Chemische Reaktionen ganz ohne Abfall
Mechanisch getriebene Reaktionen laufen komplett ohne Lösungsmittel ab. Dieses nachhaltige Verfahren soll nun marktreif werden.
Würden Reaktionen für die chemische Industrie ohne Lösungsmittel stattfinden, könnte man eine enorme Menge an umweltschädlichen oder gar giftigen Abfällen sparen. Prof. Dr. Lars Borchardt hat gezeigt, wie das geht: Er realisiert mit seinem Team mechanisch getriebene Reaktionen in katalytisch beschichteten Kugelmühlen. Um diese sogenannte direkte Mechanokatalyse marktfähig zu machen, muss sie in großem Maßstab und kontinuierlich funktionieren. Für seine Arbeiten daran erhält der Chemiker der Ruhr-Universität Bochum einen Proof of Concept Grant des Europäischen Forschungsrats ERC. Das Projekt namens „MechanoExtrusion“ wird für 18 Monate mit 150.000 Euro gefördert.
Kein Tropfen Lösungsmittel
Die Chemie produziert unglaubliche Mengen an Abfall. Den Großteil davon machen Lösungsmittel aus, viele davon umweltschädlich oder gar giftig. Die Arbeitsgruppe von Lars Borchardt entwickelt Synthesekonzepte, die nicht nur den Lösungsmitteleinsatz verringern, sondern gänzlich darauf verzichten. „Das Konzept heißt Mechanochemie und basiert darauf, dass man Reaktionen in Kugelmühlen durchführt – lösungsmittelfrei, einzig dadurch, dass Kugeln aufeinanderprallen, dabei mechanische Energie an die festen Reaktanden übergeben und diese so in Reaktion bringen“, erklärt der Forscher. „Kein Tropfen Lösungsmittel ist dazu notwendig, das ganze also grün und nachhaltig.“
In den vergangenen Jahren ist das Team noch einen Schritt weiter gegangen und hat Kugeln und Mahlbehälter mit katalytisch aktiven Komponenten beschichtet. Dadurch muss man keine Katalysatorpulver oder molekularen Katalysatorverbindungen mehr hinzugeben. „Diese Komponenten sind nur schwer wieder abzutrennen und wiederzuverwenden“, erläutert Borchardt. Stattdessen dienen die Mahlwerkzeuge selbst als katalytisch aktive Komponenten.
Start-up soll Forschung in die Anwendung bringen
Dieses besonders nachhaltige Verfahren nennen die Forschenden direkte Mechanokatalyse. Aktuell funktioniert es im Labormaßstab. Um industriell einsetzbar zu sein, muss es in größerem Maßstab und kontinuierlich ablaufen. „Ziel ist es also, dass man kontinuierlich Reaktanden in einen Reaktor füllt, und darin ebenso kontinuierlich das gewünscht Produkt entsteht“, so Lars Borchardt.
In seinem Proof-of-Concept-Projekt steht dabei die sogenannte Suzuki-Kupplung im Fokus, eine der wichtigsten Reaktionen der pharmazeutischen Chemie. Sie soll in sogenannten Extrudern ablaufen: einer Art Fleischwolf, der kontinuierlich befüllt werden kann und das gewünschte Produkt auswirft. Ziel ist es, die direkte Mechanokatalyse von der Forschung in die Anwendung zu überführen. Damit sollen die Rahmenbedingungen für ein Start-up geschaffen werden.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Lars Borchardt
Lehrstuhl Anorganische Chemie I
Fakultät für Chemie und Biochemie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 29431
E-Mail: lars.borchardt@ruhr-uni-bochum.de
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Verfahrenstechnologie
Dieses Fachgebiet umfasst wissenschaftliche Verfahren zur Änderung von Stoffeigenschaften (Zerkleinern, Kühlen, etc.), Stoffzusammensetzungen (Filtration, Destillation, etc.) und Stoffarten (Oxidation, Hydrierung, etc.).
Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Trenntechnologie, Lasertechnologie, Messtechnik, Robotertechnik, Prüftechnik, Beschichtungsverfahren und Analyseverfahren.
Neueste Beiträge
Spitzenforschung in der Bioprozesstechnik
Das IMC Krems University of Applied Sciences (IMC Krems) hat sich im Bereich Bioprocess Engineering (Bioprozess- oder Prozesstechnik) als Institution mit herausragender Expertise im Bereich Fermentationstechnologie etabliert. Unter der Leitung…
Datensammler am Meeresgrund
Neuer Messknoten vor Boknis Eck wurde heute installiert. In der Eckernförder Bucht, knapp zwei Kilometer vor der Küste, befindet sich eine der ältesten marinen Zeitserienstationen weltweit: Boknis Eck. Seit 1957…
Rotorblätter für Mega-Windkraftanlagen optimiert
Ein internationales Forschungsteam an der Fachhochschule (FH) Kiel hat die aerodynamischen Profile von Rotorblättern von Mega-Windkraftanlagen optimiert. Hierfür analysierte das Team den Übergangsbereich von Rotorblättern direkt an der Rotornabe, der…