Landleben unter der Lupe: Soziologische Langzeitstudie beleuchtet 14 deutsche Dörfer

Einzigartige Langzeitstudie: Seit 1952 untersuchen Sozialforscher in Abständen von jeweils zwei Dekaden das Leben in verschiedenen ländlichen Räumen der Bundesrepublik. Nun ist die vierte Untersuchungswelle in 14 Dörfern angelaufen.

Die Wissenschaftler der Universität Hohenheim beleuchten innerhalb dieser groß angelegten Studie das Alltagsleben in fünf Dörfern in Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen. Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung unterstützt das Forschungsprojekt mit insgesamt rund zwei Millionen Euro. Davon fließen über 175.000 Euro nach Hohenheim. Damit gehört das Vorhaben zu den Schwergewichten der Forschung an der Universität Hohenheim.

„In der laufenden Untersuchungswelle interessiert uns vor allem, wie die Menschen ihren Alltag strukturieren und bewältigen“, sagt PD Dr. Simone Helmle vom Fachgebiet Ländliche Soziologie der Universität Hohenheim. Hintergrund seien die fortschreitende Digitalisierung des Alltags, die Folgen des demografischen Wandels und die großen Herausforderungen der Berufsmobilität.

Die aktuelle Befragung gehört zur vierten Untersuchungswelle, die derzeit anläuft. Im April und Mai 2013 findet zunächst in allen 14 Untersuchungsorten eine standardisierte Bevölkerungsumfrage statt. Das Team um PD Dr. Helmle schickt ca. 20 Interviewer aus, um 300 Einwohner in Kusterdingen bei Tübingen und weitere 200 in Bischoffingen, einem Ortsteil von Vogtsburg im Kreis Breisgau-Hochschwarzwald zu befragen.

In der Zeit davor, haben die Wissenschaftler der Universität Hohenheim bereits eine kleine Inventur in den beiden untersuchten Dörfern vorgenommen, mit Bürgermeistern und Ortsvorstehern gesprochen und auch einzelne Tiefeninterviews geführt: „Wir erheben zunächst, welche Einrichtungen es in den beiden Orten gibt, wie Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, auf den Ort blicken, welche Herausforderungen sie sehen und wie sich der Ort in den letzten Jahren entwickelt hat“, erklärt die Forscherin.

Einzelgespräche über den Alltag der Dorfbewohner
Ihre standardisierten Fragebögen gehen die Forscher gemeinsam mit zufällig ausgewählten Bürgern in Kusterdingen und Bischoffingen durch. Die Fragen darin sind größtenteils sehr persönlich: „Wir wollen zum Beispiel wissen, ob die Menschen zur Miete oder in den eigenen vier Wänden wohnen“, erklärt PD Dr. Helmle, „welche Infrastruktureinrichtungen sie im Dorf nutzen und wie zufrieden sie damit sind. Wo sie arbeiten und mit welchem Verkehrsmittel sie dorthin kommen. Ob sie sich in einem Verein engagieren. Ob sie einen privaten Internetzugang haben und wie stark dieser genutzt wird.“
Wie die Dorfbevölkerung in Kusterdingen und Bischoffingen ihren Alltag strukturiert und bewältigt, ist in den ausgefüllten Fragebögen allenfalls nur grob umrissen. Einzelheiten erfahren die Forscher dann in persönlichen Einzelgesprächen. „Wir möchten den Befragten das Gefühl vermitteln, dass wir sie ernst nehmen und wir möchten ihnen ganz genau zuhören“, sagt PD Dr. Helmle. „Wir hoffen, dass sie uns unterstützen und nicht an der Haustür abweisen.“

Die Forscher machen ihre Ergebnisse in den Dörfern bekannt
So wie die Wissenschaftler vom Fachgebiet Ländliche Soziologie der Universität Hohenheim, sind im kommenden Frühjahr bundesweit 20 Sozialforscher in allen 14 Dörfern unterwegs. Ihr gemeinsames Ziel: ein möglichst genaues und vollständiges Bild der Lebensverhältnisse in diesen Dörfern und deren Umgebung auszuarbeiten.
Wie dieses Bild aussieht, werden die Bewohner der untersuchten Dörfer von den Forscher persönlich erfahren. In sogenannten Gesprächsrunden in den Dörfern werden zum Projektende die Ergebnisse vorgestellt und mit der lokalen Bevölkerung diskutiert. Über Zwischenergebnisse und die jeweiligen Arbeitsschritte möchten die Forscher in den Lokalzeitungen berichten, um vor Ort eine möglichst gute Rückmeldung über den jeweiligen Forschungsstand zu geben.

Hintergrund: Forschungsprojekt „Ländliche Lebensverhältnisse im Wandel“
Das soziologische Forschungsprojekt „Ländliche Lebensverhältnisse im Wandel“ ist eine bundesweite Langzeitstudie. Sie wurde 1952 erstmals durchgeführt und seither alle zwanzig Jahre wiederholt. Die Forscher beleuchten zunächst zehn Dörfer, nach der Wiedervereinigung sind vier ostdeutsche Dörfer hinzugekommen. Die aktuelle Untersuchungswelle ist im September 2012 angelaufen und dauert zwei Jahre.
Das Thünen-Institut koordiniert das Forschungsprojekt. Beteiligt sind außer der Universität Hohenheim auch noch die Fachhochschule Südwestfalen, die Hochschule Mittweida, die Bergische Universität Wuppertal, die Universität Bonn und das Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung in Berlin.

Jeder dieser Projektpartner verfolgt einen anderen inhaltlichen Schwerpunkt. Während für das Team der Universität Hohenheim der Fokus auf dem Alltagsleben liegt, konzentrieren sich die anderen Projektpartner auf Kindheit, soziale Unterstützungsstrukturen, Landwirtschaft, neue Medien, kommunale Handlungsmöglichkeiten sowie regionale Arbeitsmärkte.

Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung unterstützt die Langzeitstudie mit rund 2.000.000 Euro. Davon fließen mehr als 175.000 Euro an die Universität Hohenheim.

Hintergrund: Schwergewichte der Forschung
Rund 28 Millionen Euro an Drittmitteln akquirierten Wissenschaftler der Universität Hohenheim 2011 für Forschung und Lehre. In loser Folge präsentiert die Reihe „Schwergewichte der Forschung“ herausragende Forschungsprojekte mit einem Drittmittelvolumen von mindestens 250.000 Euro bei den Experimental- bzw. 125.000 Euro bei den Buchwissenschaften.
Text: Weik / Leonhardmair

Kontakt für Medien:
PD Dr. Simone Helmle, Universität Hohenheim, Fachgebiet Ländliche Soziologie,
Tel.: 0711/459 22646, E-Mail: s.helmle@uni-hohenheim.de

Dr. Carmen Kuczera, Universität Hohenheim, Fachgebiet Ländliche Soziologie,
Tel.: 0711/459 22650, E-Mail: Carmen.Kuczera@uni-hohenheim.de

Dr. Stefan Burkart, Universität Hohenheim, Fachgebiet Ländliche Soziologie,
Tel.: 0711/459 23026, E-Mail: stefan.burkart@uni-hohenheim.de

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