Kann die Geruchsschwelle von n-Butanol andere Geruchseffekte vorhersagen?
Um Gerüche und deren Wirkung auf uns beurteilen zu können, kommt es allein auf die Empfindlichkeit der menschlichen Nase an. Da jeder Gerüche jedoch individuell bewertet, muss die sensorisch-olfaktorische Prüfung von Innenräumen, Baumaterialien oder Arbeitsplatzchemikalien sehr standardisiert erfolgen.
Um zu bestimmen, ob Gerüche unangenehm oder belästigend sind, wird fast ausschließlich mit n-Butanol als Referenzstoff gearbeitet. Das heißt: Potenzielle Prüfpersonen müssen in der Lage sein, eine bestimmte Konzentration dieses „weinartig“ riechenden Referenzstoffs zu riechen.
Nur wenn die von ihnen gerade noch wahrgenommene n-Butanol-Konzentration (Geruchsschwelle) innerhalb eines normierten Bereiches liegt, dürfen sie an Prüfstudien teilnehmen. Auch in der Medizin wird die Geruchsschwelle von n-Butanol genutzt, um einen gestörten Geruchssinn zu diagnostizieren.
Ob die Geruchsschwelle für n-Butanol tatsächlich mit Geruchseffekten in Situationen jenseits eines bestimmten Laborsettings oder mit der Wahrnehmung und Bewertung anderer Gerüche zusammenhängt, ist bisher noch größtenteils unklar.
Ein Team des IfADo um den Neurotoxikologen und Chemosensoriker PD Dr. Christoph van Thriel hat mit der MSH Medical School Hamburg untersucht, wie valide die gängigen Messverfahren sind. Demnach kann die Geruchsschwelle für n-Butanol einen aussagekräftigen Indikator für die individuelle Geruchsempfindlichkeit darstellen. Die Forschenden haben ihre Ergebnisse nun im Journal „atmosphere“ veröffentlicht.
Vergleich: Riechstifte, Olfaktometrie und Expositionslabor
In der aktuellen IfADo-Studie wurde die n-Butanol-Geruchsschwelle von 35 Testpersonen ermittelt. Die Forschenden haben die zwei in der Praxis gängigen Verfahren eingesetzt: Riechstifte (Sniffin‘ Sticks) und ein Riechgerät, das sogenannte Olfaktometer (s. Foto). Die Riechstifte enthalten Duftstoffe unterschiedlicher Konzentration.
Testpersonen müssen jeweils immer wieder den einen von drei Stiften erkennen, der nach n-Butanol riecht. Im Olfaktometer wird n-Butanol hingegen unterschiedlichen stark verdünnt präsentiert, bis die Person eine bestimmte Konzentration wiederholt wahrnimmt. Beide Verfahren nähern sich der individuellen Geruchsschwelle also durch richtige bzw. falsche Antworten der Testperson an.
Um natürlichere Atembedingungen zu schaffen, hat das Team die Geruchsschwelle zudem erstmals in einem Expositionslabor ermittelt – ein 28 Quadratmeter großer Raum mit vier PC-Arbeitsplätzen.
Vor den Versuchen mit den Riechstiften und dem Olfaktometer waren die Testpersonen jeweils eine halbe Stunde im Labor, in dem die n-Butanol-Konzentration über die Luft schrittweise anstieg. Alle fünf Minuten wurden sie über den PC gefragt, ob sie etwas riechen oder nicht.
Realistische Einschätzung durch Olfaktometrie-basierte Werte
Die Daten der Studie zeigen einen signifikanten Zusammenhang zwischen den mithilfe von Riechstiften und Olfaktometrie abgeleiteten Schwellenwerten. „Interessant ist, dass die Olfaktometrie-Ergebnisse zu den Schwellenwerten aus dem Expositionslabor passen. Hier konnten wir ebenfalls einen signifikanten Zusammenhang feststellen“, sagt IfADo-Wissenschaftler Christoph van Thriel. „Das deutet darauf hin, dass die mittels Olfaktometrie abgeleiteten Schwellenwerte durchaus geeignet sind, um die individuelle Geruchsempfindlichkeit realistisch einzuschätzen.“
Um zu untersuchen, ob die individuelle n-Butanol-Riechschwelle auch etwas über die Empfindlichkeit gegenüber anderen Stoffen aussagt, wurde eine anschließende 75-minütige Messreihe mit steigender Ammoniakkonzentration im Expositionslabor durchgeführt.
„Personen, die eine höhere Empfindlichkeit gegenüber n-Butanol haben, bewerten Ammoniak auch als unangenehmer. Dieser häufig postulierte Zusammenhang konnte nun zum ersten Mal experimentell unter möglichst natürlichen Atembedingungen in unserem Expositionslabor bestätigt werden. Das bedeutet für die Praxis eine Bestätigung des bisherigen Vorgehens. Bei genauer Betrachtung der Daten ergibt sich allerdings erheblicher Forschungsbedarf, um diese ‚Vorhersagen‘ in der Geruchsforschung zu verbessern“, so Christoph van Thriel.
Hintergrund n-Butanol:
n-Butanol, auch 1-Butanol, ist eine farblose, brennbare, in Wasser gut lösliche Flüssigkeit. Sie hat einen Geruch, der als „weinartig“, aber auch als „herb fuselähnlich mit Bananenaroma“ sowie als „süßlich ranzig“ beschrieben wird. N-Butanol wird unter anderem als Lösemittel bei der Herstellung von Lacken sowie für Farbstoffe, als Zusatz in Reinigungsmitteln und bei der Gewinnung von Arzneistoffen verwendet. 1-Butanol wird zudem als Referenzmaterial in der Geruchsmessung angewendet. Die Substanz wurde deswegen ausgewählt, da in internationalen Studien gezeigt werden konnte, dass sie im Bereich der Geruchsschwelle als „neutral bis leicht unangenehm“ bewertet wurde. Bei sehr angenehmen oder unangenehmen Gerüchen muss mit teilweise erheblichen Unterschieden zwischen den Testpersonen gerechnet werden, was die Festlegung eines Referenzwertes erschwert.
PD. Dr. Christoph van Thriel
Leiter Forschungsgruppe „Neurotoxikologie und Chemosensorik“
Telefon: + 49 231 1084-407
E-Mail: thriel@ifado.de
Pacharra, M., Kleinbeck, S., Schäper, M., Hucke, C.I., van Thriel, C.: Sniffin’ Sticks and Olfactometer-Based Odor Thresholds for n-Butanol: Correspondence and Validity for Indoor Air Scenarios. Atmosphere 2020. https://doi.org/10.3390/atmos11050472
https://www.ifado.de/2020/06/08/n-butanol-geruch/ IfADo-Website
https://www.mdpi.com/2073-4433/11/5/472 Originalarbeit (Open Access)
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