Unternehmen entwickeln sich zu Serviceanbietern
Big-Data-Analysen verfolgen das Ziel, Daten sinnvoll zu verarbeiten und damit Mehrwerte zu generieren. Produzierende Unternehmen setzen die Methode bislang aber kaum ein. Mit der Studie »Big-Data-Analytik: Datenbasierte Optimierung produzierender Unternehmen« zeigt das Fraunhofer IPA, welche Veränderungen sich dabei im Unternehmen ergeben. Auf dieser Basis werden Entwicklungsfelder abgeleitet und Unterstützungsangebote zugeordnet. Erstmals vorgestellt wird das Werk beim »2. Spitzentreffen Industrie 4.0 live« am 25. Juli in Stuttgart.
Big-Data-Analysen gelten als Schlüsseltechnologie von Industrie 4.0. Im Handel, der Finanzbranche oder bei Unternehmen wie Amazon oder Google gehören sie längst zum Alltag. Produzierende Unternehmen nutzen sie aber kaum. »Unsere Befragung zeigt, dass nur 14 Prozent der Firmen eine konkrete Strategie für die Einführung von Big-Data-Analytik haben. Und das, obwohl die Mehrzahl der Teilnehmer ein großes Potenzial erwartet«, kritisiert Projektleiter Dennis Bauer vom Fraunhofer IPA.
Viele erkennen den Mehrwert nicht, sorgen sich um Datensicherheit oder es fehle an Wissen und Personal, fährt er fort. Um Unternehmen den Einstieg zu erleichtern, hat das Fraunhofer IPA die Studie aufgesetzt. Im Zentrum steht der produzierende Mittelstand.
Für ihre Ausarbeitung haben die Wissenschaftler Thesen zu nötigen Veränderungen in den Unternehmensdimensionen Mensch, Technik, Organisation und Geschäftsmodell generiert. Diese fragten sie bei 150 Entscheidern aus der Industrie in einer Online Befragung ab und vertieften sie in Experteninterviews. Anschließend wurden Rückschlüsse gezogen, Entwicklungsfelder generiert und Unterstützungsangebote zugeordnet.
Mitarbeiter benötigen andere Qualifikationen
Die Teilnehmer sind sich einig, dass Big-Data-Analytik Veränderungen im Unternehmen mit sich bringt. »Über 93 Prozent gehen von neuen Rahmenbedingungen, Anforderungen und Aufgaben aus«, bestätigt Bauer. Besonders betroffen sind die Mitarbeiter. Knapp 99 Prozent sind überzeugt, dass sich deren notwendige Qualifikation mit der fortschreitenden Digitalisierung ändert.
»Das Personal muss immer stärker mit digitalen Werkzeugen arbeiten. Kenntnisse in der Mathematik, Statistik und IT sowie die Verknüpfung mit Domänenwissen werden wichtiger«, so Bauer. Große Veränderungen bringt Big-Data-Analytik auch für die Technik mit sich. 70 Prozent der Befragten gaben an, effizienter zu produzieren, je früher Wartungen und Instandhaltungen eingeplant werden.
Anwendungsszenarien wie Predictive Maintenance spielen eine immer größere Rolle; die Prozessplanung wird zunehmend von Unternehmensdaten getrieben.
Verstärktes Auftreten von Serviceanbietern
Veränderungen ergeben sich auch bei der Kooperation und Vernetzung mit anderen Unternehmen. Durch den Austausch und die Auswertung heterogener Daten über die Wertschöpfungskette hinweg wird es möglich, Kooperationen zu intensivieren und den Fokus auf eigene Kernkompetenzen zu legen. Des Weiteren kann die datenbasierte Optimierung abflachende Hierarchien mit sich bringen, wovon insbesondere die IT- und Kommunikationsbranche überzeugt ist. Beim Geschäftsmodell wird deutlich, dass sich Unternehmen zunehmend zu Serviceanbietern entwickeln.
»Mit den Anwendungen können sie Bedarfe und Kapazitäten besser organisieren und ihre Services gezielter ausrichten«, weiß Bauer. Unternehmen können sich somit beispielsweise auf ein bestimmtes Produktionsverfahren spezialisieren oder, wie im Beispiel Air-as-a-Service des Kompressorherstellers Kaeser, den Wandel vom Produktanbieter hin zum Full-Service-Dienstleister vollziehen.
Mensch im Mittelpunkt
Auf Basis der Veränderungen haben die IPA-Wissenschaftler elf Entwicklungsfelder für die vier Dimensionen abgeleitet. »Fast immer steht der Mensch im Mittelpunkt. Er muss entsprechend geschult werden, die Sensibilität der Daten berücksichtigen und sich in neue Strukturen einfinden«, erläutert Bauer. Im Personalmanagement müssen Unternehmen zum Beispiel Weiterbildungskonzepte erarbeiten, um ihre Mitarbeiter auf den Umgang mit großen heterogenen Datenmengen vorzubereiten.
Das lasse sich schon bei den Vorreiterunternehmen aus dem Silicon Valley erkennen, die immer mehr Data Scientists beschäftigen, so Bauer. Auf technischer Seite gilt es, die Datenzuverlässigkeit, -verfügbarkeit und -sicherheit zu gewährleisten. Weiterhin müssen Unternehmen ihre Produktion vernetzen und eine IT-Architektur implementieren. Letzteres stellt sicher, dass die Daten langfristig gespeichert und den Anwendungen für Analysen bereitgestellt werden. »Hier eigen sich Cloud-Konzepte wie die am IPA entwickelte Plattform Virtual Fort Knox«, weiß der Projektleiter.
Ein weiteres Entwicklungsfeld betrifft die Analytik. Hier müssen Unternehmen geeignete Analysemethoden für identifizierte Anwendungsszenarien ausarbeiten und intuitive Analysewerkzeuge, beispielsweise in Form von Apps, bereitstellen. Die Geschäftsmodelle müssen angepasst und optimiert werden, damit aus Daten, Informationen und aus Wissen Wertschöpfung entsteht.
KMU erhalten Unterstützung
Die Studie zeigt Unternehmen abschließend, welche Unterstützungsangebote es für die jeweiligen Entwicklungsfelder gibt. Den Bereich Personalentwicklung decken zum Beispiel das Future Work Lab der Fraunhofer-Institute IAO und IPA in Stuttgart oder die
Fraunhofer-Allianz Big Data ab. Die Geschäftsmodelle sind Schwerpunkt der Einrichtung Industrie 4.0-Testumgebung für KMU (I4KMU). Das Applikationszentrum Industrie 4.0 des Fraunhofer IPA bedient die Entwicklungsfelder Anwendungsszenarien und Vernetzung. Analytik-Apps finden die Unternehmen im Smart Data Innovation Lab oder im Smart Data Solution Center BW.
Das Werk umfasst 88 Seiten und kann auf der Website des Fraunhofer IPA kostenlos
heruntergeladen werden: https://www.ipa.fraunhofer.de/de/Publikationen/studien.html
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