Saubere Abgase: Plasmen zersetzen bei niedriger Temperatur sogar kleinste Rußpartikel

So werden die Abgase sauber: Schema des im INP entwickelten Verfahrens, das Filter- und Plasmatechnik kombiniert

Niedertemperatur-Plasmen reinigen Abgase schon bei Temperaturen unter 200°C. Und sie sind gründlich. Auch winzige Schadstoffteilchen werden im Plasma unschädlich gemacht. Diese günstigen Eigenschaften nutzten Wissenschaftler des Greifswalder Institutes für Niedertemperatur-Plasmaphysik (INP) und entwickelten einen Plasmareaktor für die Reinigung von Dieselabgasen. Kern der Sache: Eine poröse Elektrode, die auch als Filter wirkt. Jetzt erkunden sie weitere Anwendungsmöglichkeiten ihrer inzwischen patentierten Methode.

Rußpartikel im Abgas trüben das ansonsten recht gute Image von modernen Dieselfahrzeugen. Die Verbesserung der Motortechnik sorgt zwar für weniger Rußausstoß, indem die Gesamtmasse der Rußteilchen reduziert wurde. Gleichwohl konnte keine nennenswerte Verbesserung bei der Konzentration der sog. Nanopartikel erzielt werden. Nanopartikel sind Schadstoffteilchen in der Größenordnung von 10 bis 1000 Nanometer (1µm=1000 nm). Werden sie eingeatmet, dringen sie bis in die Lungenbläschen vor und lagern sich dort oft Jahre lang an, warnen Umweltmediziner. Ruß-Nanopartikel stehen im Verdacht, für Atemwegs- und Krebserkrankungen verantwortlich zu sein.

Auf der Grundlage unterschiedlicher Technologien wird intensiv daran geforscht, das Problem der Rußpartikel in den Griff zu bekommen. „Es liegt nahe, zu diesem Problemkreis Niedertemperatur-Plasmen zu untersuchen, bekannt für ihre enorme Reaktivität auch bei niedrigen Temperaturen,“ sagt Dr. Siegfried Müller. „In einem Plasma,“ erklärt der INP-Physiker, „können mit gutem elektrischen Wirkungsgrad Ionisations- und Dissoziationsvorgänge durch Elektronenstöße herbeigeführt werden. Die niedrige Gastemperatur ermöglicht die Erzeugung von thermisch instabilen, reaktiven Ausgangsprodukten, z.B. Radikalen. Es können so chemische Verbindungen erzeugt oder aufgespalten werden.“

Kern des Prinzips: Einsatz einer porösen Elektrode

Als außerordentlich wirksam für die Nachbehandlung von Abgasen erwies sich eine Kombination aus Filtertechnik und Normaldruckplasma. „Das Plasma wird jeweils zwischen zwei Elektroden mit einer Wechselspannungsversorgung erzeugt, mindestens eine der Elektroden ist mit einer Isolierschicht bedeckt. Man nennt das eine dielektrisch behinderte Entladung,“ erläutert Dr. Müller. „Das Besondere an unserem Verfahren ist eine Entladungsanordnung mit poröser Elektrode. Dadurch erhöht sich die Verweildauer der Rußpartikel im Plasma. Wird nun das Abgas durch diesen Plasmabehandlungsraum geleitet, bilden sich Radikale und es kommt zu plasmachemischen Reaktionen an den Rußoberflächen. Die Rußpartikel oxidieren zu CO und CO2. Schon bei Abgastemperaturen von ca. 190°C werden die Rußpartikel unschädlich gemacht.“

Wirkungsvoll bei niedrigen Temperaturen

Mit dieser Methode kann ein Problem der bisher üblichen Partikelfilter gelöst werden. Diese filtern zwar den Ruß über den gesamten Bereich der Größenverteilung aus dem Abgas, allerdings muss der gespeicherte Ruß verbrannt werden um eine Verstopfung der Partikelfilter zu vermeiden. Ruß brennt jedoch erst bei Temperaturen oberhalb von 550 °C ausreichend schnell ab. Da die Dieselabgase diese Temperaturen nicht oder nur selten erreichen, sind zusätzliche Maßnahmen zur Regeneration erforderlich, z.B. Aufheizung oder Maßnahmen zur Herabsetzung der Verbrennungstemperatur, wie Kraftstoffzusätze.

