Wie wird’s gesagt? Formulierungen von Sprachdialogsystemen beeinflussen die Fahrsicherheit

Saarbrücker Wissenschaftler haben jedoch herausgefunden, dass neben Touchscreens und Co auch diese Technologie im Auto die Konzentration stören kann – vor allem, wenn der Fahrer aufgrund der Verkehrslage gestresst ist. Die Forscher entwickeln derzeit ein Sprachsystem, das die Fahrsicherheit gewährleisten soll.

Ähnlich wie ein Beifahrer soll es erkennen, wie angespannt der Fahrer ist und Informationen weitergeben, ohne den Fahrer abzulenken oder zu überfordern. Die Forscher präsentieren ihr Projekt neben über 50 anderen am 25. November ab 14 Uhr auf dem Saarbrücker Campus. Alle Interessierten sind dazu herzlich eingeladen.

Verkehrsstatistiken belegen es immer wieder: Wird ein Autofahrer abgelenkt, steigt das Unfallrisiko. Moderne Sprachdialogsysteme im Auto sollen dem Fahrer helfen, sich besser auf die Straße und den Verkehr zu konzentrieren – sie kommunizieren mit dem Fahrer, suchen auf Wunsch beispielsweise eine Telefonnummer oder ein nahegelegenes Restaurant heraus.

Doch inwieweit beeinflussen diese Systeme die Konzentration des Fahrers, wenn dieser gerade besonders unter Druck steht? Dieser Frage sind Wissenschaftler der Universität des Saarlandes um Vera Demberg und um Christian Müller vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz in einer Studie nachgegangen.

„Das Steuern über Sprachbefehle ist zwar grundsätzlich besser als die Bedienung über Touchscreens, aber auch für Sprachsysteme müssen wir untersuchen, wie sie einen Autofahrer in stressigen Situationen zusätzlich belasten können“, erklärt Vera Demberg, die im Exzellenzcluster „Multimodal Computing and Interaction“ an der Saar-Uni eine Nachwuchsgruppe leitet.

In einem Fahrsimulator mussten Probanden daher einen kurvigen Parcours absolvieren: Damit alle Teilnehmer vergleichbare Ergebnisse erzielen, mussten sie das Auto so steuern, dass sich zwei farbige Balken, die auf dem Bildschirm des Simulators zu sehen waren, überlagern.

In einem weiteren Schritt haben die Forscher den Testpersonen verschiedene Sätze vorgespielt. Dabei haben sich einige nur an einer Stelle unterschieden, dadurch aber einen anderen Sinn ergeben, wie zum Beispiel: „Die Nachbarin, die einige der Mieter auf Schadensersatz verklagt hat, kannte ich gut. / Die Nachbarin, die einige der Mieter auf Schadensersatz verklagt haben, kannte ich gut.“ Anschließend mussten die Probanden zu den Aussagen einfache Fragen mit „ja“ oder „nein“ beantworten.

Um bei dieser Doppelbelastung die Anspannung der Teilnehmer zu messen, haben sich die Forscher das Zucken der Pupillen mit einer speziellen Kamera genauer angeschaut. „Es kann als Maß für die kognitive Belastung herangezogen werden“, so Demberg. „Zucken die Pupillen besonders häufig, ist die Person angespannt.“ Insgesamt konnten die Wissenschaftler bei allen Teilnehmern eine starke Belastung nachweisen. „Das Fahren auf dem kurvigen Parcours war schon eine Herausforderung“, kommentiert Demberg die Ergebnisse. „Sobald aber die Sprache ins Spiel kam, lenkten die Teilnehmer deutlich schlechter.“

Die Forscher arbeiten nun an einem neuartigen Dialogsystem, das sich an die jeweilige Fahrsituation anpassen soll. „Ähnlich wie ein Beifahrer soll es erkennen, ob der Fahrer im Stress ist“, erklärt Demberg weiter. Die Informationen werden dann in einer für ihn hektischen Verkehrssituation in einfacheren und kürzeren, ansonsten in längeren Sätzen wiedergegeben. „Längere Sätze ermöglichen es, mit weniger Sätzen mehr Information auszudrücken“, erklärt Demberg. „Die Kommunikation ist so effizienter.“ Die Forscher entwickeln nun eine Software, die Informationen automatisch in unterschiedlicher Länge wiedergeben soll.

Computerlinguistik und Informatik an der Universität des Saarlandes
Vera Demberg studierte Computerlinguistik in Stuttgart und leitet an der Universität des Saarlandes in der Fachrichtung „Computational Linguistics and Phonetics“ die unabhängige Forschergruppe „Cognitive Models of Human Language Processing and their Application to Dialogue Systems“. Saarbrücken ist eines der weltweit führenden Zentren der Sprachverarbeitungsforschung.

Die Saarbrücker Computerlinguistik ist auch eine wichtige Säule des Exzellenzclusters „Multimodal Computing and Interaction“. Der Exzellenzcluster ist eines von sieben namhaften Informatik-Instituten auf dem Campus. Dazu gehören unter anderem die beiden Max-Planck-Institute für Informatik und Softwaresysteme, das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) sowie das Intel Visual Computing Institute. Zudem ist die Saarbrücker Informatik seit 1995 für mehr als 77 Unternehmensgründungen verantwortlich.

Weitere Informationen:

Die komplette Studie finden Sie unter:
http://dx.doi.org/10.1145/2516540.2516546
DOI: 10.1145/2516540.2516546
Anmeldung zur Industriemesse des Exzellenzclusters:
https://events.mmci.uni-saarland.de/kickoff.php
Ein Pressefoto finden Sie unter:
http://www.uni-saarland.de/pressefotos
Hinweis für Hörfunk-Journalisten: Sie können Telefoninterviews in Studioqualität mit Wissenschaftlern der Universität des Saarlandes führen, über Rundfunk-Codec (IP-Verbindung mit Direktanwahl oder über ARD-Sternpunkt 106813020001).
Fragen beantwortet:
Dr. Vera Demberg
Nachwuchsgruppenleiterin im Exzellenzcluster
Tel.: 0681 302 70024
E-Mail: vera(at)mmci.uni-saarland.de
Redaktion
Melanie Löw
Science Communication / Exzellenzcluster „Multimodal Computing and Interaction”
E-Mail: mloew(at)mmci.saarland.de
Tel: +49 681 302 4022 / +49 681 302 70164
Gordon Bolduan
Science Communication / Exzellenzcluster „Multimodal Computing and Interaction”
E-Mail: bolduan(at)mmci.uni-saarland.de
Tel: +49 681 302 70741
Weitere Informationen:
http://dx.doi.org/10.1145/2516540.2516546
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