschte – Biofortifikation von Lebensmitteln keine schädlichen Nebenwirkungen nach sich zieht.“
Veröffentlichung:
Amelie Detterbeck, Paula Pongrac et al., Spatially resolved analysis of variation in barley (Hordeum vulgare) grain micronutrient accumulation,
in: New Phytologist, 29 April 2016, DOI: 10.1111/nph.13987
Kontakt:
Prof. Dr. Stephan Clemens
Lehrstuhl für Pflanzenphysiologie
Universität Bayreuth
95447 Bayreuth
Tel. +49 (0)921 55-2630
E-Mail: stephan.clemens@uni-bayreuth.de
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Weitere Informationen:
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