Glasoberflächen schnell und flexibel gestalten
Ein erstes Beispiel für den erfolgreichen Einsatz des neuen Verfahrens ist in Norderstedt zu sehen. Die knapp 300 qm große Isolierglasfassade eines Neubaus wurde doppelseitig mit einem Laser strukturiert. Jedes einzelne Paneel misst etwa 2,80 m x 0,8 m und wiegt um die 150 kg.
Herkömmlich werden zum Aufbringen komplexer Dekore oder vollflächiger Strukturierungen auf großformatige Architekturgläser zeitaufwändige und häufig sogar gesundheitsschädliche Veredlungsverfahren eingesetzt. So verwendet man für das Bearbeiten mittels nasschemischem Ätzen hochgiftige Flusssäure. Beim Sandstrahlen sind je nach gewünschtem Mattierungsgrad mehrere Arbeitsgänge notwendig. Bei allen Verfahren bedarf es vor der Bearbeitung einer Abdeckung des Werkstückes mit einer nicht wiederverwendbaren Maske und ein abschließender Reinigungs-schritt ist zwingend notwendig.
Das im Rahmen eines gemeinschaftlichen Forschungsprojektes vom LZH und der Cerion GmbH entwickelte Laserverfahren stellt den industriellen Glasverarbeitern eine wirtschaftliche und wesentlich flexiblere Bearbeitungsmöglichkeit zur Verfügung. Das Strukturieren des Glases übernimmt ein gepulster CO2-Laser, der mit Infrarotstrahlung der Wellenlänge 10,6 µm arbeitet. Der fokussierte Strahl erreicht hohe lokale Intensitäten und verdampft punktgenau oberflächennahes Glasmaterial. So entstehen periodische Mikrostrukturen.
Die Entwickler der Gruppe Glas (Abteilung Technologien für Nicht-Metalle) am LZH haben sich eines bereits aus der Metallbearbeitung bekannten Aufbaus bedient und ihn für die Verwendung auf Glas angepasst: Um jede beliebige Geometrie abbilden zu können, lenkt ein Scanner die Laserstrahlung über einen Spiegel auf das Material. Dies ermöglicht Glasstrukturierungen in einem sehr hohen Bearbeitungstempo, denn bereits kleine Änderungen des Spiegelwinkels verursachen große Wegänderungen. So lassen sich bis zu 5,4 qm/h mit einer Auflösung bis 150 dpi vollflächig bearbeiten. Im Prozess ist der Streugrad kontinuierlich von optisch transparent bis opak einstellbar.
Begleitend zur Prozessentwicklung wurden die mechanischen Eigenschaften der gelaserten Gläser wie Biege- und Impulsfestigkeit untersucht und diese mit Hinblick auf die Anforderungen als statisches Glasbauteil im Bauwesen bestätigt. Basierend auf den detaillierten Parameterstudien am LZH, fertigte die Cerion GmbH aus Minden ein prototypisches Bearbeitungssystem, anhand dessen der Prozess für den industriellen Einsatz optimiert wurde. Diese zum Patent angemeldete Systemtechnik bietet die Cerion GmbH unter dem Markennamen CERILAS seinem internationalen Kundenkreis an. Das Verfahren wird stetig weiterentwickelt und für weitere Anwendungsgebiete optimiert. Beispielhaft sei hier das von Cerion bereits patentierte Verfahren für rutschhemmende Strukturen auf Glasoberflächen zu nennen.
Das beschriebene Laserstrukturieren ist sehr flexibel für konventionelles Fensterglas wie auch für thermisch vorgespanntes Floatglas, auch Einscheibensicherheitsglas genannt, einsetzbar. Sicherheitsgläser sind in vielen Bereichen des Bauwesens vorgeschrieben und werden sowohl im Außen- als auch im Innenbereich verwendet – zum Beispiel bei Glasfassaden, Glastüren und Raumteilern, sowie Designermöbeln.
Finanziell unterstützt wurde das Projekt „Entwicklung von lasergestützten Strukturierprozessen für Glasoberflächen“ durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) über die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke“ e.V. (AiF) im Rahmen der Fördermaßnahme „Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand“ (ZIM).
Kontakt:
Laser Zentrum Hannover e.V. (LZH)
Michael Botts
Hollerithallee 8
D-30419 Hannover Tel.: +49 511 2788-151
Fax: +49 511 2788-100
E-Mail: m.botts@lzh.de
Das Laser Zentrum Hannover e.V. (LZH) ist eine durch Mittel des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr unterstützte Forschungs- und Entwicklungseinrichtung auf dem Gebiet der Lasertechnik.
Media Contact
Weitere Informationen:
http://www.lzh.deAlle Nachrichten aus der Kategorie: Verfahrenstechnologie
Dieses Fachgebiet umfasst wissenschaftliche Verfahren zur Änderung von Stoffeigenschaften (Zerkleinern, Kühlen, etc.), Stoffzusammensetzungen (Filtration, Destillation, etc.) und Stoffarten (Oxidation, Hydrierung, etc.).
Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Trenntechnologie, Lasertechnologie, Messtechnik, Robotertechnik, Prüftechnik, Beschichtungsverfahren und Analyseverfahren.
Neueste Beiträge
Lange angestrebte Messung des exotischen Betazerfalls in Thallium
… hilft bei Zeitskalenbestimmung der Sonnenentstehung. Wie lange hat eigentlich die Bildung unserer Sonne in ihrer stellaren Kinderstube gedauert? Eine internationale Kollaboration von Wissenschaftler*innen ist einer Antwort nun nähergekommen. Ihnen…
Soft Robotics: Keramik mit Feingefühl
Roboter, die Berührungen spüren und Temperaturunterschiede wahrnehmen? Ein unerwartetes Material macht das möglich. Im Empa-Labor für Hochleistungskeramik entwickeln Forschende weiche und intelligente Sensormaterialien auf der Basis von Keramik-Partikeln. Beim Wort…
Klimawandel bedroht wichtige Planktongruppen im Meer
Erwärmung und Versauerung der Ozeane stören die marinen Ökosysteme. Planktische Foraminiferen sind winzige Meeresorganismen und von zentraler Bedeutung für den Kohlenstoffkreislauf der Ozeane. Eine aktuelle Studie des Forschungszentrums CEREGE in…