Unternehmensstudie: Viele Konzerne weisen überhöhte Firmenwerte in Bilanzen aus
Dieser immaterielle Vermögenswert entsteht, wenn beim Kauf eines Unternehmens der gezahlte Kaufpreis das Nettovermögen der erworbenen Gesellschaft übersteigt. Der Goodwill umfasst zum Beispiel Synergiepotenziale, Mitarbeiterstämme, Kundenbeziehungen oder generelle Gewinnerwartungen.
Wie eine Studie des Centrums für Bilanzierung und Prüfung an der Universität des Saarlandes ergeben hat, nimmt jährlich nur rund ein Fünftel der Konzerne der DAX-Familie eine Abschreibung auf diese Firmenwerte vor. Die Mehrzahl der Konzerne hält diesen Vermögensposten für wertstabil.
„Der Goodwill ist als subjektiver Vermögenswert oft Ausdruck überzogener Zukunftserwartungen und birgt Gefahr für Überbewertungen, die in der Zukunft zu erheblichen Verlusten führen können“, warnt Professor Karlheinz Küting. In der Studie, die heute in der Zeitschrift „Deutsches Steuerrecht“ erscheint, hat der Direktor des Centrums für Bilanzierung und Prüfung an der Saar-Uni die Konzernabschlüsse der DAX-, MDAX-, SDAX- und TecDAX-Unternehmen untersucht.
Bereits seit 2005 nimmt Küting jedes Jahr ihre Bilanzen unter die Lupe. Ergebnis diesmal: Nur 24 der insgesamt 127 untersuchten Konzerne, die für das abgelaufene Geschäftsjahr 2012 einen Goodwill ausweisen, haben zugleich eine Abschreibung hierauf vorgenommen. Alle 24 Konzerne zusammen haben dadurch insgesamt rund vier Milliarden Euro aus ihren Bilanzen herausgestrichen. Damit haben die Konzerne ihre Goodwill-Positionen zusammen aber nur um 1,68 Prozent abgewertet.
Rechnet man hierbei noch ein, dass allein die Deutsche Telekom, unter anderem aufgrund von Umstrukturierungen ihres USA-Geschäfts, knapp drei Milliarden Euro abschreiben musste, bleibt bei den übrigen 23 Konzernen ein Wertverlust ihrer bilanzierten Firmenwerte von nicht einmal einem halben Prozent. „Rein theoretisch würde dies einer Nutzungsdauer der Bilanzposition ‚Geschäfts- oder Firmenwert’ von rund 200 Jahren entsprechen. Dies zeigt, wie wenig objektiv und realitätsfern diese Bilanzierungsweise ist. Man muss dabei auch bedenken, dass der Goodwill früher häufig über eine Nutzungsdauer von nur 15 Jahren abgeschrieben wurde“, erläutert Küting.
Die Ursache für die zurückhaltende Abschreibungspolitik der Konzerne bei ihren Firmenwerten sieht Karlheinz Küting in den internationalen Bilanzierungsvorschriften, den International Financial Reporting Standards (IFRS). Diese sehen seit dem Jahr 2004 vor, dass der Firmenwert nicht mehr planmäßig abgeschrieben wird, sondern nur jährlich auf Werthaltigkeit zu überprüfen ist. „Dieses auch als Impairment-Test bezeichnete Verfahren birgt viel Potenzial für Missbrauch. Die Unternehmen versuchen damit, künstlich ihre bilanzierten Firmenwerte hochzuhalten und Abschreibungen hierauf möglichst weitgehend zu vermeiden“, sagt der Saarbrücker Professor.
Er fordert die Regulierungsbehörden auf, die geltenden internationalen Vorschriften zur Firmenwertabschreibung auf den Prüfstand zu stellen. „Die reine Überprüfung auf Werthaltigkeit muss abgeschafft werden. Stattdessen sollte der Goodwill als abnutzbarer Vermögenswert nach einem einheitlichen Verfahren abgeschrieben werden. Die Nutzungsdauer sollte für alle Unternehmen einheitlich auf einen Zeitraum von höchstens zehn bis 20 Jahren festgelegt werden“, schlägt Küting vor.
Die Studie „Der Geschäfts- oder Firmenwert in der deutschen Konsolidierungspraxis 2012“ von Karlheinz Küting wurde heute in der im Verlag C.H. Beck München erscheinenden Zeitschrift „Deutsches Steuerrecht“ (Heft Nr. 34/13, S. 1794–1803) veröffentlicht.
Fragen beantwortet:
Centrum für Bilanzierung und Prüfung an der Universität des Saarlandes
Tel. 0681 302-2134
E-Mail: cbp@uni-saarland.de
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