Kunststoffe nachhaltiger recyceln

Handyhülle per 3D-Druck aus dem recycelten Kunststoff.
Fotos: AG Mecking, Universität Konstanz

Chemiker der Universität Konstanz entwickeln ein Verfahren für ein nachhaltigeres Recycling von polyethylenartigen Kunststoffen

Kunststoffe sind allgegenwärtig, sie zählen zu den verbreitetsten Werkstoffen überhaupt. Eine effiziente Wiederverwertung dieser wichtigen Materialien erfolgt bislang allerdings nur bedingt. Um hierfür neue Lösungen zu bieten, entwickelten Chemiker der Universität Konstanz um Prof. Dr. Stefan Mecking ein nachhaltigeres Verfahren für das chemische Recycling von polyethylenartigen Kunststoffen.

Die Forscher nutzen dabei „Sollbruchstellen“ auf molekularer Ebene, um den Kunststoff in seine molekularen Bestandteile zu zerlegen. Das neue Verfahren kommt ohne extreme Temperaturen aus, ist dadurch energiesparender und hat eine deutlich höhere Rückgewinnungsquote (von rund 96 Prozent des Ausgangsstoffes) als etablierte Verfahren. Die Forschungsergebnisse werden am 17. Februar 2021 im Wissenschaftsjournal Nature veröffentlicht.

Mechanisches Recycling vs. chemisches Recycling

„Einer direkten Wiederverwendung von Kunststoffen steht oft im Wege, dass dieses sogenannte mechanische Recycling in der Praxis nur eingeschränkt funktioniert – weil die Kunststoffe verunreinigt und mit Zusätzen vermischt sind, was die Eigenschaften des rezyklierten Materials verschlechtert“, schildert Stefan Mecking. Eine Alternative ist „chemisches Recycling“: Darin wird der gebrauchte Kunststoff durch ein chemisches Verfahren in seine molekularen Grundbausteine zurückgebaut. Aus diesen kann dann wieder ein neuer Kunststoff synthetisiert werden.

Hürden des chemischen Recyclings von Polyethylen

Speziell im Fall von Polyethylen – dem am meisten verwendeten Kunststoff – ist chemisches Recycling jedoch aufwändig. Kunststoffe bestehen auf molekularer Ebene aus langen Molekülketten. „Die Polymerketten von Polyethylenen sind sehr stabil und nicht so leicht wieder in kleine Moleküle zurückzuführen“, erläutert Stefan Mecking. So sind Temperaturen von über 600 Grad Celsius erforderlich, was das Verfahren energieaufwändig macht. Zugleich ist die Rückgewinnungsquote begrenzt (teils weniger als zehn Prozent des Ausgangsstoffes).

Wie chemisches Recycling von Polyethylen nachhaltiger werden kann

Stefan Mecking und sein Team berichten nun über ein Verfahren, mit dem polyethylenartige Kunststoffe sehr viel energiesparender und mit einer hohen Rückgewinnungsquote von rund 96 Prozent des Ausgangsstoffes chemisch rezykliert werden können. Die Chemiker nutzen hierfür „Sollbruchstellen“ auf molekularer Ebene, welche ein Auftrennen der Polymerkette in kleinere molekulare Bausteine ermöglichen. „Der Schlüssel für unser Verfahren sind Kunststoffe mit einer geringen Dichte an Sollbruchstellen in der Polyethylenkette, so dass die kristalline Struktur und die Materialeigenschaften nicht beeinträchtigt werden“, erläutert Stefan Mecking und ergänzt: „Diese Klasse von Kunststoffen ist ferner gut für den 3D-Druck geeignet.“

Das Forschungsteam um Stefan Mecking demonstrierte das chemische Recycling-Verfahren an polyethylenartigen Kunststoffen auf Pflanzenölbasis. Für das Verfahren sind lediglich Temperaturen von rund 120 Grad nötig. Die Chemiker zeigten zudem auch das chemische Recycling aus Gemischen mit anderen Kunststoffen, wie sie in Abfallströmen vorkommen. Die wiedergewonnen Materialien sind in ihren Eigenschaften dem Ausgangsmaterial ebenbürtig, schildert Stefan Mecking. „Die Recyclingfähigkeit ist ein wichtiger Aspekt von Zukunftstechnologien auf Kunststoffbasis. Es ist sehr sinnvoll, solch wertvolle Materialien möglichst effizient wiederzuverwenden. Mit unserer Forschung möchten wir einen Beitrag leisten, um chemische Recyclingverfahren bei Kunststoffen nachhaltiger und ergiebiger zu gestalten“, resümiert Stefan Mecking.

