Zwischenbilanz eines Robotik-Pioniers
IPA-Institutsleiter Prof. Dr.-Ing. Dr. h. c. mult. Rolf Dieter Schraft beging am 2. Februar seinen 60. Geburtstag. Er hat die Industrieroboter-Entwicklung in Deutschland von Anfang an begleitet.
Das Zeitalter der Industrieroboter begann in Deutschland Anfang der 70er Jahre: Als erste nennenswerte Roboterinstallation machten zwölf Unimate-Roboter in der Fachpresse Schlagzeilen, die bei Mercedes-Benz in Sindelfingen zum Schweißen der Seitenwände der S-Klasse eingesetzt wurden. Auch die anderen Automobilhersteller und Produzenten von Massengütern erkannten schnell die Vorteile der „stählernen Helfer“ bei der Automatisierung eintöniger und wiederholbarer Montage- und Handhabungsvorgänge. Die ersten Anlagen kamen zu dieser Zeit noch aus den USA und Japan, doch auch deutsche Hersteller wie Bosch, Kuka oder Fibro zogen bald nach. Heute gehört Deutschland zusammen mit Frankreich, Italien, Großbritannien, Japan und den USA zu den „Big Six“, den sechs Nationen, die weltweit die meisten Roboter produzieren. Prof. Dr.-Ing. Rolf Dieter Schraft hat diese Entwicklung von Anfang an begleitet. Er beging am 2. Februar seinen sechzigsten Geburtstag.
Prof. Schraft leitet seit 1. Oktober 1993 das Fraunhofer IPA. Bereits zu Beginn der 70er Jahre unter dem heutigen Präsidenten der Fraunhofer-Gesellschaft Prof. Dr.-Ing. Hans-Jürgen Warnecke, war die ingenieurwissenschaftliche Denkfabrik in Deutschland führend auf dem Gebiet der industriellen Anwendung von Robotern. Schraft hat als wissenschaftlicher Mitarbeiter und später in verschiedenen Führungsfunktionen nicht nur den Weg des Instituts auf diesem Gebiet maßgeblich mitgestaltet. Seine Leistungen in der Montage- und Handhabungstechnik haben auch die industrielle Produktion in der Bundesrepublik nachhaltig verändert. „Prof. Schraft hat die Werkstück-Handhabung aus dem Keller in die Fabrikhallen geholt. Er hat wesentlich dazu beigetragen, sie auf eine vernüftige Basis zu stellen, sie zu automatisieren und auf sinnvolle Weise in die Fertigung zu integrieren“, würdigt Prof. Dr.-Ing. Wilhelm Dangelmaier die für ihn weitreichendste Leistung Schrafts. „Damit haben sich auf breiter Front die Produktionszeiten um ein Vielfaches verkürzt“, erklärt er. Dangelmeier war lange Jahre am IPA tätig, zuletzt auf Institutsleitungsebene, und hat heute den Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik an der Universität Paderborn inne. Sein Spezialgebiet sind Computer Integrated Manufacturing Systems (CIM).
Prof. Schrafts Arbeit findet nicht nur national, sondern auch international große Anerkennung. So erhielt er 1986 den „ASEA Robotics Award“, 1990 den „JIRA Award“ der Japan Industrial Robot Association und wurde 1992 mit dem „Joseph F. Engelberger Award“ der Robotics Industries Association, Ann Arbor, USA, ausgezeichnet. Letzterer ist nach dem Robotik-Pionier Joseph. F. Engelberger benannt, der 1959 gemeinsam mit George C. Devon den ersten funktionsfähigen Prototypen eines Industrieroboters baute. Später war Engelberger einer der Ersten, die Robotern zu völlig neuen Einsatzgebieten jenseits der Fertigung verhalfen. Ob in der Medizin, bei der Gebäudereinigung oder bei gefährlichen Wartungs- oder Rettungseinsätzen: auch außerhalb von Fabrikhallen sind Roboter heute auf dem besten Wege, zu einem alltäglichen Anblick zu werden. Selbst der „Personal Robot“ ist mittlerweile keine reine Zukunftsmusik mehr.
In Deutschland haben Prof. Schraft und das Fraunhofer IPA eine Schrittmacherfunktion in Sachen Serviceroboter übernommen. Am Institut entstanden bereits seit Anfang der 90er Jahre Machbarkeitsstudien und Prototypen für die unterschiedlichsten Szenarien. 1989 machte der „größte Roboter der Welt“ Furore, den das Fraunhofer IPA gemeinsam mit der AEG, Frankfurt, und dem Baumaschinenhersteller Putzmeister aus Aichtal entwickelte. Als „Skywash“ reinigte er Großflugzeuge. Ebenfalls auf einem Flughafen stellt ein Tankroboter seine Praxistauglichkeit unter Beweis, dessen Vorläufer auf eine Kooperation das Fraunhofer IPA mit Mercedes-Benz, BMW, Reis Robotics zurückgeht. Er befüllt auf dem Münchner Flughafen wasserstoffbetriebene Vorfeld-Fahrzeuge. Aktuelle Forschungsarbeiten des IPA beschäftigen sich mit Robotern für den Haushalt oder den Einsatz in der Medizin.
Doch das Ende der Fahnenstange ist hiermit für Schraft noch längst nicht erreicht: „Auch die Serviceroboter sind nur Vorboten. Sie bereiten den Weg für alltägliche Hilfsmittel, die in weite Teile unseres Lebens eingreifen werden“, prophezeit er. Dabei denkt der Ingenieur Schraft jedoch nicht allein an Maschinen im bisherigen Sinn. Künftige Automaten könnten auch biologischer oder chemischer Art sein – oder Wirkungsprinzipien ganz unterschiedlicher Natur in sich vereinen. Die Voraussetzung dafür ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit: nicht nur von Ingenieuren, Mathematikern und Physikern, wie sie bei der Roboterentwicklung bereits gang und gäbe ist, sondern weit darüber hinaus.
Lebenslauf
1942 in Stuttgart geboren, kam Prof. Dr.-Ing. Dr. h. c. mult. Rolf Dieter Schraft nach dem Studium der Fertigungstechnik an der Universität Stuttgart 1969 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA, Stuttgart, das zu diesem Zeitpunkt von Prof. Carl Martin Dolezalek geleitet wurde.
Als 1971 Prof. Dr.-Ing. Hans-Jürgen Warnecke die Leitung des IPA übernahm, wurde Prof. Schraft Gruppenleiter für den Bereich Handhabungssysteme. Zwei Jahre später promovierte er mit dem Thema „Systematisches Auswählen und Konzipieren von programmierbaren Handhabungsgeräten“. Im selben Jahre wurde er zum stellvertretenden Institutsleiter bestimmt.
Seit 1977 lehrt Prof. Schraft an der Universität Stuttgart, seit 1981 außerdem an der Universität Dortmund. Nach dem Wechsel von Warnecke als Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft nach München wurde Schraft 1993 Institutsleiter.
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