Erstmuster im Computertomographen
Fünf Industrieunternehmen und zwei Forschungsinstitute entwickeln im europäischen Forschungsprojekt „First Article Tomography Inspection Methodology Advancement (FATIMA)“ neue Methoden zur Erstmusterprüfung von industriellen Teilen mittels Computertomographie (CT). Zwischenergebnisse wurden Ende September in Frankreich präsentiert.
Ob Zylinderköpfe und Motorblöcke für Kraftfahrzeuge oder Gehäuseteile aus Kunststoff: in der Prozesskette der industriellen Fertigung komplexer Teile ist die Erstmusterprüfung ein besonders kritischer Schritt. Ein neues Messverfahren dafür entsteht derzeit im europäischen Forschungsprojekt „First Article Tomography Inspection Methodology Advancement (FATIMA)“. Sind der Prototyp und die zugehörigen Werkzeugen fertig, ist der nächste Schritt die Herstellung eines Erstmusters. Die Serienfertigung eines Teils kann erst nach seiner Abnahme beginnen, d. h. wenn Geometrie, Funktionalität und Materialgüte zufriedenstellend sind. „Besonders schwer sind Teile mit komplexen Geometrien zu vermessen, wie Zylinderköpfe mit dünnen Wandstärken und Innenkanälen für die Kühlung“, weiß Norbert Schuhmann vom Fraunhofer IPA aus Erfahrung. Der Mathematiker koordiniert das Projekt FATIMA. „Um diese inneren Strukturen erfassen zu können, werden Zylinderköpfe bislang meist zersägt und dann mittels taktiler Koordinatenmesstechnik (CMM) vermessen“, erklärt er. Ein zeitaufwändiges Verfahren, das den Start der Serienfertigung erheblich verzögern und damit hohe Kosten verursachen kann. Zudem lassen sich mittels CMM lediglich Einzelmerkmale eines Teils gemäß Messplan abprüfen. Ein kompletter Vergleich mit der Sollgeometrie ist nicht möglich.
Im Forschungsprojekt FATIMA werden neue Methoden untersucht, die einen kompletten Vergleich von Soll- und Istgeometrie geometrisch komplexer Teile mit Innenstrukturen erlaubt. Möglich macht das ein Messgerät, das für industrielle Anwendungen bisher eher ungewöhnlich ist: ein Computertomograph (CT). Die CT-Messung erzeugt eine Serie von Grauwertbildern mit konstanter Bildauflösung. Üblicherweise werden zwischen 500 und 2000 Einzelbilder bei einem Schichtabstand von 0,2 mm bis 1,0 mm und einer Auflösung von 512 x 512 bis 2048 x 2048 Bildpunkten pro Schicht bei 8 bis 32 Bit Grauwerttiefe erzeugt. „Mit speziellen Algorithmen aus der Bildverarbeitung berechnen wir die Konturen jedes Grauwertbilds und damit die Oberfläche des gemessenen Bauteils“, berichtet Norbert Schuhmann.
Die Oberfläche wird dabei meist als triangulierte Punktewolke (Facettenmodell) in dem aus CAD und Rapid Prototyping bekannten STL-Format dargestellt. Eine neuartige Software vergleicht die Punktewolke mit dem Sollmodell – in diesem Fall mit dem zugrundeliegenden CAD-Modell des Bauteils. Die berechneten Abweichungen von Soll- und Istmodell lassen sich für beliebige ebene Schnitte durch das Bauteil bestimmen und dokumentieren, beispielsweise als numerische Tabelle oder graphisch in Falschfarben.
Das EU-geförderte Forschungsprojekt FATIMA ist auf drei Jahre angelegt und startete im Februar 2000. Sieben Partner sind daran beteiligt: das Fraunhofer IPA als Koordinator, das Centro Richerche FIAT, Turin, Italien, die DaimlerChrysler AG, Ulm, Materialise N.V. und Metris N.V., beide Leuven, Belgien, die Eidgenössische Materialprüfungsanstalt, Zürich, Schweiz, und TomoAdour in Pau, Frankreich. Zur Halbzeit der Förderungsdauer fand am 20. September bei TomoAdour in Pau ein Midterm Assessment Meeting statt. In Anwesendheit des Projektbeauftragten der EU, Peter Breger aus Brüssel, zogen die Projektpartner dort Zwischenbilanz. Zu den bisherigen Ergebnissen zählen u. a. Softwaretools zur Verarbeitung von großen Serien von Grauwertbildern, Softwaretools zur Berechnung und anschließenden Dokumentation eines Soll-Ist-Vergleichs von triangulierten Punktewolken (Ist) und den zugehörigen CAD-Modellen (Soll), Softwaretools zur effizienten Messplanung und -durchführung mit CT, Genauigkeitsuntersuchungen von CT-Messungen sowie Softwaretools zur automatischen Wandstärkeprüfung von komplexen Bauteilen.
Zwei Einzelergebnisse sind zum Patent angemeldet. Einige der Softwaretools werden bereits von industriellen Partnern des Fraunhofer IPA genutzt, unter anderem von der Teilnehmern des „Anwenderverbund Volumenabtasten“. Ihm gehören zehn mittelständische und Großunternehmen aus dem Maschinenbau an. Der Verbund beschäftigt sich mit dem Einsatz neuer Technologien für das Messen und Prüfen komplexer Bauteile.
Ihr Ansprechpartner für weitere Informationen:
Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA
Dipl.-Math. Norbert Schuhmann
Telefon: 0711/970-1851, Telefax: 0711/970-1004, E-Mail: nos@ipa.fhg.de
Beide Bilder ©FATIMA, mit freundicher Genehmigung der Bombardier-Rotax GmbH, Gunskirchen, Österreich.
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