Kollisionen mit Robotern – ohne Verletzungsrisiko
Wer kennt das nicht: Da passt man einmal kurz nicht auf, und schon ist man gegen die Tischkante gestoßen. Zunächst tut es weh, ein wenig später breitet sich ein blauer Fleck aus. Was beim Tisch in die Kategorie »Nicht schlimm, aber ärgerlich« fällt, bekommt eine neue Dimension, wenn es sich bei dem Kollisionspartner um einen Roboter handelt. Denn beim Zusammenprall könnte der Mensch ernsthafte Verletzungen davontragen.
Daher arbeiten die technischen Gehilfen derzeit meist noch hinter Schutzzäunen und Absperrgittern. Allerdings gibt es auch Anwendungen, bei denen Mensch und Roboter Hand in Hand arbeiten sollen. Die Kooperation zwischen beiden ist daher einer der Forschungsschwerpunkte in der Robotik weltweit. Doch wo genau liegt die Grenze zwischen einem harmlosen Zusammenstoß und einer Verletzung?
Kleine Stöße, große Erkenntnisse
Wie viel Kraft ist bei einem Stoß nötig, um an unterschiedlichen Körperstellen einen blauen Fleck zu bekommen? Wann tragen Menschen eine bleibende Verletzung davon? Das konnte bislang niemand genau sagen. Es gibt keine umfangreichen Studien zu diesem Thema. Auch die Kollisionsgeometrie, sprich die Geometrie der aufeinandertreffenden Objekte, hat großen Einfluss auf die Verletzungsschwere bei einem Zusammenstoß. Die Forscher am Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF in Magdeburg betreten mit einer neuen Studie gänzlich unerforschtes Terrain: Sie untersuchen systematisch, wo die maximal zulässige Belastung liegt, wenn Roboter und Mensch zusammenprallen.
Die Vorgehensweise der Forscher: Sie beschweren ein Pendel mit verschiedenen Gewichten, lenken es aus und lassen es gegen verschiedene Körperstellen der Studienteilnehmer stoßen. Die Druckverteilung beim Aufprall misst eine spezielle Sensorfolie an der Stoßseite des Pendels. Ein Kraftsensor, der sich ebenfalls an der Stoßseite befindet, ermittelt den Verlauf der Kontaktkraft, die maximal wirkende Kraft und die Einwirkdauer. »Somit können wir alle relevanten Messgrößen wie Kraft, Druckverteilung, Aufprallgeschwindigkeit sowie Impuls und Energie ermitteln«, sagt Dr. Norbert Elkmann, Geschäftsfeldleiter am IFF.
Von medizinischer Seite wird die Studie vom Institut für Rechtsmedizin, der Klinik für Dermatologie, der Klinik für Unfallchirurgie sowie dem Institut für Neuroradiologie des Uniklinikums der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg begleitet. Für die Untersuchung hat die Ethik-Kommission der Otto-von-Guericke-Universität ihr zustimmendes Votum erteilt. Abbruchkriterien der Versuche sind die beginnende Entstehung von Schwellungen oder Hämatomen oder das Erreichen der Schmerzschwelle.
In der Pilotphase haben die Wissenschaftler zunächst die Messtechnik entwickelt und die Methodik verfeinert – gemeinsam mit Medizinern. Mittlerweile produzieren sie in der Vorphase die ersten Ergebnisse mit mehreren Probanden. Anschließend schätzen die Forscher ab, wie viele Studienteilnehmer nötig sind, um ein repräsentatives Ergebnis zu erhalten. Bei dem weltweit führenden Roboterkongress ICRA in Hongkong werden die Wissenschaftler des IFF im Juni 2014 erste Ergebnisse vorstellen.
Diese können auch von der Kriminalpolizei und der Rechtsmedizin genutzt werden: Kommen Gewaltopfer zu den Beamten oder Ärzten und sind die Unterblutungen schlecht zu sehen, lässt sich meist kaum feststellen, wie intensiv die Gewalteinwirkung war. Opfern wie Ärzten wäre sehr geholfen, wenn die Rechtsmediziner hier auf entsprechende Untersuchungen zurückgreifen könnten.
Auch für den Consumerbereich ist die Studie von Wert: Denn in vielen Haushalten gehören Roboter inzwischen zum Alltag. Sie saugen, wischen die Böden oder mähen den Rasen. In Zukunft dürften die Roboter noch weit mehr Aufgaben im Haushalt übernehmen. Dies ist nur dann möglich, wenn Menschen vor Verletzungen bei Zusammenstößen mit Robotern sicher geschützt sind. Die grundlegenden Daten dafür ermittelt das IFF in der Studie, deren Resultate in international gültige Normen einfließen werden.
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