Faktenübersicht:
• Originalpublikation: Manuel Häußler, Marcel Eck, Dario Rothauer & Stefan Mecking: Closed-Loop Recycling of Polyethylene-Like Materials. Nature 2021
doi: 10.1038/s41586-020-03149-9
• Chemiker der Universität Konstanz unter Leitung von Prof. Dr. Stefan Mecking entwickeln neues, nachhaltigeres Verfahren zum chemischen Recycling von polyethylenartigen Kunststoffen.
• „Sollbruchstellen“ auf molekularer Ebene werden genutzt, um die Molekülketten des Polyethylens aufzutrennen und in die molekularen Grundbausteine zurückzubauen.
• Durch das neue chemische Recyclingverfahren können rund 96 Prozent des Ausgangsstoffes zurückgewonnen werden. Das Verfahren erfordert lediglich Temperaturen um 120 Grad und ist dadurch energieeffizienter als etablierte Methoden des chemischen Recyclings von Polyethylenen.
• Die Forschung wurde gefördert durch den Europäischen Forschungsrat (European Research Council, ERC) im Rahmen eines ERC Advanced Grant.

Hinweis an die Redaktionen:
Fotos können im Folgenden heruntergeladen werden:
1. https://cms.uni-konstanz.de/fileadmin/pi/fileserver/2021/Mecking/kunststoffe_dru…
2. https://cms.uni-konstanz.de/fileadmin/pi/fileserver/2021/Mecking/kunststoffe_geb…
3. https://cms.uni-konstanz.de/fileadmin/pi/fileserver/2021/Mecking/kunststoffe_rue…

Bildunterschrift: Handyhülle per 3D-Druck aus dem recycelten Kunststoff.
Fotos: AG Mecking, Universität Konstanz

Kontakt:
Universität Konstanz
Kommunikation und Marketing
Telefon: + 49 7531 88-3603
E-Mail: kum@uni-konstanz.de

http://www.uni-konstanz.de

Media Contact

Universität Konstanz Stabsstelle Kommunikation und Marketing

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Verfahrenstechnologie

Dieses Fachgebiet umfasst wissenschaftliche Verfahren zur Änderung von Stoffeigenschaften (Zerkleinern, Kühlen, etc.), Stoffzusammensetzungen (Filtration, Destillation, etc.) und Stoffarten (Oxidation, Hydrierung, etc.).

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Trenntechnologie, Lasertechnologie, Messtechnik, Robotertechnik, Prüftechnik, Beschichtungsverfahren und Analyseverfahren.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Größte bisher bekannte magnetische Anisotropie eines Moleküls gemessen

An der Berliner Synchrotronstrahlungsquelle BESSY II ist es gelungen, die größte magnetische Anisotropie eines einzelnen Moleküls zu bestimmen, die jemals experimentell gemessen wurde. Je größer diese Anisotropie ist, desto besser…

Tsunami-Frühwarnsystem im Indischen Ozean

20 Jahre nach der Tsunami-Katastrophe… Dank des unter Federführung des GFZ von 2005 bis 2008 entwickelten Frühwarnsystems GITEWS ist heute nicht nur der Indische Ozean besser auf solche Naturgefahren vorbereitet….

Resistente Bakterien in der Ostsee

Greifswalder Publikation in npj Clean Water. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Instituts für One Health (HIOH) hat die Verbreitung und Eigenschaften von antibiotikaresistenten Bakterien in der Ostsee untersucht. Die Ergebnisse ihrer Arbeit…