Das Andockprinzip
Die Fakten sprechen für sich. Im Jahr 2007 wurde bereits die Menge an Waren transportiert, die erst für das Jahr 2015 prognostiziert worden ist. Und bis zum Jahre 2015 wird sich der Containerumschlag in den deutschen Nordseehäfen nach Schätzungen vieler Experten im Vergleich zum Jahr 2007 noch verdoppelt haben.
„Damit wird die bestehende Infrastruktur weltweit vor gewaltige Herausforderungen gestellt“, sagt Professor Frank Straube, Leiter des Fachgebietes Logistik am Institut für Technologie und Management der TU Berlin.
„Mit der stetig wachsenden Arbeitsteilung geht einher, dass ein Computer heutzutage rein rechnerisch zweimal die Erde umrundet hat, bevor er den Verbraucher erreicht“, beschreibt Frank Straube die Begleitumstände der Globalisierung. Vor dem Hintergrund, dass die Weltbevölkerung schon bald neun Milliarden Menschen – also neun Milliarden Konsumenten – zählen wird, ginge es darum, weltweite interkontinentale Transportnetzwerke für die verlässliche Beförderung von Waren zu gestalten.
Daran forschen Frank Straube und seine Kollegen. Im Innovationszentrum für Verkehr und Logistik, welches von der Deutsche Bahn AG gefördert wird, suchen sie gemeinsam mit den Akteuren des maritimen Transportnetzwerkes – Häfen, Reedereien, Spediteure, Eisenbahnunternehmen und Händler – nach Lösungen, wie die bestehende Infrastruktur effizienter genutzt werden kann. „Besonders Engpässe bei den Stell- und Krankapazitäten an der Schnittstelle zwischen Seehäfen und deren Hinterlandregionen müssen überwunden werden“, sagt Roman Grig, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Innovationszentrum.
Ein vielversprechender Ansatz, um Kapazitätsengpässe zu vermeiden, ist ein früherer Austausch von Informationen entlang der gesamten Transportkette. Dieser Ansatz ist jedoch wegen der Komplexität der Wege und der Vielzahl der Akteure mit ihren unterschiedlichen Interessen nicht immer leicht zu vermitteln. Erste Untersuchungen zeigen allerdings: Je früher die Informationen ausgetauscht werden – also noch vor Ankunft des Schiffes – desto verlässlicher kann die Transportkette organisiert werden.
Oftmals entscheidet ein Händler erst nach Ankunft des Schiffes im Hafen – also sehr spät – in welche Region die Ware verschickt werden soll. „Ideal wäre es, wenn die Informationen über das Ziel eines Containers und auf welchem Wege er dorthin gelangen soll, rechtzeitig vorlägen, um den Transport besser planen zu können“, sagt Roman Grig. Immer noch kommt es zu langen Liegezeiten der Container in den Häfen, die doch eigentlich ein Umschlag- und kein Lagerplatz sein sollten.
Bunt gewürfelt gehen die Container per Shuttlezug vom Überseehafen Rotterdam zum Binnenhafen in Duisburg
„In Zukunft wird die Bedeutung von Binnenhäfen wachsen, vor allem wird die trimodale Anbindung eines Binnenhafens – also sowohl an Binnenwasserstraßen als auch an das Straßennetz und die Schiene – an Bedeutung gewinnen“, prognostizieren Frank Straube und Roman Grig. Dann wird es für eine bestimmte Containermenge nicht mehr nötig sein, Container im Überseehafen nach ihrem Zielort zu sortieren. Sie könnten „bunt gewürfelt“ mit hochfrequenten Shuttlezügen zu den wenigen leistungsstarken Drehscheiben im Hinterland gebracht und von dort aus verteilt werden. Solche Satellitenbinnenhäfen würden sozusagen mittels Bahn und Binnenschiff an die großen Überseehäfen angedockt und trügen dazu bei, sowohl die Seehäfen zu entlasten als auch die Autobahnen. Der Binnenhafen in Duisburg zum Beispiel funktioniert nach diesem Prinzip und ist mit dem Überseehafen Rotterdam durch Shuttlezüge verbunden.
„Jüngste Untersuchungen belegen, dass die Kunden zunehmend auf Zuverlässigkeit bei der Zustellung setzen, weniger auf unbedingte Schnelligkeit“, erläutert Frank Straube. Daher sei es unabdingbar für die künftige maritime Transportlogistik, die Informationstechnik aller beteiligten Akteure zu vernetzen, so dass bereits vor dem Löschen einer Schiffsladung deren Weitertransport geplant werden kann.
„Darüber hinaus müssen die Arbeitszeiten angepasst werden“, erklären die Wissenschaftler. Wenn etwa die Lagerwirtschaft des Handels und der Industrie fünf Tage in der Woche von 6 bis 18 Uhr arbeitet, die Häfen jedoch rund um die Uhr an sieben Tagen der Woche Ware umschlagen, dann sind Engpässe programmiert. Auch die Lösung dieses Problems gehört zum ganzheitlichen Ansatz, Seehäfen und Hinterlandregion klug zu vernetzen, um die wachsenden Warenströme beherrschen zu können – und zwar weltweit.
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Weitere Informationen erteilen Ihnen gern: Prof. Dr. Frank Straube, Institut für Technologie und Management der TU Berlin, Fachgebiet Logistik, Straße des 17. Juni 135, 10623 Berlin, Tel.: 030/314-22877, Fax: -29536, E-Mail: sekretariat@logistik.tu-berlin.de, und Dipl.-Ing. Roman Grig,
Tel.: -24568, Fax: -25992, E-Mail: grig@logistik.tu-berlin.de
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