Mindestlohn drückt Bildungsrenditen im ostdeutschen Handwerk
Im Dachdeckerhandwerk wurde bereits im Oktober 1997 ein Mindestlohn eingeführt, der derzeit bei 11,85 Euro liegt. Eine aktuelle ZEW-Studie dazu zeigt, dass die Einführung des Mindestlohns zwar die Einkommen von Geringverdienern verbessert, aber gleichzeitig die Bezahlung der qualifizierten Facharbeiter verschlechtert hat – insbesondere in den neuen Bundesländern.
„Das angestrebte Ziel, die Lohnungleichheit in der Dachdeckerbranche zu verringern, wurde mit der Einführung eines branchenspezifischen Mindestlohns zwar erreicht. Der Mindestlohn führte allerdings auch zu sinkenden Reallöhnen beziehungsweise stagnierenden Nominallöhnen bei den bis dahin besser bezahlten Handwerkern in diesem Gewerbe vor allem in Ostdeutschland“, sagt Dr. Terry Gregory, Autor der Studie und Wissenschaftler im ZEW-Forschungsbereich „Arbeitsmärkte, Personalmanagement und Soziale Sicherung“.
Eine Konsequenz dieser Entwicklung: Immer mehr Beschäftigte im Dachdeckerhandwerk beziehen ein Einkommen nahe dem Mindestlohn. Mittlerweile werden in den neuen Bundesländern mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer im Dachdeckerhandwerk nach dem Mindestlohn bezahlt.
Die ZEW-Studie zeigt weiter, dass die Lohnzurückhaltung bei den Besserverdienenden insbesondere von den für das Handwerk typischen Kleinbetrieben ausgeht. Diese Betriebe verfügen im wirtschaftlichen Abschwung nur über wenige Anpassungsmöglichkeiten, wie etwa Preiserhöhungen. Daher versuchen sie, vor allem ihre Lohnkosten gering zu halten.
Die zurückhaltende Lohnpolitik der Betriebe wurde allerdings nur aufgrund durch die geringeren Beschäftigungschancen für Facharbeiter in dem im Rahmen der Studie betrachteten Zeitraum (1994-2008) möglich. Dadurch erhöhte sich die Verhandlungsmacht der Betriebe gegenüber ausgebildeten Mitarbeitern.
„Die Lohnabstände zwischen den Qualifikationsgruppen haben sich in Folge der zurückhaltenden Lohnpolitik der Betriebe verringert, was für sinkende Bildungsrenditen im Handwerk spricht“, erklärt Gregory. Der Anreiz, als Arbeitnehmer eine höhere Qualifikation zu erlangen, wird also geringer, weil der aus einer höheren Qualifikation resultierende Mehrverdienst zwischen gelernten und ungelernten Arbeitern geringer wird.
Angesichts dieser Ergebnisse legt die Studie nahe, dass bei der Festlegung der Höhe des branchenübergreifenden Mindestlohns durch die Mindestlohnkommission behutsam vorgegangen werden sollte. „Es sollte insbesondere auf mögliche Lohn- und Beschäftigungswirkungen unter qualifizierten Facharbeitern in Handwerksberufen geachtet werden“, mahnt der Autor der Studie. Zudem gelte es, regionale Preisunterschiede – insbesondere zwischen Ost- und Westdeutschland – zu berücksichtigen, da sie für erhebliche Unterschiede bei der Eingriffsintensität des Mindestlohns sorgten.
„Auch die Firmengröße spielt eine wichtige Rolle, da kleinere Firmen einen Anstieg der Arbeitskosten meist schlechter verkraften als größere“, sagt Gregory Zuletzt sollten auch die Anpassungen bei der Beschäftigungsform als Folge des Mindestlohns genau beobachtet werden. So deutet vieles darauf hin, dass die Zunahme der Ein-Personen Unternehmen im Dachdeckerhandwerk eine Folge der schlechteren Arbeitsbedingungen für qualifizierte Beschäftige sein könnte.
Die vollständige Studie in englischer Sprache finden Sie unter:
http://ftp.zew.de/pub/zew-docs/dp/dp14133.pdf
Für Rückfragen zum Inhalt:
Terry Gregory, Telefon 0621/1235-306, E-Mail gregory@zew.de
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