Neue Ölquelle entdeckt
Mit der Gewinnung von Treibstoffen aus Tierfett befasst sich ein Forschungsprojekt der FH Gießen-Friedberg. Diese Initiative, die große öffentliche Aufmerksamkeit erregt hat, wird von der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) finanziell gefördert. Als Nebenprodukt der Untersuchungen im Pilotmaßstab wurde eine neue Ölquelle entdeckt: Plastikabfälle.
„Das Öl produzierende Verfahren funktioniert auch mit alten Kunststoffen – von der Zahnpastatube bis zum Gehäuse ausrangierter Elektrogeräte“, verrät Projektleiter Prof. Dr. Ernst Stadlbauer vom FH-Labor für Entsorgungstechnik. Auch beim industriellen Kooperationspartner der Hochschule stößt die neuerliche Entdeckung der Projektmitarbeiter Sebastian Bojanowski, Sajjad Hossein, Astrid Fiedler, Claudia Steller, Rebekka Sauer und Lisa Beermann auf starkes Interesse: „Am 24. März tritt das Elektro- und Elektronikgerätegesetz in Kraft. Für unsere patentierte Reaktortechnik tut sich damit neben Klärschlamm und Altfett ein völlig neues Einsatzgebiet auf“, so Olaf Grimmel von W+F Grimmel Wassertechnik. Bernhard Jehle, Geschäftsführer des Entsorgungsfachbetriebs ZM Elektronik Recycling GmbH in Heuchelheim, sieht neue Alternativen zum Schließen von Stoffkreisläufen: „Dieses Verfahren bietet ganz neue Möglichkeiten des rohstofflichen Kunststoffrecycling. Die anfallenden Kunststoffabfälle können einem neuen Lebenszyklus zugeführt werden.“
Um das Verfahren einer breiteren Öffentlichkeit bekannt und verständlich zu machen, wurde in Zusammenarbeit mit den Studierenden Dorina Benz und Martin Kosa vom Studiengang Technische Redaktion und Multimediale Dokumentation der FH ein Film mit dem Titel „Öl aus Abfall“ gedreht. Er wird demnächst im Offenen Kanal der Stadt Gießen gesendet. Der Fachwelt wird das Verfahren bei der Achema in Frankfurt vom 15. bis 19. Mai 2006 auf dem Gemeinschaftsstand Hessischer Hochschulen vorgestellt. Die Achema ist die weltweit größte Messe für chemische Verfahrenstechnik und Apparatebau.
Bei der Ölgewinnung aus Plastikabfällen werden spezielle Katalysatoren eingesetzt. Diese können lange Kohlenstoffketten der Kunststoffe bei etwa 350 – 400 Grad an bestimmten Stellen gezielt auseinander brechen. Das Projektteam hat dafür den Ausdruck: „Thermokatalytisches Kracken“ geprägt. Der entwickelte Reaktor bringt den zerkleinerten Plastikabfall und die hochwirksamen Katalysatoren in innigen Kontakt. Er ist unter dem Namen „Thermokatalytischer Schlaufenreaktor“ patentiert. Die besten Öle werden mit Kunststoffabfällen auf der Basis von Polyethylen und Polypropylen gewonnen. Die Ausbeute dabei beträgt 80 – 90 Prozent. Aus 1000 Kilogramm Abfall werden etwa 1000 Liter Öl gewonnen. Auch Polystyrol, Polycarbonat und die vielseitige PET-Getränkeflasche sind verwendbar. In der Bundesrepublik fallen jährlich etwa fünf Millionen Tonnen Kunststoffe an.
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