Schluckstörungen nach einem Schlaganfall belasten die Psyche
Rund ein Viertel der Patienten mit akutem Schlaganfall erleben Schluckstörungen, medizinisch bekannt als Dysphagie.
Zu den Bedingungen gehören Schwierigkeiten, Nahrung oder Flüssigkeiten in die Speiseröhre zu bewegen, was oft zu Verschlucken und anderen ernsthaften Komplikationen führt. In schweren Fällen können Nahrungsbestandteile, die in die Luftröhre gelangen, eine Lungenentzündung oder sogar Ersticken verursachen. Während die physischen Gefahren der Dysphagie bekannt sind, wird ihr psychologischer Einfluss auf Schlaganfallüberlebende zunehmend als ebenso dringendes Problem anerkannt.
Die psychologischen Auswirkungen der Dysphagie
Jüngste Studien zeigen eine starke Verbindung zwischen Schluckstörungen und psychischen Herausforderungen wie post-stroke fatigue, Depression und Angst. Forscher des Stroke Research Center VASCage und der Abteilung für Neurologie der Medizinischen Universität Innsbruck untersuchen diese Zusammenhänge und werfen ein Licht auf die weniger bekannten emotionalen Belastungen, denen Schlaganfallüberlebende ausgesetzt sind.
Dysphagie und Post-Stroke Fatigue
Post-stroke fatigue, gekennzeichnet durch extreme und anhaltende Erschöpfung, betrifft etwa die Hälfte aller Schlaganfallpatienten. Diese Zahl steigt jedoch bei Patienten mit schwerer Dysphagie auf über 80 %, wie Ergebnisse zeigen, die in der wissenschaftlichen Zeitschrift European Journal of Neurology veröffentlicht wurden.
„Das Besondere an unserer Studie ist, dass sie mit fast 900 Teilnehmern sehr repräsentativ ist und dass wir den Zusammenhang zwischen Schluckstörungen und Fatigue eindeutig nachweisen konnten. Der Zusammenhang wurde gefunden, obwohl wir die Schwere des Schlaganfalls oder den Grad der Behinderung, die häufige Risikofaktoren für Fatigue sind, berücksichtigt haben“, erklärt Neurologe Anel Karisik, Erstautor der Veröffentlichung.
Dysphagie, Depression und Angst
Über Fatigue hinaus wurde Dysphagie eng mit der Entwicklung von Depressionen nach einem Schlaganfall und Angstsymptomen in Verbindung gebracht. In einer früheren Veröffentlichung hatten Schlaganfallforscher von VASCage und der Medizinischen Universität Innsbruck bereits einen unabhängigen Zusammenhang zwischen Dysphagie und dem Auftreten von depressiven und Angstsymptomen nachgewiesen. Tatsächlich benötigen Personen mit Dysphagie viermal häufiger Antidepressiva, was die psychischen Herausforderungen durch diese Erkrankung weiter unterstreicht.
Innovative Behandlungen für Dysphagie
Um die dualen physischen und emotionalen Herausforderungen im Zusammenhang mit Schluckstörungen anzugehen, entwickeln Forscher bahnbrechende Therapien:
- Optimierte Ernährungslösungen: In Zusammenarbeit mit der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) arbeiten Simon Sollereder und andere Wissenschaftler des VASCage-Rehabilitationsteams daran, die Konsistenz von Diätnahrungsmitteln für Dysphagie-Patienten physikalisch zu standardisieren und zu optimieren. Ziel ist es, das Essen angenehmer zu gestalten und damit das allgemeine Wohlbefinden zu verbessern und psychischen Stress zu reduzieren.
- Gehirn-Computer-Schnittstellentechnologie: In Zusammenarbeit mit g.tec medical engineering GmbH Austria nutzen Wissenschaftler Gehirn-Computer-Schnittstellentechnologie, um die Rehabilitation des Schluckens zu verbessern. Mit einer EEG-Haube zur Messung der Gehirnströme bietet diese Technologie Biofeedback und löst elektrische Stimulation in betroffenen Muskeln aus. Dieser Ansatz, der zuvor bei Handmotorik eingesetzt wurde, wird nun für Schluckmotorik angepasst und bietet den Patienten neue Hoffnung.
