Gelähmte Personen steuern einen Computer mit Gedankenkraft / neue Studie

Schwer gelähmte Menschen können mit der so genannten BCI-Technologie („Brain Computer Interface“) über Gehirnströme kommunizieren und mit der Umwelt interagieren, und zwar schneller als mit herkömmlichen muskelbasierten Unterstützungssystemen.

Dies zeigt erstmals eine Studie mit Patienten, die aufgrund einer neuronalen Erkrankung wie etwa nach einem Schlaganfall nicht eigenständig kommunizieren können. Die Untersuchung haben Informatiker der TU Berlin im Rahmen des EU-geförderten Projekts TOBI (Tools for Brain-Computer Interaction) gemeinsam mit Forscherinnen und Forschern der Universität Würzburg, der Universität Freiburg und der Beratungsstelle für unterstützte Kommunikation der Stiftung Kreuznacher Diakonie durchgeführt. Die Ergebnisse wurden kürzlich in der Fachzeitschrift PlosOne veröffentlicht.

„Brain Computer Interfaces” (BCIs), das sind Gehirn-Computer-Schnittstellen, stellen eine direkte Verbindung vom menschlichen Gehirn mit einem Computer her und übersetzen Gedanken in Steuersignale. Dafür werden Hirnströme mit einem Elektroenzephalogramm (EEG) gemessen. Der Computer erkennt anhand charakteristischer Muster in den Hirnströmen, was die Person am Rechner beabsichtigt zu tun.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zeigten, dass drei der vier teilnehmenden gelähmten Patienten den Computer durch ihre Hirnaktivität steuern konnten. Aufgrund ihrer neuronalen Schädigung können diese Personen keine oder nur stark verzögerte Bewegungen ausführen. Während der insgesamt sechs Sitzungen versuchten die Patienten trotz ihrer Lähmung, eine Bewegung mit den Händen oder Füßen auszuführen oder sich die Bewegung vorzustellen. Ihre Hirnströme wurden in Echtzeit analysiert und in digitale Steuersignale umgewandelt. Das BCI konnte nach nur ein bis drei Sekunden mit hoher Genauigkeit erkennen, welcher Körperteil bewegt werden sollte. Allein die Vorstellung einer Hand- oder Fußbewegung löste Hirnwellen aus, die der Computer exakt detektierte.

Mit diesem erfolgversprechenden Resultat konnte das Team um Prof. Dr. Klaus-Robert Müller und Johannes Höhne von der TU Berlin, Dr. Michael Tangermann von der Universität Freiburg und Prof. Dr. Andrea Kübler von der Universität Würzburg erstmals zeigen, dass eine Kommunikation über Hirnströme schneller und zuverlässiger sein kann als über andere Unterstützungstechnologien, die auf Muskelaktivität basieren. Die Berliner Wissenschaftler forschen dazu an neuartigen Verfahren zur Mustererkennung und Big Data, die bei dieser Studie erfolgreich eingesetzt wurden.

Ein Ziel ihrer Forschung ist es, nach möglichst wenigen Kalibrationsmessungen, mit denen das BCI vorab „eingestellt“ wird, eine präzise und robuste BCI-Kontrolle für Patienten zu ermöglichen. Während dafür bisher eine Vielzahl von Sitzungen nötig war, konnten die Patienten den Computer mithilfe der Techniken des Berliner BCI schon nach zwei bis sechs Sitzungen mit ihren Hirnströmen steuern.

Der Artikel “Motor Imagery for Severely Motor-Impaired Patients: Evidence for Brain-Computer Interfacing as Superior Control Solution“ erschien am 27.8.2014 in der Fachzeitschrift PlosOne.
Download unter: http://dx.plos.org/10.1371/journal.pone.0104854

Weitere Informationen erteilen Ihnen gern:
Prof. Dr. Klaus-Robert Müller, TU Berlin, Fakultät IV Elektrotechnik und Informatik, Fachgebiet Maschinelles Lernen, Tel.: 030 / 314-78620, E-Mail: klaus-robert.mueller@tu-berlin.de, und
Johannes Höhne, Fakultät IV Elektrotechnik und Informatik, Fachgebiet Maschinelles Lernen, Tel.: 030 / 314-28678, E-Mail: j.hoehne@tu-berlin.de

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Stefanie Terp idw - Informationsdienst Wissenschaft

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