Nuklearkatastrophe von Fukushima: Aktuelle Studie über Haftungsprobleme
Mit zu erwartenden Ersatzforderungen von bis zu 90 Milliarden Euro ist die Nuklearkrise von Fukushima der bisher größte Haftungsfall in der japanischen Geschichte. Zu rechnen ist mit Entschädigungsansprüchen einer Vielzahl von Opfergruppen, angefangen von evakuierten Personen und Kraftwerkspersonal über Bauernverbände, Fischereikooperationen bis hin zu Industrie- und Tourismusunternehmen. Ungeachtet der grundsätzlich unbeschränkten Haftung des AKW-Betreibers TEPCO sind staatlich angeordnete Pauschalzahlungen in die Wege geleitet worden, die ein außergerichtliches Verfahren flankieren.
Wirtschaftliche Bürden entstehen damit in erster Linie dem Fiskus, gefolgt von den ebenfalls in die Pflicht genommenen Finanzinstituten und möglicherweise auch anderen Stromanbietern, wodurch letztlich auch Verbraucher mit höheren Strompreisen belastet werden könnten. So lauten einige der Ergebnisse einer aktuellen im Japan-Referat des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht erstellten Studie.
In seinem soeben in der Zeitschrift für Japanisches Recht / Journal of Japanese Law erschienen Aufsatz „Die Haftung für Nuklearschäden nach japanischem Atomrecht – Rechtsprobleme der Reaktorkatastrophe von Fukushima I“ beleuchtet Julius Weitzdörfer, Wissenschaftlicher Assistent am Institut, die aktuellen rechtlichen, politischen und wirtschaftlichen Probleme, die sich für Justiz, Regierung und Wirtschaft Japans bei der Bewältigung der Folgen des Reaktorunfalls stellen.
Die Frage, ob angesichts der schwersten in Japan jemals gemessenen Erdbebenstärke die Haftung von TEPCO wegen höherer Gewalt nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, wurde kontrovers diskutiert und nach dem aktuellen Diskussionsstand japanischer Rechts- und Regierungskreise zunächst verneint. Auf dieser Basis bleibt zu klären, welche Kausalitätsanforderungen etwa für gesundheitliche Spätfolgen zur Anwendung kommen, oder wie unternehmerische Absatzeinbußen aufgrund bloßer Gerüchte über die Höhe der Strahlenbelastung zu behandeln sind. Zudem wird derzeit der Frage nachgegangen, ob der japanische Staat wegen mangelnder Atomaufsicht haftbar gemacht werden könnte.
Der von der japanischen Regierung beschrittene Weg, den Opfern auf der Grundlage zentraler Richtlinien und durch die Auszahlung vorläufiger Pauschalentschädigungen möglichst schnell und unbürokratisch zu helfen, stellt ein Paradebeispiel institutionalisierten, bürokratischen Konfliktmanagements dar, dessen praktische Vorteile sich nicht von der Hand weisen lassen. Demgegenüber besteht angesichts der Komplexität der juristischen Probleme und der Zahl der zu erwartenden Klagen im Fall einer individuellen Rechtsdurchsetzung von Schadensersatzansprüchen durch die Betroffenen mittels anwaltlicher Hilfe und auf Grundlage gerichtlicher Verfahren die Gefahr einer Überlastung der japanischen Justiz. Gleichwohl wirft die aktuell verfolgte Bewältigungsstrategie rechtsstaatliche Fragen auf.
Der Volltext des Artikels von Julius Weitzdörfer steht unter diesem Link als Download zur Verfügung: http://www.mpipriv.de/shared/data/pdf/zjapanr31_09_weitzdoerfer.pdf
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