Röntgenstrahlen biegen und brechen
Forschungszentrum Karlsruhe fertigt neuartige hochpräzise Röntgenlinsen mit lithographischem Verfahren
Wissenschaftlern des Forschungszentrums Karlsruhe ist es gelungen, mittels Synchrotronstrahlung Linsensysteme aus Kunststoff herzustellen, die Röntgenstrahlen bündeln können. In einem einzigen Arbeitsgang werden komplexe und hochpräzise Röntgenlinsen hergestellt. Damit sollen nun Röntgenmikroskope und andere Instrumente für die Röntgenoptik verwirklicht werden.
Optische Instrumente für sichtbares Licht gehören zu unserem Alltag. Brillen, Lupen oder Ferngläser beruhen auf dem Prinzip, dass Licht an der Grenzfläche von Luft und Glas gebrochen wird. Für Röntgenstrahlen funktionieren diese Instrumente nicht mehr, weil die Brechkraft einer einzelnen Linse in diesem Wellenlängenbereich zu gering ist. Conrad Röntgen selbst hatte seine Versuche zur Bündelung der von ihm entdeckten Strahlen Ende des 19. Jahrhunderts ergebnislos abgebrochen. Erst in den letzten 10 Jahren wurden durch das Hintereinandersetzen hunderter einzelner Linsen erste funktionsfähige Instrumente gebaut.
Im Forschungszentrum Karlsruhe werden mit Hilfe der Synchrotronstrahlungsquelle ANKA und dem LIGA Verfahren in einem einzigen Arbeitsvorgang vollständige Linsenfelder hergestellt, die Röntgenstrahlen bündeln. Das lithographische Verfahren ermöglicht die Darstellung sehr komplexer, vorher berechneter Strukturen in einem speziellen Kunststoff (SU-8), der gegen Röntgenstrahlen beständig ist. Zunächst konnten nur Linsensysteme erzeugt werden, die Röntgenstrahlen in einer Richtung bündeln. Inzwischen ist es gelungen, durch doppelte Belichtung des Kunststoffes auch Linsensysteme herzustellen, die in zwei Richtungen fokussieren. Diese Linsensysteme wurden zum Patent angemeldet.
„Der entscheidende Schritt war, dass wir mit dem Kunststoff SU-8 ein Material eingesetzt haben, das für Röntgenstrahlung hoch transparent ist“, erläutert Professor Dr. Volker Saile, Leiter des Instituts für Mikrostrukturtechnik im Forschungszentrum Karlsruhe. „Durch gezielte Auslegung der Linsengeometrie können, auf der Grundlage komplizierter Rechnungen, Linsenfehler ausgeglichen und die optischen Eigenschaften der Linsen festgelegt werden.“ Die internationale Resonanz bestätigt den Karlsruher Forschern die Bedeutung ihrer Entwicklung.
Die Einsatzmöglichkeiten für Röntgenlinsen sind vielfältig: So warten die Biologen auf Röntgenmikroskope, mit denen Auflösungen im Nanometerbereich möglich sind. Ziel ist es, biologische Vorgänge in lebenden Zellen zu verfolgen. Die Astronomen benötigen Röntgenlinsen, um Röntgenteleskope für den Einsatz auf Satelliten zu bauen. Die Einsatzmöglichkeiten in der ortsaufgelösten Analytik kleinster Materialproben sind fast unbegrenzt.
In Kooperation mit europäischen Partnern, die ihre Experimente an verschiedenen Synchrotron-Strahlungsquellen betreiben, werden derzeit Leistungsfähigkeit und Grenzen der neuartigen Linsensysteme getestet. Gemeinsam mit der Universität Karlsruhe wird der Einsatz an konventionellen Röntgenröhren untersucht. Auch die Vermarktung der vielversprechenden Linsen haben die Forscher sichergestellt: Die ANKA GmbH hat mit dem weltweiten Vertrieb begonnen.
Das Forschungszentrum Karlsruhe ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, die mit ihren 15 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 2,1 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands ist. Die insgesamt 24 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Helmholtz-Gemeinschaft forschen in den Bereichen Struktur der Materie, Erde und Umwelt, Verkehr und Weltraum, Gesundheit, Energie sowie Schlüsseltechnologien. Joachim Hoffmann
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