Frisches Geld zur Finanzierung eines neuen, überzogenen Straßenbaubooms?
Mitte dieser Woche hat die vom Bundesverkehrsministerium eingesetzte Expertenkommission unter dem Vorsitz des ehemaligen Bundesbahn-Vorstandsmitglieds Dr.-Ing. Wilhelm Pällmann ihren Bericht zur Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur vorgelegt. Sie schlägt die Einführung von Straßenbenutzungsgebühren für Lkw und Pkw zur Finanzierung des Straßenbaus und zur Erhaltung der Straßensubstanz vor. Zugleich plädiert sie für die Rückgliederung der Verantwortung für die Schienenstrecken in die Kompetenz einer bundeseigenen Gesellschaft.
Der Lkw-Verkehr ist in hohem Maße für die Straßenschäden verantwortlich, außerdem wird in vielen Fällen der Straßenneubau und die Verbreiterung von Bundesautobahnen mit dem hohen Schwerverkehrsanteil begründet. Insofern sollte der Lkw-Verkehr – und auch die ausländischen Lkw mit dem Anteil, wie sie die überörtlichen Straßen nutzen – über die fahrleistungsabhängige Straßennutzungsgebühr stärker zur Finanzierung der Straßeninfrastruktur herangezogen werden. Im Sinne einer Lenkungsfunktion sollte die Höhe der Gebühr allerdings so bemessen sein, dass es zukünftig attraktiver wird, die Schiene auf der langen Strecke für die Güter zu nutzen.
Beim Pkw-Verkehr teilt das Öko-Institut e.V. die Empfehlung der Kommission nicht. Auch der Pkw-Verkehr sollte prinzipiell fahrleistungsabhängig mit einer Lenkungsabgabe belegt werden, die das Verkehrswachstum auf stadt- und umweltverträglichere Verkehrsmittel lenkt. Eine Vignettenlösung, wie für eine Übergangszeit vorgeschlagen, erfüllt diese Anforderung nicht. Stattdessen sollte die schrittweise Mineralölsteuererhöhung beibehalten werden, zumal die letzten Schritte der Mineralölsteuererhöhung und die aus anderen Gründen erfolgte Benzinpreissteigerung der letzten Wochen erste zielführende Erfolge aufweisen: Bei Neuanschaffungen wird zunehmend der Kraftstoffverbrauch und die Motorisierung der Pkw in die Kaufentscheidung einbezogen.
Überhaupt muss hinterfragt werden, wozu die erwarteten Finanzmittel verwendet werden. Der riesige Fehlbedarf im Straßenbau kommt vor allem dadurch zustande, weil damit ein überzogener Straßenneubau bedient werden soll, der derzeit ins Stocken geraten ist. Der letzte Bundesfernstraßenausbauplan sah einen Neubaubedarf von 2.237 km Autobahn alleine im vordringlichen Bedarf vor. Das sind mehr als 20 % Netzzuwachs gegenüber dem Stand Anfang 1991. Weitere 7.080 km neue Bundesstraßen sollten nach diesen Plänen zugebaut werden.
Auch für die aktuell geplante Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplanes werden völlig überzogene Vorstellungen von den Bundesländern verfolgt: Alleine Baden-Württemberg möchte für die Fortschreibung 422 neue Straßenbauprojekte zur Finanzierung anmelden. Bereits Anfang diesen Jahres hat der wissenschaftliche Beirat des Bundesverkehrsministeriums in einem Bericht gefordert, dass Einnahmen aus Straßenbenutzungsgebühren für Pkw und Lkw in Höhe von 14,5 Mrd. DM jährlich zweckgebunden dem Straßenbau zufließen und die Autofahrer dafür von einem Teil der Mineralölsteuer entlastet werden sollten.
Dabei muss allen Beteiligten klar sein, dass mit neuem Straßenbau der Autoverkehr nicht zu bewältigen ist.
„Wer Straßenbau säht, wird Autoverkehr ernten“, diese Weisheit sollte mittlerweile auch bei der rot-grünen Bundesregierung zur Kenntnis genommen werden.
Alleine die massive Unterstützung alternativer Verkehrsmittel und die Umsetzung verkehrsvermeidender Strategien wird in der Lage sein, Autoverkehr in erträglichen Bahnen zu kanalisieren und umzulenken.
Mehr Verständnis als für die Vorschläge beim Pkw-Verkehr hat das Öko-Institut e.V. gegenüber den Vorschlägen der Pällmann – Kommission zur Bahn. Nachdem bereits das Kartellamt die Deutsche Bahn AG wegen ihrer diskriminierenden Praxis bei der Vergabe von Nutzungs-rechten gegenüber privaten Eisenbahnunternehmen gerügt hat, erscheint eine Überführung der DB Netz AG in eine Bundesgesellschaft gerechtfertigt. Damit wird der diskriminierungsfreie Zugang aller Mitbewerber zum Schienennetz gewährleistet und allen gleiche Kosten auferlegt. Privatisierung der Eisenbahn und staatliche Kontrolle des Schienennetzes werden im Bahnmusterland Schweiz nicht als Widerspruch oder Sicherheitsrisiko gesehen. Das Gegenargument der Deutschen Bahn AG, Betrieb und Infrastruktur als „technologische Einheit“ anzusehen, kann nicht so ernst gemeint sein, wenn die Bahn gleichzeitig mehrere tausend Kilometer „unrentable“ Schienenstrecken verkaufen möchte. Voraussetzung für das Funktionieren der technologischen Weiterentwicklung zwischen privaten Eisenbahnunternehmen und staatlicher Netzaufsicht ist allerdings die kontinuierliche Kommunikation und Abstimmung zwischen allen Beteiligten. Hier muss die Deutsche Bahn AG allerdings noch einige Defizite bewältigen.
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