Kohlenstoffspeicherung in Böden
Die Rolle von Niederschlag und Temperatur bei der Kontrolle der Kohlenstoffdynamik im Boden ist weit differenzierter als bislang angenommen. Dies zeigt die einen Großteil Chiles und der Antarktischen Halbinsel abdeckende Studie eines internationalen Wissenschaftlerteams zum vieldiskutierten Thema der Kohlenstoffspeicherung in Böden unter dem Einfluss des Klimawandels.
Die Ergebnisse der Studie wurden jetzt im Fachjournal „Nature Geoscience“ veröffentlicht. Geleitet wurde sie von den Professoren Pascal Boeckx (Universität Gent, Belgien) und Erick Zagal (Universität Concepcion, Chile) und von Dr. Sebastian Dötterl, der am Genter Isotope Bioscience Laboratory und seit Ende 2014 auch an der Augsburger Professur für Ressourcengeographie des Wassers forscht.
Böden sind wichtige Kohlenstoffspeicher und somit auch von Bedeutung für die CO2-Konzentration in der Erdatmosphäre. Ob Böden Kohlenstoff freigeben oder speichern, ist in der Regel abhängig von klimatischen Faktoren. Sie steuern z. B. das Pflanzenwachstum, das Kohlenstoff in den Boden einbringen kann, und sie steuern auch die Aktivität von Mikroorganismen, die durch den Abbau organischen Materials zur Freisetzung von Kohlenstoff aus dem Boden als CO2 in die Atmosphäre führen können.
Gegensätzliche Prozesse von CO2-Speicherung und -abbau
Aufgrund vieler gegensätzlicher Prozesse von Kohlenstoffspeicherung und -abbau sind die Auswirkungen des Klimawandels auf Böden noch nicht vollständig geklärt. Das von Boeckx, Dötterl und Zagal geleitete internationale Forscherteam hat nun untersucht, wie das Zusammenspiel von Klima und Bodenmineralogie die Kohlenstoffdynamik in Böden beeinflusst. Untersucht wurden Böden zahlreicher verschiedener Steppen, Prairie- und Graslandschaften in Chile und auf der Antarktischen Halbinsel.
„Modelle zur Vorhersage der Auswirkungen des Klimawandels auf die Natur berücksichtigen in der Regel nicht die verstärkende oder abschwächende Funktion von Böden auf einige potenzielle Effekte des Klimawandels, z. B. auf die zusätzliche CO2-Freisetzung oder -Speicherung“, erläutert Dötterl. Die Studie zeige nun, wie wichtig es ist zu verstehen, was in Böden vor sich geht, die sich unter verschiedenen geologischen und klimatischen Bedingungen entwickelt haben, und wie Geologie und Klima in diesen unterschiedlichen Böden wechselwirken.
Chile als ideales Labor
Da Chile viele Klimazonen durchquert und durch die Gebirgsbildung der Anden eine sehr variable Geologie aufweist, bietet das Land sich als das ideale natürliche Labor an, um diese Wechselwirkungen und ihren Kontrolleinfluss auf die Kohlenstoffspeicherung in Böden zu untersuchen. Dass geochemische und klimatische Kontrolleinflüsse auf die Bodenkohlenstoffdynamik eng miteinander verbunden sind, konnten Dötterl und seine Kollegen in Chile nun erstmals in großem Maßstab aufzeigen.
