Deutsche Jugendliche bewegen sich zu wenig

Mehr als 80 Prozent der deutschen Jugendlichen bewegen sich zu wenig. Der Anteil körperlich inaktiver Jugendlicher sinkt zwischen dem 11. und 15. Lebensjahr drastisch.

„Laut internationalen Empfehlungen sollten sich Jugendliche täglich 60 Minuten so bewegen, dass der Pulsschlag erhöht wird und sie ins Schwitzen kommen. Nur ein geringer Teil der deutschen Jugendlichen erreicht diesen Schwellenwert“, sagt Gesundheitswissenschaftlerin Professorin Dr. Petra Kolip von der Universität Bielefeld. Sie hat den deutschen Teil der Studie „Health Behaviour in School-aged Children“ (HBSC) geleitet.

Die Studie zum Gesundheitsverhalten von Schulkindern wurde unter Schirmherrschaft der Weltgesundheitsorganisation WHO in rund 40 Ländern und Regionen Europas und Nordamerikas durchgeführt. Ein besonderes Augenmerk lag dabei auf Geschlechterunterschieden. Der Abschlussbericht der aktuellen Erhebungswelle ist Anfang März im Verlag Beltz-Juventa erschienen. An der Erhebung waren neben dem Bielefelder Team auch Forschergruppen der Universität Hamburg, der Technischen Universität Dresden und der Fachhochschule Frankfurt am Main beteiligt.

Körperliche Aktivität – hiermit ist nicht nur sportliche Bewegung gemeint – ist von hoher Bedeutung für die Gesundheit. Sie wirkt sich kurz- und langfristig positiv auf die physische und psychische Gesundheit aus. Zudem kann die schulische und kognitive Leistungsfähigkeit von körperlicher Aktivität profitieren. Umso bemerkenswerter ist es, dass sich Jugendliche mit zunehmendem Alter weniger bewegen. Sind es bei den 11-Jährigen noch jeder vierte Junge und jedes fünfte Mädchen, die die Empfehlungen erreichen, sinkt dieser Anteil zwischen dem 11. und 15. Lebensjahr drastisch. Mehr als 80 Prozent bewegen sich zu wenig. Dabei finden sich, wie auch in anderen Bereichen gesundheitsrelevanten Verhaltens, deutliche Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen: Während 20 Prozent der Jungen die Empfehlungen für körperliche Bewegung erreichen, trifft dies nur für 14 Prozent der Mädchen zu. Im europäischen Vergleich gehört Deutschland damit zu den Schlusslichtern.

Auch für die sportliche Aktivität finden sich deutliche Geschlechtsunterschiede: Während immerhin 38 Prozent der 11- bis 15-jährigen Jungen mindestens vier Stunden in der Woche Sport treiben, sind es bei den Mädchen nur 25 Prozent. „Körperlich aktive Jugendliche bewegen sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auch im Erwachsenenalter. Auch deshalb ist es wichtig, Bewegung als Teil der Gesundheitsförderung im Jugendalter zu verankern“, so Dr. Jens Bucksch, wissenschaftlicher Geschäftsführer des WHO Collaborating Centres an der Universität Bielefeld.

Trendanalysen über die zurückliegenden zwölf Jahre zeigen, dass sich die Situation zum Bewegungsverhalten über die Jahre leicht verbessert hat, aber nach wie vor erschreckend wenige Jugendliche die Empfehlungen erreichen. Der Geschlechterunterschied hat sich über die Zeit nicht verändert, sodass die Bielefelder Forschergruppe dringend eine geschlechtergerechte Bewegungsförderung fordert. „Gesundheits- und Bewegungsförderung muss die unterschiedlichen Bewegungsmotive und vorlieben von Mädchen und Jungen gleichermaßen aufgreifen, wenn sie erfolgreich sein will“, formuliert Professorin Dr. Petra Kolip.

Die Studie
Die deutsche Teilstudie der internationalen HBSC-Studie hat das Bielefelder „WHO Collaborating Centre for Child and Adolescent Health Promotion“ (Kollaborationszentrum der Weltgesundheitsorganisation zur Kinder- und Jugendgesundheitsförderung) unter Leitung von Professorin Dr. Petra Kolip von der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld koordiniert. Im März ist der Abschlussbericht unter dem Titel „Gesundheit und Gesundheitsverhalten im Geschlechtervergleich“ im Verlag Beltz-Juventa erschienen. Das Themenspektrum der HBSC-Studie reicht von gesundheitsrelevanten Verhaltensweisen wie Bewegung, Obst- und Gemüsekonsum, Frühstücks- und Diätverhalten bis hin zu Themenfeldern wie schulischer Zufriedenheit, Wohlbefinden, subjektiver Gesundheit, Lebenszufriedenheit, Medienkonsum, Unfallhäufigkeit oder auch Mobbing.

Neben dem Abschlussbericht hat das HBSC-Team Deutschland kürzlich Trendanalysen anhand der HBSC-Daten 2001/2002, 2005/2006 und 2009/2010 veröffentlicht. Diese geben einen tieferen Einblick in Veränderungen von Gesundheit und Gesundheitsverhalten Jugendlicher über die Zeit und sind nachzulesen in einem Sonderheft der Fachzeitschrift „Das Gesundheitswesen“. Das Ergebnis: Geschlechterunterschiede im Tabakkonsum und Rauschtrinken sind kaum noch sichtbar beziehungsweise verringern sich über die Zeit. Relativ stabile Geschlechterunterschiede bestehen für das Ernährungsverhalten sowie die körperliche Aktivität. Zudem sind über die Homepage der HBSC-Studie Deutschland Faktenblätter zu 24 Themenbereichen und viele weitere Informationen wie zum Beispiel der internationale Bericht zur Studie „Health Behaviour in School-aged Children“ zur Befragung 2009/2010 mit dem Titel „Soziale Determinanten der Gesundheit und des Wohlbefindens junger Menschen“ kostenfrei zu erhalten.

Kontakt:
Professorin Dr. Petra Kolip, Universität Bielefeld
Fakultät für Gesundheitswissenschaften
Telefon: 0521 106-67273; E-Mail: petra.kolip@uni-bielefeld.de
Dr. Jens Bucksch, Universität Bielefeld
Fakultät für Gesundheitswissenschaften
Telefon: 0521 106-3882; E-Mail: jens.bucksch@uni-bielefeld.de

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