USA und gesamte EU würden von transatlantischem Freihandelsabkommen erheblich profitieren
Die USA und alle EU Mitgliedstaaten würden von einer umfassenden Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) in erheblichem Umfang profitieren. Sollte es gelingen, neben Zöllen auch nichttarifäre Handelshemmnisse weitgehend zu eliminieren, würde das reale Bruttoinlandsprodukt je Einwohner deutlich steigen und neue Arbeitsplätze könnten geschaffen werden.
Den Wohlfahrtsgewinnen in dieser mit über 800 Millionen Einwohnern größten Freihandelszone stünden jedoch reale Einkommens- und Beschäftigungsverluste im Rest der Welt gegenüber. Das zeigt eine aktuelle Studie des ifo-Instituts im Auftrag der Bertelsmann Stiftung einen Tag vor dem Besuch des US-amerikanischen Präsidenten Barack Obama in Berlin.
Die Studie zeigt für insgesamt 126 Länder, wie sich das langfristige reale Pro-Kopf-Einkommen infolge eines transatlantischen Freihandelsabkommens verändern würde. Den größten Zuwachs verzeichnen nach den Berechnungen die USA. Dort würde das langfristige Bruttoinlandsprodukt je Einwohner um 13,4 Prozent steigen. Auch im gesamten EU-Raum würden Wohlfahrtsgewinne erzielt. In allen 27 Mitgliedsstaaten würde das reale Pro-Kopf-Einkommen um durchschnittlich fast fünf Prozent höher ausfallen. Den größten Einkommenszuwachs verzeichnete Großbritannien mit einem realen Pro-Kopf-Einkommen von fast zehn Prozent.
Zu den EU-Mitgliedsstaaten, die überdurchschnittlich stark von einer weitgehenden Liberalisierung des Handels profitieren würden, gehören die exportorientierten kleinen Volkswirtschaften wie die baltischen Staaten, aber auch die südeuropäischen Krisenstaaten, für die sich die Importe aus den USA verbilligen würden. Die großen Volkswirtschaften Deutschland (4,7 Prozent) und Frankreich (2,6 Prozent) würden im europäischen Vergleich nur unterdurchschnittlich von einem umfassenden Freihandelsabkommen profitieren.
Die Intensivierung der Handelsbeziehungen zwischen den USA und der EU hätte allerdings zur Folge, dass diese Volkswirtschaften weniger Güter und Dienstleistungen aus dem Rest der Welt importieren würden. Dort käme es dann zu einer Verringerung des realen Pro-Kopf-Einkommens. Das beträfe vor allem traditionelle Handelspartner der USA wie Kanada (minus 9,5 Prozent) und Mexiko (minus 7,2 Prozent). Auch in Japan würde sich das langfristige Pro-Kopf-Einkommen um fast 6 Prozent vermindern. Weitere Verlierer wären die Entwicklungsländer; vor allem in Afrika und Zentralasien.
Allerdings ist TTIP kein Nullsummenspiel, sondern erzeugt reale Wohlfahrtsgewinne durch den Abbau von Handelskosten, so dass im Prinzip alle Länder von dieser Reduktion profitieren können. Weltweit würde das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen um 3,3 Prozent steigen.
Für die EU hätte ein tiefgreifendes Freihandelsabkommen eine deutliche Erhöhung der Beschäftigung in den beteiligten Volkswirtschaften zur Folge. Besonders stark profitieren nach den Berechnungen die USA und Großbritannien mit knapp 1,1 Millionen bzw. 400.000 zusätzlichen Arbeits¬plätzen. Auch für die südeuropäischen Krisenländer ergäbe sich ein überdurchschnittlich hoher Beschäftigungseffekt. Während die Arbeitslosigkeit im OECD-Durchschnitt um 0,45 Prozentpunkte zurückginge, würde sie in den vier Krisenstaaten in einer Bandbreite von 0,57 Prozentpunkten in Italien bis hin zu 0,76 Prozentpunkten in Portugal sinken.
„Ein transatlantisches Freihandelsabkommen wäre ein wichtiges Instrument für mehr Wachstum und Beschäftigung in Europa“, sagte Aart De Geus, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung, bei der Vorstellung der Studie. „Gerade die krisengeschüttelten Südeuropäer würden davon überdurchschnittlich profitieren. Allerdings sollten entstehende Wohlfahrtsgewinne für die EU und die USA auch Anreiz sein, sich in zukünftigen multilateralen Verhandlungen kompromissbereit gerade gegenüber den Verlierern des Abkommens zu zeigen. Auf diese Weise könnte das transatlantische Freihandelsabkommen auch der ins Stocken geratenen Doha-Entwicklungsrunde einen neuen Schub geben.“
Bei ihren Simulationsrechnungen betrachteten die Wissenschaftler zwei Szenarien. Eine aus-schließliche Abschaffung der Zölle (Szenario 1) würde kaum für positive Wachstumseffekte sorgen. Würde man dagegen die Handelshemmnisse umfassend abbauen (Szenario 2), käme es zu den oben berechneten Effekten. Zu diesen Handelshemmnissen gehören zollfremde Maßnahmen wie Qualitätsstandards, Verpackungs-und Bezeichnungsvorschriften oder Herkunftsangaben sowie technische oder rechtliche Anforderungen an importierte Produkte. Auch die Förderung der eigenen Exporte durch Steuervorteile oder finanzielle Förderungen gehören hierzu.
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