Klima, Bodenreaktivität und CO2-Produktion
„Böden in Regionen mit wärmerem und feuchterem Klima sind im Allgemeinen reaktiver als Böden in trockenen oder sehr kalten Regionen“, erklärt Erick Zagal, „und diese reaktiveren Böden können beispielsweise durch die Bildung von Komplexen aus organischen Molekülen und unterschiedlichen Mineralien mehr Kohlenstoff stabilisieren. Denn diese Komplexbildung schützt die organischen Kohlenstoffmoleküle vor der Zersetzung durch Mikroorganismen, die ihrerseits zur Produktion von CO2 führen würde, das letztlich wieder in der Atmosphäre gelangt und dort die Erwärmung weiter verstärken könnte.“
Fokussierung auf Klimavariable greift zu kurz
Welcher Faktor ist nun aber wichtiger für die Kohlenstoffspeicherung in Böden – das Klima oder die Geologie? Die komplexe Antwort, die ihre Studie auf diese Frage gibt, fassen Dötterl und seine Kollegen in einigen wesentlichen Ergebnissen zusammen:
„Fest steht unseren Analysen zufolge, dass das Klima nicht als der alleinige Faktor angesehen werden kann, der kontrolliert, wieviel Kohlenstoff in den Böden gespeichert wird“, so Pascal Boeckx. Das Klima wirke vielmehr indirekt kontrollierend auf Elemente und Prozesse in Böden – z. B. auf die Verwitterung von Bodenmineralien, die wiederum direkt mit dem Kohlenstoff interagieren. Wenn sich globale Modelle für die Vorhersage der Kohlenstoffspeicherkapazität von Böden nur auf Klimavariablen fokussieren, fallen diese fundamentalen Wechselwirkungen und Rückkopplungen der Bodengeochemie mit dem globalen Kohlenstoffzyklus unter den Tisch.
Komplexe Wechselwirkung von Klima(wandel) und Bodenkohlenstoffdynamik
„Ob und wie der Klimawandel dazu beiträgt, in Böden zusätzlichen Kohlenstoff zu stabilisieren oder freizusetzen, ist daher meist eine Frage der geochemischen Eigenschaften des Bodens und der Bedingungen, unter denen sich diese Böden entwickelt haben“, so Dötterl. In arktischen Regionen zum Beispiel könnte eine Temperaturerhöhung die Stabilisierung von Kohlenstoff in Böden mit reaktiven Mineralien verbessern und die erhöhte Zersetzung von Kohlenstoff aus den schmelzenden Permafrostschichten teilweise kompensieren. In heißen Trockengebieten hingegen werde die Bodenkohlenstoffdynamik wahrscheinlich kaum durch einen weiteren Temperaturanstieg betroffen sein; hier aber könnte eine höhere bzw. niedrigere Wasserverfügbarkeit wiederum sowohl die Bodenreaktivität als auch die biologische Aktivität stimulieren bzw. weiter einschränken – anders als in den meisten tropischen Regionen, in denen reaktive Bodenmineralien bereits durch eine Millionen von Jahren andauernde Verwitterung größtenteils ausgewaschen oder in weniger reaktive Formen umgewandelt wurden. In den Tropen werde der Klimawandel daher wahrscheinlich nicht direkt zu signifikanten Veränderungen der Bodenkohlenstoffdynamik führen, wohl aber indirekt, und zwar über massive Veränderungen in der Vegetationsdynamik eines Ökosystems und den Konsequenzen, die diese wiederum für den Boden haben.
Mitautor Prof. Dr. Johan Six von der ETH Zürich resümiert: „Wir werden eine Reihe sehr unterschiedlicher, teilweise drastischer Reaktionen von Böden auf den Klimawandel sehen, je nachdem welche klimatischen, biologischen und geologischen Bedingungen vorherrschen. Entscheidend ist, nie zu vergessen, welch eine wichtige Bedeutung dem Boden für alle terrestrischen Ökosysteme zukommt.“
Publikation:
Doetterl S., Stevens A., Six J., Merckx R., Van Oost K., Casanova-Pinto M., Casanova-Katny A., Muñoz C., Boudin M., Zagal Venegas E., Boeckx P. 2015. Soil carbon storage controlled by interactions between geochemistry and climate. Nature Geoscience, DOI: 10.1038/ngeo2516.
Online am 31. August 2015 vorab veröffentlicht unter:
http://www.nature.com/ngeo/journal/vaop/ncurrent/full/ngeo2516.html
Ansprechpartner:
Dr. Sebastian Dötterl
Institut für Geographie
Universität Augsburg
D-86135 Augsburg
Telefon: +49(0)821-598-2776
sebastian.doetterl@geo.uni-augsburg.de
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