Ein ganzheitlicher Ansatz zur Schlaganfall-Rehabilitation
Matthias Ullrich, Geschäftsführer von VASCage, betont die Notwendigkeit eines umfassenden Betreuungsansatzes, „Die aktuellen Studienergebnisse zeigen, wie wichtig unser ganzheitlicher Forschungsansatz bei VASCage ist. Wir konzentrieren uns auf die Bedürfnisse der Patienten und ihrer Angehörigen. Deshalb sind sowohl psychische Belastungen als auch Schluckstörungen nach einem Schlaganfall wichtige Forschungsthemen für uns. Gemeinsam mit Partnern suchen wir intensiv nach konkreten innovativen Lösungen, die das Leben nach einem Schlaganfall erleichtern.“
Erholung nach einem Schlaganfall: Dysphagie mit Sorgfalt angehen
Die Auswirkungen der Dysphagie auf die physische und emotionale Gesundheit unterstreichen die Bedeutung einer ganzheitlichen Rehabilitationsstrategie. Zustände wie post-stroke fatigue, Depression nach einem Schlaganfall und Angstsymptome zeigen, dass Schluckstörungen nicht nur als physische Herausforderung, sondern auch als kritischer Faktor für das psychische Wohlbefinden betrachtet werden müssen.
Neue Lösungen wie optimierte Diäten und Gehirn-Computer-Schnittstellentechnologie gestalten die Behandlung von Schluckstörungen neu. Durch die Annahme dieser innovativen Ansätze können Gesundheitsdienstleister Schlaganfallüberlebende dabei unterstützen, die Kontrolle über ihr Leben zurückzugewinnen und ihre Lebensqualität zu verbessern.
Mit einem Fokus auf Körper und Geist wird der Weg zur Genesung zugänglicher und gibt Patienten die Kraft, die Herausforderungen durch Schluckstörungen zu überwinden und in ihrer post-Schlaganfall-Reise zu gedeihen.
Kontaktpersonen
Dr. Anel Karisik, VASCage-Forscherin und Neurologin an der Medizinischen Universität Innsbruck
E-Mail: anel.karisik@i-med.ac.at
Simon Sollereder, Dysphagie-Experte bei VASCage
E-Mail: simon.sollereder@vascage.at
Telefonnummer: +43 664 1004838
STROKE CARD REGISTRY Studie: https://vascage-clinicaltrials.at/stroke-card-registry/
Originalveröffentlichung 1
Anel Karisik, Kurt Moelgg, Lucie Buergi, Lukas Scherer, Theresa Schneider, Benjamin Dejakum, Silvia Komarek, Christian Boehme, Thomas Toell, Raimund Pechlaner, Simon Sollereder, Sonja Rossi, Michael Thomas Eller, Gudrun Schoenherr, Wilfried Lang, Stefan Kiechl, Michael Knoflach, Lukas Mayer-Suess; für die STROKE-CARD-Studiengruppe
Zeitschrift: European Journal of Neurology
Artikel: Dysphagia increases the risk of post-stroke fatigue
Veröffentlichungsdatum: 03. Dezember 2024
DOI: https://doi.org/10.1111/ene.16570
Originalveröffentlichung 2
Anel Karisik, Benjamin Dejakum, Kurt Moelgg, Silvia Komarek, Thomas Toell, Lukas Mayer-Suess, Raimund Pechlaner, Stefanie Kostner, Simon Sollereder, Sophia Kiechl, Sonja Rossi, Gudrun Schoenherr, Wilfried Lang, Stefan Kiechl, Michael Knoflach, Christian Boehme; für die STROKE‐CARD-Registry-Studiengruppe
Zeitschrift: European Journal of Neurology
Artikel: Association between dysphagia and symptoms of depression and anxiety after ischemic stroke
Veröffentlichungsdatum: 02. Februar 2024
DOI: https://doi.org/10.1111/ene.16224
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