Was Ökosysteme zusammenhält: Neue Methode entschlüsselt Samen-Transportrouten von Nashornvögeln
Ein Team des LOEWE Biodiversität und Klima Forschungszentrums (BiK-F) und des Max-Planck-Instituts für Ornithologie konnte diese Ökosystemleistung nun mittels neuer Methoden detailliert darstellen und erstmals die möglichen Ausbreitungswege von Samen in der Landschaft kartieren.
Die gestern im Journal of Applied Ecology online erschienene Studie zeigt, dass sich bestimmte Baumarten dank der Vögel vermutlich auch besser an den Klimawandel anpassen können. Schlüsselelemente sind Knotenpunkte der Flugrouten, sogenannte Trittsteinbiotope.
Das Untersuchungsgebiet liegt an der Ostküste Südafrikas, etwa 100 Kilometer südlich von Durban. Die subtropischen Wälder dieser Region zählen zu den baumartenreichsten der Erde, sind jedoch nur noch ein Flickenteppich in einem „Meer“ von Zuckerrohr-Monokulturen und Siedlungen.
Große Samenausbreiter wie der Trompeterhornvogel (Bycanistes bucinator) garantieren den Austausch genetischer Informationen zwischen diesen einzelnen Waldfragmenten, und sichern so ihren Fortbestand. Dank moderner Technik lässt sich diese Schlüsselfunktion nun in bisher unerreichter Präzision und Umfang erfassen:
„Mit GPS-Sendern, die die Position der Vögel bis auf wenige Meter genau und über viele Tage hinweg aufzeichnen, können wir die Vögel verfolgen, ohne auf Sichtweite bleiben zu müssen. Die Bewegungsdaten lassen sich über Entfernungen von bis zu 2 km vom GPS-Sender auf einen Empfänger herunterladen.“, erläutert Dr. Johanna Lenz, BiK-F, Mitautorin der Studie, diesen methodischen Fortschritt. Insgesamt dokumentierte das Team für 30 Trompeterhornvögel mehr als 500 Tage Bewegungsdaten.
Karte der potenziellen Ausbreitungswege von Baumsamen
Bereits 2011 hatte ein Team des LOEWE Biodiversität und Klima Forschungszentrums in Frankfurt (BiK-F) und des Max-Planck Instituts für Ornithologie in Radolfzell im Rahmen einer Studie Bewegungsdaten der früchtefressenden Vögel in Südafrika gesammelt. Für die neue Studie wurde nun zusätzlich zu den Ausbreitungsdistanzen und mithilfe hochauflösender Landschaftsdaten ermittelt, wohin die Samen genau transportiert werden könnten. Das Ergebnis ist eine Karte der potenziellen Ausbreitungswege der Samen in der Landschaft. „Wir kombinierten die Flugdaten mit Daten zur durchschnittlichen Verdauungszeit bei Hornvögeln und berechneten dann die Wahrscheinlichkeit, mit der Samen von einem in andere Waldfragmente transportiert und dort wieder ausgeschieden werden und damit zur Ausbreitung der Baumarten beitragen“, erläutert Prof. Thomas Müller, Leitautor der Studie. Es zeigte sich, dass die Vögel potentiell über ein Viertel der gefressenen Samen aus dem ursprünglichen Waldfragment heraustragen und davon potentiell sieben Prozent in andere Waldstücke, auf denen sie keimen können. Die möglichen Samenausbreitungs-Routen decken ein Gesamtgebiet von 50 km x 30 km ab.
Samen-Transportnetzwerk hat unverzichtbare Knotenpunkte
Die Analyse der Flugrouten der Trompeterhornvögel zwischen den Waldfragmenten zeigt, dass sechs der insgesamt 103 angeflogenen Flächen von den Vögeln deutlich häufiger aufgesucht werden als andere. Interessanterweise sind diese Knotenpunkte sowohl größere intakte Waldgebiete als auch kleinere Waldfragmente inmitten von landwirtschaftlichen Nutzflächen. „Wenn man diese Knotenpunkte in Computer-Simulationen weglässt, reduziert das die Vernetzung der einzelnen Waldgebiete untereinander drastisch“, berichtet Thomas Müller. Ohne diese sogenannten Trittsteine würden Samen in bestimmte Areale gar nicht mehr transportiert werden, das Netzwerk fiele praktisch auseinander. Der Schutz solcher Schlüsselflächen ist also für ein funktionierendes Ökosystem und die ganze Biodiversität in der Region unerlässlich. „Mit diesen neuen Erkenntnissen können wir sehr konkrete Hinweise für den Naturschutz geben“, resümiert Prof. Katrin Böhning-Gaese, Direktorin des BiK-F.
Trompeterhornvogel könnte Folgen des Klimawandels abmildern
Die besonders artenreichen Waldbestände sind nicht nur stark zerstückelt, sondern werden Prognosen zufolge auch drastisch vom Klimawandel betroffen sein. Die Fähigkeit von Arten, sich über weitere Strecken auszubreiten, ist bei der Anpassung an neue klimatische Bedingungen sehr wichtig. Die Distanz, über die die Samen durch die Vögel transportiert werden können, entspricht in etwa der prognostizierten, durch den Klimawandel verursachten Arealverschiebung tropischer und subtropischer Wälder in den nächsten 50 Jahren. „Hornvögel könnten damit selbst bei dem hier vorgefundenen Grad an Fragmentierung dazu beitragen, dass die Anpassung der Bäume und ihre Verbreitung in neue Gebiete gelingt“, hofft Böhning-Gaese.
Publikation:
Mueller, T. , Lenz, J., Caprano, T., Fiedler, W. & K. Böhning-Gaese: Large
frugivorous birds facilitate functional connectivity of fragmented landscapes. –Journal of Applied Ecology, DOI: 10.1111/1365 2664.12247
Für weitere Informationen kontaktieren Sie bitte:
Prof. Dr. Thomas Mueller
LOEWE Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F)
Tel. +49 (1) 5787822229
thomas.mueller@senckenberg.de
oder
Prof. Dr. Katrin Boehning-Gaese
LOEWE Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F)
Tel. +49 (0)69 7542 1890
katrin-boehning-gaese@senckenberg.de
oder
Sabine Wendler
LOEWE Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F),
Pressereferentin
Tel. +49 (0)69 7542 1838
sabine.wendler@senckenberg.de
LOEWE Biodiversität und Klima Forschungszentrum, Frankfurt am Main
Mit dem Ziel, anhand eines breit angelegten Methodenspektrums die komplexen Wechselwirkungen von Biodiversität und Klima zu entschlüsseln, wird das Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK‐F) seit 2008 im Rahmen der hessischen Landes‐Offensive zur Entwicklung Wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz (LOEWE) gefördert. Die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und die Goethe Universität Frankfurt sowie weitere direkt eingebundene Partner kooperieren eng mit regionalen, nationalen und internationalen Akteuren aus Wissenschaft, Ressourcen‐ und Umweltmanagement, um Projektionen für die Zukunft zu entwickeln und wissenschaftlich gesicherte Empfehlungen für ein nachhaltiges Handeln zu geben. Mehr unter www.bik‐f.de
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