So klingt Bewegung: Neue Studie zur Rehabilitation nach Schlaganfall
Ziel der Studie „Bewegungssonifikation“ ist eine verbesserte Rehabilitation der Armmotorik bei Schlaganfallpatienten. Denn bei vielen Betroffenen lässt sich bisher durch konventionelles physiotherapeutisches Training keine ausreichende Verbesserung der Bewegungsfähigkeit erzielen. Die Gemeinnützige Hertie-Stiftung fördert das Projekt mit 206.000 Euro.
Bisher wird das Wiedererlernen von gezielten Armbewegungen nach einem Schlaganfall mit Methoden wie beispielsweise durch Berührung von Zielfeldern und Versetzen von Bauklötzen erreicht. Dabei denen die Kontrolle primär über das Sehsystem erfolgt.
Aktuelle neurowissenschaftliche Erkenntnisse belegen jedoch, dass Bewegungen durch eine Kombination verschiedener Sinneswahrnehmungen wie Hören, Sehen und Körperwahrnehmung, gesteuert werden. „Daher sollte sich die Effizienz von motorischen Therapie- und Lernprozessen über die erweiterte Einbindung von musikalischen Stimuli in die Bewegungswahrnehmung deutlich steigern lassen“, sagt Professor Ulf Ziemann, Vorstand am Hertie-Institut für klinische Hirnforschung (HIH) und Ärztlicher Direktor, der Abteilung Neurologie mit Schwerpunkt neurovaskuläre Erkrankungen, Universitätsklinikum Tübingen. Durch einen Schlaganfall verloren gegangene Bewegungsmuster ließen sich mit musikalischer Unterstützung demnach schneller und zuverlässiger neu erlernen, so die Idee.
Mit Armbewegungen Musik komponieren
Erreicht werden soll dies mit Hilfe von Bewegungssensoren, die an Ober- und Unterarmen angebracht werden. Armbewegungen des Patienten werden von ihnen registriert. Die Daten werden in Echtzeit an einen Computer übertragen und von diesem in Töne umgesetzt. Dieses „Bewegungssonifikation“ genannte Verfahren ermöglicht es dem Patienten, eigene Klänge oder ganze Melodien durch seine Bewegungen zu „komponieren“. Je nachdem wie die Probanden den Arm bewegen, ändert sich die Tonhöhe und die Klangpositionierung. Dadurch lernt der Studienteilnehmer seinen Arm besser zu kontrollieren, mit den Bewegungen musikalische Spannung und Entspannung zu erzeugen und damit kreativ zu komponieren.
„Als der größte private Förderer der Hirnforschung in Deutschland ist es uns wichtig, Projekte zu fördern, die das Verständnis, die Behandlung und die Betreuung bei neurologischen Erkrankungen verbessert“, sagt Professor Michael Madeja, Geschäftsführer, Hochschule und Neurowissenschaften der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung in Frankfurt. Alleine in Deutschland erleiden jährlich rund 250.000 Menschen einen Schlaganfall. Er ist die häufigste Ursache für eine anhaltende Behinderung. Sensorische und motorische Beeinträchtigungen zählen zu den häufigsten Folgen.
Wie verändert Musik das Gehirn?
Die Fähigkeit des Nervensystem zu lernen zeigt sich auf allen Organisationsebenen des Gehirns: in der Nervenzelle, innerhalb von Nervenzellverbänden, innerhalb einzelner Hirnareale und zwischen miteinander verbundenen Hirnregionen. Das Patienten nach einer Hirnschädigung bestimmte Bewegungen wieder erlernen können, liegt an dieser sogenannten Plastizität. Die Netzwerke im Gehirn, die Musik verarbeiten, überschneiden sich mit vielen anderen Netzwerken. „Schon nach wenigen Minuten des Musizierens kommt es zu ersten Verbindungen zwischen den Hirnzentren für das Hören und das Bewegen“, erklärt Professor Dr. Eckart Altenmüller, Musikmediziner und Neurologe an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover.
Und das kann für die Schlaganfall-Rehabilitation genutzt werden, wie bereits in einigen Vorstudien an der Hochschule erforscht wurde Die wesentlichen Eigenschaften die hier wirken, sind die Fähigkeit mit Musik neue Nervenzellen-Netzwerke zu knüpfen. Zudem lässt sich die Motivation zum rehabilitativen Training steigern. Klänge motivieren oft stärker als normale Reha-Übungen. „Schließlich bekommen die Patienten durch den Klang sofort eine Rückmeldung, wie sich ihre Bewegungswahrnehmung verbessern lässt“, sagt Professor Udo Dahmen, Geschäftsführer und Leiter des Fachbereichs Populäre Musik an der Popakademie Baden-Württemberg.
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