Teilzeitchefs – in Europas Führungsetagen selten
Doppelspitzen, Topsharing oder Tandem-Führung – neue Arbeitszeitmodelle im Management werden in den Medien häufig diskutiert. Die Realität sieht anders aus: Nur wenige Chefs und Chefinnen in Europa reduzieren ihre Arbeitszeit. Dies geht aus einer Studie über Management und Teilzeitarbeit von Lena Hipp und Stefan Stuth vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) hervor.
Der Vergleich von 19 Ländern zeigt: Innerhalb Europas und innerhalb der Branchen gibt es große Unterschiede. In einigen Ländern sind Führungskräfte eher in der Lage, ihre Teilzeitwünsche zu realisieren als in anderen. Während in Deutschland nur 5 Prozent aller Managerinnen und Manager in Teilzeit, d.h. weniger als 30 Stunden pro Woche arbeiten, sind es in Großbritannien 8 und in den Niederlanden 12 Prozent. „Manager reduzieren eher in den Ländern ihre Arbeitszeit, in denen Teilzeiterwerbstätigkeit von Beschäftigten ohnehin weitverbreitet ist“, erklären Lena Hipp und Stefan Stuth.
Frauen in Managementpositionen arbeiten viel häufiger Teilzeit als Männer. In Deutschland sind es 14,6 Prozent der Frauen, aber nur 1,2 Prozent der Männer. In den Niederlanden haben dagegen 31,5 Prozent der Frauen und 4,1 Prozent der Männer im Management ihre Stundenzahl reduziert. Besonders selten kommt Teilzeitarbeit in den Führungsebenen großer Unternehmen und bei Selbstständigen vor. Auch die branchenspezifischen Unterschiede sind beachtlich: Während Teilzeitmanager in Deutschland am häufigsten in den Bereichen Bildung, Gesundheit und öffentliche Verwaltung vertreten sind (9,3 Prozent), sind teilzeitarbeitende Managerinnen und Manager im verarbeitenden Gewerbe mit 1,2 Prozent die Ausnahme.
Wunsch und Wirklichkeit klaffen in vielen Ländern auseinander. In Tschechien, Luxemburg, Österreich und Griechenland möchten zwischen 25 und 35 Prozent der Managerinnen und Manager ihre Arbeitszeiten um mindestens fünf Wochenstunden reduzieren. In Deutschland sieht es jedoch anders aus: Hier wollen dies nur 5 Prozent.
Die Gründe, weshalb Teilzeitarbeit in Europa im Management wenig verbreitet ist, liegen nach Ansicht der beiden Wissenschaftler vor allem in der Arbeitskultur und in den Erwartungen an die Führungskräfte. In Ländern wie Litauen und Griechenland, in denen traditionelle Geschlechternormen vorherrschen, reduzieren Führungskräfte ihre Arbeitszeiten seltener als in Ländern, in denen die Erwerbstätigkeit von Müttern und die Haus- und Familienarbeit von Vätern selbstverständlicher ist, wie etwa in Belgien. Auch in Ländern, in denen Führungskräfte lange Wochenarbeitszeiten in Kauf nehmen müssen, wie in Frankreich, gibt es kaum Teilzeit-Manager.
Die beiden Forscher sehen in der Teilzeitarbeit ein positives Instrument der Personalpolitik. Wenn mehr Chefs und Chefinnen bereit wären, ihre Arbeitszeit zu reduzieren, würde die Teilzeitarbeit aufgewertet, machen Lena Hipp und Stefan Stuth deutlich. Arbeitszeitverkürzungen beim Führungspersonal können zudem zur Reduzierung der Geschlechtersegregation am Arbeitsmarkt beitragen. Wenn Managementaufgaben auch in Teilzeit ausgeübt werden können, sind diese Positionen leichter für Frauen zugänglich.
Zum Management werden Beschäftigte mit Leitungsfunktionen gezählt, aber auch Selbstständige und Unternehmer, die Angestellte führen. Die beiden Forscher werteten Daten der Europäischen Arbeitskräfteerhebung aus dem Jahr 2009 aus. Die Studie entstand innerhalb des von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Projekts „Institutionelle Bedingungen des Zusammenhangs von atypischer Beschäftigung und sozialer Ungleichheit in Europa“. Sie erschien unter dem Titel „Management und Teilzeit? – eine empirische Analyse zur Verbreitung von Teilzeitarbeit unter Managerinnen und Managern in Europa“ in der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie sowie als WZBrief Arbeit.
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Lena Hipp Ph.D.
Leiterin der Nachwuchsgruppe
Arbeit und Fürsorge
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