Pumpen unter extremen Bedingungen
Forschungszentrum Karlsruhe setzt Meilenstein in der Fusionstechnologie für den ITER
Mit einer Vakuumpumpe ist am Forschungszentrum Karlsruhe ein wichtiger Baustein für den künftigen internationalen Fusionsreaktor ITER entwickelt worden. Die Pumpe muss extremen Bedingungen gewachsen sein, denn hohe Magnetfelder, Neutronenstrahlung und radioaktives Tritium werden später zu ihrem Arbeitsumfeld gehören. Ein von der französischen Firma Air Liquide gebautes Modell soll nun im Forschungszentrum zwei Jahre lang umfangreichen Tests unterzogen werden.
Im Forschungszentrum Karlsruhe werden im Rahmen des „European Fusion Technology Programme“ Technologien für die Kernfusion entwickelt. Ein wichtiger Baustein sind Pumpen, die das Vakuum in der zentralen Einheit des Fusionsreaktors, der Plasmabrennkammer, aufrechterhalten. In dieser läuft – nach dem Vorbild der Sonne – bei Temperaturen um 100 Millionen Grad Celsius die Verschmelzung von Wasserstoffisotopen zu Helium ab. Dabei wird Energie freigesetzt. Das Produkt der Fusion, das Edelgas Helium, muss neben anderen Verunreinigungen aus der Reaktionskammer entfernt werden. Die hierzu notwendigen Pumpen sind im Fusionsreaktor extremen Bedingungen ausgesetzt, die am Markt erhältliche Produkte nicht verkraften: Hohe Magnetfelder, Neutronenstrahlung und radioaktives Tritium schaffen ein Umfeld, das Pumpen „von der Stange“ nicht lange aushalten.
Nach umfangreichen Voruntersuchungen wurde ein Konzept gewählt, bei dem zehn „Kryovakuumpumpen“ zum Einsatz kommen. Kryovakuumpumpen bestehen aus stark gekühlten Oberflächen, an denen Gase „ausgefroren“ werden: Die Gasteilchen kondensieren an den kalten Flächen. Mit diesem Prinzip lässt sich eine hohe Pumpleistung und ein extrem tiefes Vakuum realisieren. Um auch Helium und Wasserstoff noch effizient pumpen zu können, werden die Pumpflächen mit Aktivkohlekörnern beschichtet und auf Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt (- 273 °C) gekühlt. Kryopumpen können prinzipiell nicht im Dauerbetrieb laufen, sondern müssen nach einer bestimmten Pumpzeit wieder gereinigt werden. Dazu wird die Pumpe abgeschottet, die kalten Oberflächen werden aufgeheizt und die verdampfenden Ablagerungen von mechanischen Vakuumpumpen abgesaugt.
Als erster Schritt zu einer einsatzfähigen Kryopumpe wurde eine Modellpumpe im Maßstab 1:2 entwickelt und bei der französischen Firma Air Liquide gebaut. Die Modellpumpe ist etwa zwei Meter lang und hat einen Durchmesser von einem Meter. Parallel zur Pumpenentwicklung wurde im Forschungszentrum Karlsruhe die Testanlage TIMO (Test Facility for ITER Model Pump) aufgebaut, in der die Pumpe unter ITER-relevanten Bedingungen getestet werden kann. Nach der Auslieferung durch Air Liquide wurde die Kryopumpe inzwischen in TIMO eingebaut, wo sie die Abnahmetests erfolgreich bestanden hat. In einem umfangreichen zweijährigen Testprogramm wird die Modellpumpe nun unter simulierten Reaktorbedingungen getestet. Die dabei gewonnenen Erfahrungen sollen in eine Prototyppumpe für den Betrieb von Fusionsreaktoren einfließen.
Joachim Hoffmann 22. Juli 2000
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