IMK-Studie: Deutsche und französische Banken haben Krise im Euroraum mitverursacht
Das zeigt eine neue Analyse des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung. IMK-Experte Fabian Lindner unterstreicht mit seiner Untersuchung über den Beginn der Krise im Euroraum, dass zu deren Überwindung zwei Voraussetzungen erfüllt sein müssen: eine Abkehr von der übermäßigen Sparpolitik und die Stabilisierung der Märkte für Staatsanleihen.
Der Forscher hat unter anderem Daten zu den Auslandsforderungen von Banken ausgewertet, die die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) veröffentlicht. Sie erlauben, die Rolle der Geldinstitute beim Ausbruch der Krise im Euroraum nachzuzeichnen: Die größten ausländischen Gläubiger von Griechenland, Portugal, Irland, Italien und Spanien waren bis zur Krise französische und deutsche Investoren, besonders Banken, so Lindner.
Im Zuge der Krise des US-Hypothekenmarktes ab 2007 erlitten deutsche und französische Geldinstitute hohe Verluste. Um wieder Eigenkapital aufzubauen, kündigten sie unter anderem Kredite an die heutigen Krisenländer. In den betroffenen Ländern wirkte sich das als „Sudden Stop“ aus, eine Vollbremsung bei der Finanzierung. „Die Subprime-Krise hat somit über die Reaktion der Banken ganz wesentlich zur Eurokrise beigetragen“, fasst Lindner zusammen. Defizite bei der Bankenregulierung und Konstruktionsfehler der Währungsunion hätten diese Eskalation verschärft.
Vor der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 hielten Geldinstitute aus Frankreich und Deutschland fast ein Viertel der von der BIZ erfassten Bankforderungen gegenüber den USA. Noch stärker engagiert waren nur Banken aus Großbritannien und der Schweiz. Insgesamt hatten europäische Banken besonders häufig über gering regulierte außerbilanzielle Zweckgesellschaften verbriefte US-Hypotheken gekauft. Solche „Schattenbanken“ müssen nur ein geringes Eigenkapital halten, haben also einen hohen Verschuldungsgrad. Darüber hinaus sind ihre Schulden meist kurzfristiger Natur, müssen also in kurzen Abständen refinanziert werden.
Bereits im August 2007 fror die französische Bank BNP Paribas zwei Fonds ein, die im US-Hypothekenmarkt engagiert waren. Auch andere Banken, die auf Produkte auf Basis von US-Immobilien gesetzt hatten, bekamen zunehmend Probleme, sich auf den privaten Finanzmärkten frisches Geld zu beschaffen. Die zweite Bank nach Lehman Brothers, die der Subprime-Krise zum Oper fiel, war eine deutsche: die IKB, die viel mit US-Hypothekenverbriefungen gehandelt hatte. Vom August 2007 bis zum August 2008 entfielen elf Prozent der weltweiten Abschreibungen von Banken aufgrund der Subprime-Krise auf deutsche Institute. Diese Größenordnung entspricht dem Anteil, den Banken aus Deutschland an allen Forderungen gegenüber den USA hatten.
Mitte 2008 waren französische und deutsche Geldinstitute auch die größten ausländischen Gläubiger der späteren Krisenländer – und zwar nicht nur der Staaten, sondern auch der Privatsektoren in den Ländern: Bei ihnen lagen 60 Prozent aller ausländischen Bankforderungen gegenüber Italien, 45 Prozent gegenüber Spanien, 42 Prozent gegenüber Griechenland, 37 Prozent gegenüber Irland und 33 Prozent gegenüber Portugal. Die EU-Kommission verlangte nun 2009 von allen Banken, die sich aufgrund hoher Verluste wegen der Subprime-Krise von den Staatsregierungen hatten retten lassen müssen, die Reduzierung ihrer Kreditvergabe.
In Deutschland bauten die international agierenden Banken daraufhin vor allem Auslandsforderungen ab, sie kündigten also Kredite oder ließen diese auslaufen. Neben Staatsanleihen waren das vor allem die so genannten Interbankenkredite. Diese vergeben Banken untereinander, um sich gegenseitig mit Liquidität zu versorgen. Zwischen dem 2. Quartal 2008 und dem 4. Quartal 2012 – dem letzten Quartal, für das Daten vorliegen – haben die von der BIZ befragten Banken ihre Forderungen gegenüber den Krisenländern um 42 Prozent reduziert und diesen Ländern damit massive Finanzierungsprobleme beschert. Die Hälfte des gestrichenen Kreditvolumens geht auf das Konto französischer und deutscher Institute. „So hat sich die Krise der Banken zur Euroraumkrise ausgeweitet“, schreibt der IMK-Forscher.
In den südeuropäischen Ländern habe sich der Rückzug der Banken als „Sudden Stop“ ausgewirkt, so Lindner. Sie traf einheimische Geldinstitute und Produktionsunternehmen, vor allem aber die Regierungen. Denn die hatten infolge der Krise einen erhöhten Finanzbedarf – unter anderem, um den Finanzsektor zu stabilisieren. Sie fanden aber nun deutlich weniger Käufer für ihre Staatsanleihen. Krisenverschärfend wirkten dabei die politischen Rahmenbedingungen, zeigt die Analyse des IMK-Wissenschaftlers:
Basel II. Die Eigenkapitalvorschriften des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht – kurz: Basel II – müssen europäische Banken seit 2007 anwenden. Seitdem bemisst sich das Eigenkapital, mit dem eine Bank eine Kreditvergabe unterlegen muss, nach dem laufend zu aktualisierenden Risiko. Basel II wirkt damit stark prozyklisch: Im Aufschwung ist eine Kreditvergabe weitaus leichter möglich als im Abschwung, weil das Ausfallrisiko in einer Rezession zunimmt.
Die Architektur des Euroraums. Aufgrund der so genannten Nicht-Beistandsklausel in den Europäischen Verträgen haften Euroländer untereinander nicht für ihre Schulden. Darüber hinaus ist der Europäischen Zentralbank der Kauf von Staatsanleihen verboten. „Gläubiger haben in der Krise erfahren, dass ein Land ohne Kontrolle über die eigene Währung pleite gehen kann“, erläutert Lindner. Verlangen sie ihr Geld nicht rechtzeitig zurück, laufen sie Gefahr, auf ihren Forderungen sitzen zu bleiben – so geschehen in Griechenland. Um dann nicht selbst Pleite zu gehen, müssen sie ihre Forderungen schnell verringern.
Normalerweise bilden Staatsanleihen den sicheren Anker für jedes Finanzsystem – allerdings nicht, wenn die Möglichkeit der Staatsinsolvenz besteht. „Für eine Lösung der Krise braucht es ein klares Bekenntnis, dass es nicht zu weiteren Abschreibungen auf Staatsanleihen kommt“ und dass die ungesunde Sparpolitik aufgegeben werde, empfiehlt der Wissenschaftler. Denn die Sparpolitik belastet auch die Banken durch immer höhere Privat- und Unternehmensinsolvenzen in den Krisenländern infolge des starken Wachstumsreinbruchs. Nach der Stabilisierung sowohl des Marktes für Staatsanleihen – hier könnte die EZB als „lender of last resort“ agieren – als auch der Realwirtschaft spricht sich der Forscher für eine härtere Bankenregulierung aus, um zukünftigen Kreditblasen vorzubeugen.
Weitere Informationen:
http://www.boeckler.de/14_43190.htm
– Die Pressemitteilung mit Ansprechpartnern und Link zu Infografiken
http://www.boeckler.de/pdf/p_imk_report_82_2013.pdf
– Die Studie als IMK-Report Nr. 82
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