Forschung im Nanokosmos – Lehrstuhl entwickelt neue Methode zur Herstellung kleinster Röhrchen
Nano. Kaum ein anderer Begriff ist in der wissenschaftlichen Medienberichterstattung häufiger zu finden. Nano ist innovativ. Nano ist in. Den eigentliche finanziellen und materiellen Aufwand, der in dieser Forschung steckt, kennen nur wenige. Einer von ihnen ist Prof. Dr. Ulrich vom Institut für Verfahrenstechnik (TVT) der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Seit gut zwei Jahren forschen er und seine Kollegen im Bereich der Nanowissenschaften an Kristallstrukturen. Sein Ziel ist es, kleinste Röhrchen zu generieren, über deren Zusammensetzung und Eigenschaften man selbst bestimmen kann.
Ulrichs Vorhaben baut auf Erkenntnissen, auf die das Team durch Zufall gestoßen ist. „Bei mehreren unserer Reaktionsversuche mit Hydraten, das sind Kristalle, die in ihrem Konstrukt Wasser in das Kristallgitter eingelagert haben, ist ein Filz aus vielen Nadeln entstanden. Damals war es unser Anliegen, diese Nadeln zu beseitigen“, blickt Ulrich zurück. Irgendwann ist man auf die Idee gekommen, den Filz genauer zu untersuchen. Dabei haben die Wissenschaftler festgestellt, dass es sich um kleinste Röhrchen handelt, Nanoröhrchen.
Stabil, belastbar und dennoch winzig
Diese sogenannten Nanotubes werden in der Wissenschaft aus anderen Materialien und über andere Wege schon seit einigen Jahren hergestellt. Typisch sind die Durchmesser der Röhren von weniger als 100 Nanometern. Ihre Einsatzgebiete sehen Experten hauptsächlich in der Elektrotechnik, der Kunststoffindustrie und der Pharmazie. Größere Bedeutung erlangten in den letzten Jahren vor allem Nanoröhrchen auf Kohlenstoffbasis. Sie gelten als stabil und belastbar, doch haben sie einen entscheidenden Nachteil. Wissenschaftler sind mit diesem Stoff materialgebunden und müssen mit dessen Eigenarten leben.
„Wir wollen Nanoröhrchen entwickeln, bei denen wir selbst entscheiden können, aus welchem Material sie bestehen“, führt Ulrich ein. Das Team hat sich für die Stoffgruppe der Solvate entschieden. „Solvate umfassen alle kristallinen Stoffe, die in ihrem Kristallgitter Flüssigkeiten einlagern können.“ Um das Ausgangsmaterial anzupassen, wird durch die Neuanpassung der Experimentierumgebung, beispielweise durch die Veränderung der Temperatur oder der Luftfeuchtigkeit, eine Abgabe oder Zunahme der Flüssigkeitsanteile in der Kristallstruktur hervorgerufen. „So lässt sich unter anderem der Solvatzustand beeinflussen“, fährt Ulrich fort.
Im Team kamen nun viele Fragen auf: Wie kann man diese Röhrchen weiter verkleinern? Wie kann man gezielt die Eigenschaften bei der Kristallisation beeinflussen und zuverlässig steuern? Funktioniert die Herstellung auch mit anderen Kristallstrukturen? Kann man die Größe des Durchmessers gezielt vorherbestimmen? „Diese Fragen wollen wir klären. Wir müssen erst einmal begreifen, welche Prozesse man wie steuern kann. Die Hauptarbeit liegt da noch vor uns.“
Neue Möglichkeiten für Wissenschaft und Wirtschaft
Ziel ist es, den Durchmesser der Tubes von derzeit 300 Nanometer auf 100 Nanometer zu verkleinern. „Außerdem wollen wir versuchen, die Röhrchen zu verschließen“, erklärt Ulrich weiter zum Projekt. Die daraus entstehenden Container, sogenannte Nanocontainer, könnten vor allem in der Pharmazeutische Anwendung interessant sein. Durch Impfungen könnten z. B. diese mit dem Impfstoff gefüllten Container mit zeitlicher Verzögerung langsam in den menschlichen Körper abgegeben werden. Die Röhre an sich würde sich ebenfalls zeitlich verzögert auflösen. Dazu müssen Röhrchen entwickelt werden, die perfekt auf den menschlichen Körper abgestimmt sind und entsprechend reagieren. „Der Impfstoff dürfte nicht zu schnell abgegeben werden, um Vergiftungserscheinungen zu vermeiden. Geht der Stoff zu langsam ins Blut über, wäre er wirkungslos“, weiß Ulrich.
Er sieht viele weitere Einsatzmöglichkeiten für Nanoröhrchen auf Solvatbasis. Das sei seiner Ansicht nach wie bei den Kohlenstoffröhrchen nicht nur auf pharmazeutische Entwicklungen beschränkt.
Problematisch sind vor allem die Analyseverfahren. „Röhrchen herzustellen, ist die eine Sache. Zu beweisen, dass man wirklich zu einem bestimmten Ergebnis gekommen ist und dass es sich um reproduzierbare Vorgänge handelt, ist eine andere.“ Diese Analytik sei teuer und aufwändig. Um sie dennoch durchführen zu können, arbeitet das Team um Ulrich mit anderen Projekten der Universität zusammen. „Wir können auf die Technik anderer Fachbereiche zugreifen. Das spart Zeit und Geld.“ Letzteres wird im übrigen vom Land Sachsen-Anhalt ihm Rahmen der Exzellenzinitiative zur Verfügung gestellt. 2008 sollen dann erste Ergebnisse vorliegen.
Weitere Informationen:
Prof. Dr.-Ing. habil. Joachim Ulrich
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
FB Ingenieurwissenschaften, Institut für Verfahrenstechnik/TVT
Tel.: 0345 55-28400
Fax.: 0345 55-27358
E-Mail: joachim.ulrich@iw.uni-halle.de
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