Neues Verfahren zur berührungslosen Messung von elektrischer Leitfähigkeit und Emissionsgrad
Thermografieaufnahmen
Durch die Kombination von 3D-Messung und Thermografiepanorama unter identischen Blickwinkeln ist eine Rekonstruktion des Emissionswinkels möglich. Hierdurch kann die elektrische Leitfähigkeit der abgebildeten Oberfläche bestimmt werden, was wiederum Rückschlüsse auf den Emissionsgrad erlaubt.
„Wärmebilder“ sind allen geläufig, die Thermografie konnte sich als weit verbreitete Methode etablieren: Mit einer speziellen Infrarotkamera wird ein Bild oder Video eines Gegenstandes aufgenommen, das die Temperaturverteilung auf dessen Oberfläche zeigt. In der Bauphysik lassen sich so Baumängel oder Schäden wie z.B. undichte Fenster, Feuchtigkeitseinlagerung im Mauerwerk oder defekte Dämmung aufzeigen.
In der Industrie werden zerstörungsfreie Qualitätskontrollen durchgeführt, da man die Beschaffenheit im Inneren eines Bauteils prüfen kann, ohne es öffnen oder zerlegen zu müssen. Auch für den Umweltschutz bietet die Thermografie große Vorteile, da sich mit ihr z.B. das Waldsterben beobachten lässt, Waldbrände früher erkennbar sind oder Energieverluste identifiziert werden können, deren Behebung wiederum den CO2-Ausstoß verringert und so das Klima schont.
Die gemessene Oberflächentemperatur hängt jedoch hauptsächlich vom so genannten Emissionsgrad ab, der Werte zwischen 0 und 1 annehmen kann (der Emissionsgrad ist materialabhängig und gibt an, wieviel Strahlung die Oberfläche abgibt): Wird z.B. mit einer Thermografiekamera eine 100°C heiße Oberfläche gemessen, deren Emissionsgrad 0,9 beträgt, zeigt die Kamera die Oberfläche mit 90°C an (Oberflächentemperatur mal Emissionsgrad).
Hohe Emissionsgrade findet man bei elektrisch nichtleitenden Oberflächen (Isolatoren), wie z.B. Stein, Beton, Putz, Holz, Glas oder Farben, weshalb die Thermografie nahezu problemlos in der Bauphysik eingesetzt werden kann. Elektrisch leitende Oberflächen (Stahl, Aluminium, Kupfer etc.) hingegen haben einen niedrigen Emissionsgrad von 0,2 oder sogar darunter. Wird wiederum eine 100°C heiße Metalloberfläche mit einem Emissionsgrad von 0,2 thermografisch abgebildet, so ist die Oberfläche laut Thermografie lediglich 20°C warm. Man müsste also die gemessenen 20°C mit dem Faktor 5 multiplizieren [maximaler Emissionsgrad (1) geteilt durch tatsächlichen Emissionsgrad (0,2) = 5], um auf die tatsächliche Oberflächentemperatur von 100°C zu kommen; hierfür muss der Emissionsgrad der gemessenen Oberfläche jedoch bekannt sein.
Dieses Problem wird z.B. dadurch gelöst, dass man, zusätzlich zur Thermografieaufnahme, ein Farbfoto des Objekts aufnimmt und den Emissionsgrad durch die Bestimmung des Oberflächenmaterials eingrenzt. Ist die Oberfläche z.B. lackiert, kann ein hoher Emissionsgrad angenommen werden, da Farben und Lacke zu den elektrischen Isolatoren gehören. Zeigt sie hingegen einen metallischen Glanz, handelt es sich vermutlich um einen elektrischen Leiter. In Emissionsgrad-Tabellen sind diese Werte hinterlegt und können nachgeschlagen werden.
