Molekularbiologie: Schlüsselfaktor mit breiter Wirkung
Ribosomen sind die Proteinfabriken der Zelle, in denen wie am Fließband Proteine aus einzelnen Aminosäuren zusammengesetzt werden. Allerdings stoppt diese zelluläre Maschinerie immer dann, wenn bestimmte Kombinationen von Aminosäuren auftauchen – etwa wenn mehrmals hintereinander die Aminosäure Prolin eingebaut werden soll.
In diesem Fall kann erst der sogenannte Translations-Elongations-Faktor EF-P die Produktion wieder anwerfen und die Synthese Prolin-reicher Moleküle ermöglichen. Das ist bei Bakterien so, aber auch in urtümlichen Archaeen und auch in Zellen höherer Lebewesen gibt es ein EF-P-Pendant.
Bisher gingen Wissenschaftler davon aus, dass eine Dreiergruppe von Prolin-Molekülen vorliegen muss, wenn die Proteinsynthese gestoppt werden soll. Insgesamt gibt es gut 100 Proteine unterschiedlichster Funktion mit derartigen Prolin-Sequenzen. Welche Rolle EF-P bei der Steuerung der Produktion dieser Proteine spielt, berichteten die LMU-Wissenschaftler Dr. Daniel Wilson und Professor Kirsten Jung bereits früher im Fachmagazin Science.
Die Fortsetzung dieser Studie brachte Wilsons Team nun die überraschende Erkenntnis, dass EF-P sogar schon bei zwei aufeinanderfolgenden Prolin-Molekülen eingreifen und die Proteinsynthese wieder aktivieren muss. Welche Aminosäure die Sequenz komplettiert, beeinflusst das Ausmaß, in dem die Proteinsynthese gestoppt wird. Für die Funktion von EF-P spielt die dritte Aminosäure aber keine Rolle – es bringt die zelluläre Maschine in jedem Fall wieder in Gang. „Damit erweitert sich das Spektrum der Proteine, deren Produktion durch EF-P reguliert wird, bedeutend“, erklärt Wilson.
Diese Erkenntnisse sind auch aus therapeutischer Sicht wichtig, denn EF-P ist ein „Scharfmacher“ für Bakterien, der die Produktion krankmachender Proteine ermöglicht – fehlt bestimmten Bakterien EF-P, sind sie deutlich weniger virulent. Deshalb ist EF-P ein vielversprechender Ansatzpunkt für die Entwicklung neuer Antibiotika die gerade vor dem Hintergrund der steigenden Zahl multiresistenter Keime immer dringender benötigt werden. Die Entdeckung der neuen Zielmoleküle von EF-P erweitert seinen potenziellen Einsatzbereich nun noch einmal.
(PNAS 2013) göd
Publikation:
Distinct XPPX sequence motifs induce ribosome stalling, which is rescued by the translation elongation factor EF-P
Lauri Peil, Agata L. Starosta, Jürgen Lassak, Gemma C. Atkinson Kai Virumäe, Michaela Spitzer, Tanel Tenson, Kirsten Jung, Jaanus Remme, Daniel N. Wilson
PNAS 2013
doi: 10.1073/pnas.1310642110
Kontakt:
Dr. Daniel Wilson
Genzentrum der LMU
Phone: (+49) 89-2180-76903
Fax: (+49) 89-2180-76945
Email: wilson@genzentrum.lmu.de
http://www.wilson.genzentrum.lmu.de/
Media Contact
Weitere Informationen:
http://www.uni-muenchen.de/Alle Nachrichten aus der Kategorie: Studien Analysen
Hier bietet Ihnen der innovations report interessante Studien und Analysen u. a. aus den Bereichen Wirtschaft und Finanzen, Medizin und Pharma, Ökologie und Umwelt, Energie, Kommunikation und Medien, Verkehr, Arbeit, Familie und Freizeit.
Neueste Beiträge
Brechen des Eises: Gletscherschmelze verändert arktische Fjordökosysteme
Die Regionen der Arktis sind besonders anfällig für den Klimawandel. Es mangelt jedoch an umfassenden wissenschaftlichen Informationen über die dortigen Umweltveränderungen. Forscher des Helmholtz-Zentrums Hereon haben nun an Fjordsystemen anorganische…
Globale Studie identifiziert Gene für Depressionen in verschiedenen Ethnien
Neue genetische Risikofaktoren für Depression wurden erstmals in allen großen Weltbevölkerungen identifiziert und ermöglichen es Wissenschaftler*innen, das Risiko für Depression unabhängig von der ethnischen Zugehörigkeit vorherzusagen. Die bislang größte und…
Zurück zu den Grundlagen: Gesunder Lebensstil reduziert chronische Rückenschmerzen
Rückenschmerzen im unteren Rückenbereich sind weltweit eine der Hauptursachen für Behinderungen, wobei viele Behandlungen wie Medikamente oft keine dauerhafte Linderung bieten. Forscher des Centre for Rural Health der Universität Sydney…