Die im INP entwickelte Kombination von Plasma- und Filtertechnik ermöglicht dagegen eine kontinuierliche Zersetzung von Ruß im Dieselabgas bei normaler Betriebstemperatur. Weder sind Additive zur Herabsetzung der Verbrennungstemperatur von Ruß erforderlich, noch Maßnahmen zur Temperaturerhöhung für eine effektive Verbrennung. Wolfgang Reich, Labor-Ingenieur am INP, zählt weitere Vorteile auf: „Die Plasmareinigung lässt sich in Abhängigkeit von der Beladung je nach Motorlast leicht und schnell steuern. Der Leistungsbedarf für die Rußabreinigung ist gering, z.B. 67 W Plasmaleistung für einen 2l-Dieselmotor nach EURO 3. Auch an die Kraftstoffzusammensetzung werden keine speziellen Anforderungen gestellt. Das Verfahren kann mit anderen Abgasreinigungsverfahren – etwa durch Einbringung von katalytischen Materialien zur NO-Minderung – leicht kombiniert werden. Eine einfache Nachrüstung älterer Fahrzeuge ist möglich.“

Dieses neu entwickelte Verfahren ließ sich das INP patentieren. Noch sind einige Fragen der technischen Umsetzung zu klären, aber die Wissenschaftler bedenken schon den nächsten Schritt. Die Forschungsergebnisse bieten nämlich eine vielversprechende Grundlage für weitere Projekte zum Thema nachhaltige Abgasreinigung. So gilt es zu klären, ob das Prinzip auch auf andere Schadstoffe aus Verbrennungsprozessen angewendet oder wie es mit anderen Schadstoffreinigungsverfahren verknüpft werden kann. Das Fernziel könnte heißen: Saubere Abgase aus allen Leitungen.

Ansprechpartner für Rückfragen:
Dr. Siegfried Müller, Tel: 03834 – 554 300,
E-Mail: muellers@inp-greifswald.de

Ausführliche Informationen finden Sie in „INP aktuell“, als PDF unter www.inp-greifswald.de -> aktuelles

Media Contact

Anke Wagner idw

Weitere Informationen:

http://www.inp-greifswald.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Verfahrenstechnologie

Dieses Fachgebiet umfasst wissenschaftliche Verfahren zur Änderung von Stoffeigenschaften (Zerkleinern, Kühlen, etc.), Stoffzusammensetzungen (Filtration, Destillation, etc.) und Stoffarten (Oxidation, Hydrierung, etc.).

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Trenntechnologie, Lasertechnologie, Messtechnik, Robotertechnik, Prüftechnik, Beschichtungsverfahren und Analyseverfahren.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Ist der Abrieb von Offshore-Windfarmen schädlich für Miesmuscheln?

Rotorblätter von Offshore-Windparkanlagen unterliegen nach mehrjährigem Betrieb unter rauen Wetterbedingungen einer Degradation und Oberflächenerosion, was zu erheblichen Partikelemissionen in die Umwelt führt. Ein Forschungsteam unter Leitung des Alfred-Wegener-Instituts hat jetzt…

Per Tierwohl-Tracker auf der Spur von Krankheiten und Katastrophen

DBU-Förderung für Münchner Startup Talos… Aus dem Verhalten der Tiere können Menschen vieles lernen – um diese Daten optimal auslesen zu können, hat das Münchner Startup Talos GmbH wenige Zentimeter…

Mit Wearables die Gesundheit immer im Blick

Wearables wie Smartwatches oder Sensorringe sind bereits fester Bestandteil unseres Alltags und beliebte Geschenke zu Weihnachten. Sie tracken unseren Puls, unsere Schrittzahl oder auch unseren Schlafrhythmus. Auf welche Weise können…