Die meisten Deutschen erwarten ihre Rente zukünftig erst mit fast 70 Jahren
Die Deutschen erwarten in ihrer Mehrheit zukünftig ein deutlich höheres Renteneintrittsalter als heute, die Hälfte sogar erst mit über 69 Jahren. Gleichzeitig bleiben sie skeptisch, ob sie angesichts der beruflichen Belastungen auch in der Lage sind, länger als bisher zu arbeiten und ob die verschiedenen Renten zukünftig den erworbenen Lebensstandard sichern können.
Umgekehrt wünschen sie für sich persönlich den Eintritt in den Ruhestand bereits mit durchschnittlich 63 Jahren. Bei einer Reform der gesetzlichen Rentenversicherung sollte sich vor allem die Rentenhöhe nicht verringern. Eine Anhebung des Beitragssatzes oder des Renteneintrittsalters würde dagegen eher in Kauf genommen. Dies sind die Ergebnisse einer repräsentativen Meinungsumfrage des Infas-Instituts im Auftrag der Bertelsmann Stiftung zu Fragen der zukünftigen Alterssicherung, die heute veröffentlicht wurden.
Danach erwarten 79 Prozent der Deutschen in 20 Jahren ein Renteneintrittsalter von 67 und mehr Jahren, 52 Prozent sogar von 69 Jahren oder später. Die durchschnittliche Erwartung liegt bei 68,7 Jahren, wobei die Westdeutschen in ihrer Prognose noch höher liegen als die Ostdeutschen. Danach befragt, wann sie selbst beabsichtigen in Renten zu gehen, sagen 47 Prozent „mit unter 65 Jahren“. 28 Prozent möchten zwischen 65 und 66 Jahren in den Ruhestand treten und 18 Prozent erst mit 67 Lebensjahren oder später. Der Durchschnitt liegt bei 63,2 Jahren.
Mit Blick auf die zukünftige Alterssicherung herrscht Sorge, ob die Arbeitnehmer den erwarteten zusätzlichen Belastungen gewachsen sind und ihren Lebensstandard im Alter sichern können. So sagen 82 Prozent, dass die Menschen heutzutage wegen der Arbeitsbelastungen – wie zum Beispiel durch Stress – nicht besser in der Lage sind bis zum 67. Lebensjahr zu arbeiten, als etwa vor zwanzig Jahren.
Nur ein Drittel glaubt, dass die heutigen Rentner allein durch die gesetzliche Rente ihren Lebensstandard sichern können. In zwanzig Jahren aber – so glauben drei von vier Befragten – könne selbst eine Kombination aus gesetzlicher Rente und betrieblicher wie privater Altersvorsorge den Lebensstandard für Rentner nicht mehr sichern.
Bei einer notwendigen Reform der gesetzlichen Rentenversicherung präferiert die überwiegende Mehrheit im Zweifel vor allem eine Beibehaltung der Rentenniveaus. 53 Prozent sprechen sich bei den denkbaren Alternativen dafür aus, dass vor allem das Rentenniveau nicht sinkt. 29 Prozent wollen in erster Linie eine Erhöhung des Rentenalters vermeiden und 15 Prozent sind gegen eine Steigerung des Rentenbeitragssatzes.
Gleichzeitig besteht aber eine sehr große Zustimmung für ein solidarisches und leistungsabhängiges Rentensystem. So wünschen sich 80 Prozent die Mitgliedspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung auch für Selbstständige. Private und betriebliche Pflichtversicherungen für alle sind dagegen in der Bevölkerung umstritten. So spricht sich eine knappe Mehrheit gegen eine allgemeine Pflicht zur zusätzlichen privaten Altersversorgung aus, jedoch für eine Pflicht zur ergänzenden betrieblichen Alterssicherung.
Eine breite Unterstützung zeigen die Deutschen in der Frage der Unterstützung für Armutsrentner. So halten 87 Prozent eine Rentenaufstockung für Geringverdiener grundsätzlich für eine gute Idee, weil sie dabei helfe, Armut im Alter zu bekämpfen. Gleichzeitig meinen drei Viertel der Befragten, dass eine Rentenaufstockung für Geringverdiener nur für diejenigen gezahlt werde solle, die mindestens 35 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt hätten. Nur 27 Prozent halten eine Rentenaufstockung für Geringverdiener für grundsätzlich unfair.
Angesichts des Fachkräftemangels als Folge der demographischen Entwicklung bevorzugen die meisten Deutschen (48 Prozent) eher eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit um drei Stunden als eine jährliche Zuwanderung von mindestens 200.000 ausländischen Fachkräften, die 32 Prozent präferieren würden. Lediglich die sehr jungen Deutschen und die Akademiker sind in ihrer Mehrheit eher für einen Zuzug von ausländischen Fachkräften.
Für Aart De Geus, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung, spiegeln sich in den Ergebnissen sowohl der Realitätssinn als auch die Wünsche der Deutschen wider. „Die Menschen befinden sich in einem echten Dilemma“, sagte De Geus. „Sie erwarten mittelfristig ein höheres Renteneintrittsalter, sehen sich angesichts der beruflichen Belastungen aber nur bedingt in der Lage, länger zu arbeiten.“ Daher müsse die Politik der Bevölkerung endlich reinen Wein einschenken. Dazu gehöre, dass angesichts der demographischen Entwicklung eine längere Lebensarbeitszeit unumgänglich sei.
Die Voraussetzungen dafür müssten auf der betrieblichen Ebene geschaffen werden. Hier gehe es darum, Arbeitsplätze und Arbeitsorganisation so zu verändern, dass ein längeres Berufsleben bei guter Gesundheit möglich sei. So habe eine gemeinsame Studie der Bertelsmann Stiftung und des European Policy Centre (EPC) vor kurzer Zeit noch einmal deutlich gezeigt, dass die Berufserfahrung und das Wissen älterer Arbeitnehmer von den Arbeitgebern unterschätzt werden. Auch Regierungen könnten durch entsprechende gesetzliche Bestimmungen und steuerliche Anpassungen einen positiven Beitrag für eine Kultur des späteren Renteneintritts leisten.
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