Ist Elektromobilität im Alltag angekommen? Nutzererwartungen, Erfahrungen und kommunale Ansprüche
Wissenschaftler(innen) der Frankfurt University of Applied Sciences haben im Rahmen einer sozialwissenschaftlichen Begleitforschung zu Erwartungen, Erfahrungen und Akzeptanz von Elektromobilität in der Modellregion Rhein-Main erste Zwischenergebnisse vorgelegt; dazu wurden Elektrofahrzeug-Nutzer(inne)n und Kommunen befragt.
„Die Zulassungszahlen von Elektroautos bewegen sich in Deutschland trotz der fortschreitenden technologischen Entwicklung in den vergangenen Jahren auf niedrigem Niveau“, so Prof. Dr.-Ing. Petra K. Schäfer, Leiterin der Fachgruppe Neue Mobilität am Fachbereich Architektur, Bauingenieurwesen, Geomatik der Frankfurt University of Applied Sciences.
„Grund dafür sind unter anderem die infrastrukturellen Herausforderungen, denen sich Städte, Gemeinden und Unternehmen stellen müssen sowie die noch zu geringe Akzeptanz durch potenzielle Nutzerinnen und Nutzer, was vor allem auf den hohen Kaufpreis und die mangelnde Wahrnehmung im Alltag zurückzuführen ist. Das politische Ziel, eine Million Elektro-Pkws bis zum Jahr 2020 auf deutschen Straßen zu sehen, ist angesichts unserer Ergebnisse und Analysen kritisch zu betrachten.“
Befragung von Elektrofahrzeug-Nutzer(inne)n in der Modellregion
In einer Umfrage mit 313 Elektrofahrzeug-Nutzer(inne)n vor der ersten Nutzung gaben 72 % der Nutzer(innen) an, das Elektrofahrzeug nur für dienstliche Zwecke verwenden zu wollen. Knapp ein Viertel der Befragten teilte mit, dass sie das E-Fahrzeug (fast) täglich nutzen werden.
Da die tägliche Verkehrsleistung von Dreiviertel der Befragten bei unter 100 km und von über der Hälfte sogar bei maximal 80 km liegt, ist die Nutzung eines Elektrofahrzeugs im täglichen Gebrauch bei einem Großteil der Nutzer(innen) in der Modellregion Rhein-Main ohne Einschränkungen der Reichweite möglich. Ein Großteil der Befragten gab jedoch an, für ein Elektrofahrzeug im privaten Gebrauch nicht deutlich mehr als für ein konventionelles Fahrzeug ausgeben zu wollen. 38 % seien überhaupt bereit, einen geringen Aufpreis zu zahlen.
Ein wichtiger Aspekt für potenzielle Nutzer(innen) ist, neben den Anschaffungskosten und der Reichweite, die Abstellmöglichkeit des Elektrofahrzeugs bzw. die Lademöglichkeit der Batterie zu Hause und am Arbeitsplatz. 66 % der Befragten verfügen über eine Abstellmöglichkeit am Wohnort, doch nur bei 24 % ist dies verbunden mit einer potenziellen Lademöglichkeit. Immerhin etwas mehr als die Hälfte der Befragten gaben an, dass am Arbeitsort eine potenzielle Lademöglichkeit vorhanden wäre.
Befragung von Kommunen zur Elektromobilität
„Elektromobilität kann die Lebensqualität in Städten steigern, wenn sie sinnvoll in neue Mobilitäts- und Stadtentwicklungskonzepte eingebunden wird und dadurch für eine Verkehrsentlastung, weniger Lärm und geringere Schadstoffemissionen sorgt“, so Schäfer. „Die Befragung sowie erste weitergehende Analysen zeigen, dass es noch an ganzheitlichen Konzepten mangelt, die den Kommunen als strategische Planungsinstrumente an die Hand gegeben werden können. Dabei geht es beispielsweise um die ordnungspolitische und städtebauliche Gestaltung der Straßen- und Parkraumnutzung oder die Organisation des fließenden Verkehrs.“
Mit Unterstützung des Deutschen Städtetags (DST) und des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB) wurden 23 Kommunen zu absolvierten, laufenden sowie geplanten Aktivitäten zur Elektromobilität befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Städte vor allem mit dem Thema (Batterie-)Ladeinfrastruktur beschäftigen. Fast alle haben bereits Maßnahmen hinsichtlich der Elektromobilität durchgeführt. Gerade die Parkraumgestaltung in Zusammenhang mit Elektromobilität stellt sich als ein wichtiges, aber schwieriges Thema heraus. Elf Städte haben reservierte Stellplätze bzw. Parkstände für Elektrofahrzeuge eingerichtet, neun Kommunen Sicherungsboxen für (Elektro-)Fahrräder aufgebaut und vier Kommunen Park+Ride- bzw. Bike+Ride-Anlagen mit Ladesäulen ausgestattet.
