Wertvolle Holzkunst entgiften
Einzigartige Holzskulpturen wurden bis in die 80er-Jahre häufig mit giftigen Holzschutzmitteln konserviert. Wissenschaftler vom Fraunhofer UMSICHT in Oberhausen entwickeln gemeinsam mit dem Rathgen-Forschungslabor der Staatlichen Museen zu Berlin eine neue Methode zur Entgiftung von Kunstwerken mit Hilfe von überkritischem Kohlendioxid.
In vielen Museen und Kirchen – nicht nur in Deutschland – stehen giftige Kunstwerke: sie sind mit Pestiziden behandelt worden. Von den 40er- bis in die 80er-Jahre war die Behandlung von Hölzern mit chlorierten Verbindungen wie PCP (Pentachlorphenol), DDT (Dichlordiphenyltrichlorethan) und Lindan (Gamma-Hexachlorcyclohexan) gang und gäbe. Restauratoren waren zunächst von den neuen Mitteln gegen Insekten- und Pilzbefall begeistert. Die Langzeitfolgen der Anwendung dieser Pestizide wurden erst später erkannt: Lindan und PCP belasten die Raumluft, DDT bildet an der Oberfläche des Holzes eine weiße Kristallschicht.
Restauratoren entfernen in ihrer Werkstatt vorsichtig den Belag von der bemalten Holzfigur. Die Oberfläche können sie reinigen und die DDT-Ausblühungen ohne Beschädigung entfernen. Sehr schwierig ist es jedoch, tiefer in das Holz vorzudringen und Rückstände weiter innen herauszulösen. Je nachdem, wie stark die Skulpturen mit Holzschutzmitteln getränkt wurden, wird sich das DDT langsam, aber sicher weiter ausscheiden und in kurzer Zeit erneut Kristalle auf der Oberfläche bilden.
Wenn nicht immer mehr Kunstgegenstände aus Holz im „Giftdepot“ verschwinden sollen, müssen umweltverträgliche Lösungen gefunden werden, um die einzigartigen Objekte für Kunstfreunde weiterhin zugänglich zu machen und langfristig zu erhalten. Seit 2001 arbeiten Forscher von UMSICHT an dem Projekt „Untersuchungen zur Detoxifizierung holzschutzmittelbelasteter Kunstobjekte“ mit, das von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) gefördert wird. Leiter des Projekts ist Dr. Achim Unger vom Rathgen-Forschungslabor der Staatlichen Museen zu Berlin.
Um die schädlichen Substanzen aus dem Holz zu entfernen, haben die Wissenschaftler ein Verfahren mit überkritischen Gasen entwickelt. Am Fraunhofer UMSICHT werden Proben in Druckbehältern, den Autoklaven, mit überkritischem Kohlendioxid behandelt: Die Wissenschaftler legen den Druck und die Temperatur fest, geben eine Holzprobe in die Kammer, leiten das Kohlendioxid ein und bauen den Druck auf. Um den überkritischen Zustand zu erreichen, muss Kohlendioxid komprimiert werden. Es kann dann ähnlich wie ein Lösungsmittel bei niedriger Temperatur die gefährlichen Substanzen aus dem Holz herauslösen. Ein entscheidender Vorteil dieses Verfahrens: Das Holz quillt nicht auf, denn die Oberflächenspannung des überkritischen Kohlendioxids ist gering. Kernstück der Versuchsanordnungen ist die genaue, computergestützte Steuerung von Druck und Temperatur. Mit dem derzeitigen Stand der Entwicklung können bis zu 75 Prozent des DDT und bis zu 90 Prozent des Lindans aus dem Holz entfernt werden. „Wir möchten die Kunstwerke zu über 90 Prozent von giftigen Holzschutzmitteln befreien“, beschreibt Dipl.-Ing. Erich Jelen von UMSICHT das ehrgeizige Ziel des Forschungsprojekts. Eine Herausforderung für die Wissenschaftler ist die Einzigartigkeit der Kunstwerke, denn keine Skulptur gleicht der anderen. Farb- oder Leimschichten müssen erhalten bleiben. Das Verhalten unterschiedlicher Materialien bei der Behandlung mit überkritischem Kohlendioxid testen die Forscher an Probekörpern.
Die größten Schwierigkeiten lagen zu Beginn des Projekts beim Druckabbau. Erfolgt die Druckentspannung zu schnell, verbleibt Kohlendioxid in den Holzporen. Beim Druckausgleich mit der Umgebung reißen dann die Holzobjekte auseinander. Da die Kulturgüter keinen Schaden nehmen dürfen, haben die Wissenschaftler weitere Testreihen mit einer neuen Sichtzellenanlage gestartet und können so die Versuche kontinuierlich mit Hilfe einer Videokamera beobachten und kontrollieren. „Wir erstellen einen Verfahrenskatalog für die Entgiftung der unterschiedlichen Hölzer und Substanzen und listen die Möglichkeiten und Grenzen der Behandlung mit überkritischem Kohlendioxid auf“, erklärt Jelen. Im nächsten Schritt wollen die Forscher die Entsorgung der Gifte optimieren. Denn jede Dekontaminierung birgt die Gefahr, dass die Stoffe an die Umgebung abgegeben werden. Um dies zu vermeiden, ist in den Kreislauf ein Aktivkohlefilter integriert, der die extrahierten Holzschutzmittel aufnimmt.
Ansprechpartner:
Dipl.-Chem. Andreas Weber
Telefon 02 08/85 98-11 72, Fax: 02 08/85 98-14 24
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