Berührungslose Bestimmung der Leitfähigkeit: FHWS-Labor setzt neues Verfahren ein
Im Labor für Ingenieur- und Industrievermessung des Studienbereichs Geo der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt (FHWS) wird derzeit ein neues Verfahren erforscht, mit dem sich die elektrische Leitfähigkeit von Oberflächen berührungslos bestimmen lässt und somit der Emissionsgrad genauer ermittelt werden kann. Hierfür wurde in einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) geförderten Forschungsprojekt der „ThermoHead“ entwickelt, ein Gerät, das geometrisch kalibrierte und hochaufgelöste 360°x180° Thermografiepanoramen aufnimmt. Zusätzlich zum Thermografiepanorama wird mit einem beliebigen terrestrischen 3D-Laserscanner eine dreidimensionale Abbildung der Umgebung angefertigt. Der ThermoHead ermöglicht es erstmals, dass Thermografiepanorama und 3D-Aufnahme vom exakt gleichen Standpunkt aus durchgeführt werden können. Aus dem 3D-Datensatz (3D-Punktwolke) lässt sich die aufgenommene Umgebung modellieren; da der Blickwinkel beider Aufnahmen identisch ist, kann nun erstmals der Emissionswinkel rekonstruiert werden, unter dem die Thermografiekamera die Oberfläche abgebildet hat.
Für das weitere Vorgehen wird das 3D-Modell passgenau mit den Thermografieinformationen überlagert. Man erkennt bereits in der Abbildung, dass die beiden schwarz lackierten Oberflächen eine höhere Temperatur anzeigen (rot) als die metallischen (blau), obwohl das Rohr eine einheitliche Temperatur von 55°C besitzt. Analysiert man nun den Temperaturverlauf zu hohen Emissionswinkeln hin, sprich zum Rande des Rohrs, zeigt die elektrisch leitende Oberfläche einen Intensitätsanstieg, während beim Nichtleiter ein Intensitätsabfall erkennbar ist (markiert durch die Pfeile).
Das neue Verfahren wurde speziell für die energetische Inventarisierung von Industrieanlagen entwickelt, da dort häufig metallische Oberflächen und Rohrleitungen vorliegen. Durch den runden Verlauf der Rohre liegt bei jeder Aufnahme ein Winkelbereich von 0° bis 90° vor, weshalb alle für die Messung benötigten Emissionswinkel vorhanden sind. Auch das berührungslose Auffinden von Oxidationen ist möglich, da Metalle bei der Oxidation zu Isolatoren werden und sich somit der Emissionsgrad erhöht. Die Datensätze können über einen beliebigen Webbrowser auf nahezu allen Smartphones, Tablets oder PCs ohne Drittsoftware analysiert werden; Beispiele finden sich im Anhang „Zum Hintergrund“.
Zum Hintergrund:
Die FHWS und das Unternehmen Dr. Clauß Bild- und Datentechnik GmbH (CLAUSS) arbeiten aktuell in dem gemeinsamen Forschungsprojekt „ThermoHead“ an einer Methode, um Energieverluste digital identifizieren und auswerten zu können. Hierfür werden Aufnahmen für die virtuelle Stereophotogrammetrie mit Thermografiepanoramen kombiniert – dies erlaubt die Bestimmung der Abstrahloberfläche sowie der Oberflächentemperatur. Ein entsprechendes System soll ab Mitte 2021 von CLAUSS vertrieben werden, wodurch ein großflächiger Einsatz möglich wird.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Hochschule Würzburg-Schweinfurt
Dr. rer. nat. Dipl.-Ing. Univ. Sebastian Fiedler
Studienbereich Geo
Projektleitung: eDIan & ThermoHead
Dekanat FKV
Röntgenring 8
97070 Würzburg
+49 931 3511-8365
Sebastian.Fiedler@fhws.de
Weitere Informationen:
Weiterführende Informationen zum Verfahren:
https://arxiv.org/abs/2012.11332
Beispiel 3D-Thermografie: https://gis.fhws.de/edian/measurements/HKW/
Beispiel RGB-Panorama + Thermografie:
https://gis.fhws.de/edian/Measurements/DT360/tour.html
Beispiel für metallische Rohrleitungen in Industrieanlagen:
https://gis.fhws.de/edian/measurements/WFI_metal/tour.html
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