Dabei wird deutlich, dass die Begünstigung von Elektrofahrzeugen in vielen Städten eine Rolle spielt, die rechtlichen Rahmenbedingungen jedoch nicht abschließend geklärt sind. 15 Städte nutzen eigene Elektrofahrzeuge für den kommunalen Betrieb, in zehn Kommunen werden elektrisch angetriebene öffentliche Verkehrsmittel angeboten und in neun Kommunen existieren Sharing-Angebote für Bewohner oder Unternehmen. Die Kommunen sehen daher in Pedelecs und E-Bikes ein hohes Potenzial, um den Verkehr umweltfreundlicher zu gestalten und den Flächenverbrauch in Städten zu verringern, indem Pkws durch Elektrozweiräder ersetzt werden. Ein Mittel sind Radschnellwege, deren Errichtung bereits in sechs Kommunen geplant ist. Die Städte wünschen sich eine verstärkte Förderung in diesem Bereich.
Zum Projekt
Die Einrichtung von Modellregionen zur Sichtbarmachung der Elektromobilität im Jahre 2009 war eine Initiative des Bundesverkehrsministeriums zur Förderung der Elektromobilität in Deutschland. In der zweiten Förderperiode (2012-2015) haben sich 17 Partner der Modellregion Rhein-Main zusammengeschlossen und die „Allianz Elektromobilität“ gegründet. Die Praxisprojekte widmen sich dem Aufbau von Elektrofahrzeugflotten.
Die Partner der sozialwissenschaftlichen und ökologischen Begleitforschung in der Modellregion Elektromobilität Rhein-Main forschen zu den Erwartungen, den Erfahrungen und der Akzeptanz von Elektromobilität in den verschiedenen Projekten. Ziel ist es, neue Erkenntnisse über die Chancen und Barrieren des Mobilitätswandels in Richtung Elektromobilität zu erlangen.
Das Konsortium besteht aus der Fachgruppe Neue Mobilität der Frankfurt University of Applied Sciences, den Instituten für Soziologie und Humangeografie der Goethe-Universität Frankfurt am Main, sowie dem Nachhaltigkeits-Ingenieurbüro e-hoch-3 aus Darmstadt.
Die Frankfurt University of Applied Sciences forscht auch im Teilvorhaben des europäischen Elektromobilitäts-Projekts „Electric Vehicles For Alternative City Transport Systems“ (E-FACTS). Dabei werden der Betrieb von Elektrofahrzeugen in den Innenstädten von Frankfurt am Main, Stockholm und Arnheim untersucht und vorangetrieben. Die Forscher(innen) bringen ihre Fachkenntnis zudem in das Verbundprojekt Well2Wheel ein und begleiten für das Land Hessen kommunale Elektromobilitätsprojekte.
Nähere Informationen zur Fachgruppe Neue Mobilität finden sich unter http://www.frankfurt-university.de/verkehr.
Kontakt: Frankfurt University of Applied Sciences, Fachgruppe Neue Mobilität, Prof. Dr.-Ing. Petra K. Schäfer, Telefon: 069/1533-2797, E-Mail: petra.schaefer@fb1.fh-frankfurt.de; M.Eng. Dennis Knese, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Telefon: 069/1533-3624, E-Mail: Dennis.Knese@fb1.fh-frankfurt.de
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