Entwicklung mit Gefühl

Emotionen im Straßenverkehr – als erster Autohersteller eröffnet DaimlerChrysler dazu ein Forschungszentrum
Autofahrer erfühlen, was Ingenieure konstruieren

Die eigene Gefühlswelt zu analysieren ist oft schon schwierig genug. Persönliche Empfindungen von Autofahrern zu bewerten, sie sogar als technisch nutzbare Daten zu erfassen, dieses ehrgeizige Ziel hat sich die DaimlerChrysler-Forschung gesetzt. Im neuen Customer Research Center im Werk Berlin Marienfelde wollen die Wissenschaftler subjektive Beurteilungen von Autofahrern – was sie sehen, was sie hören, was sie fühlen – aufnehmen, untersuchen und in Kennzahlen ausdrücken. Diese Daten sollen Ingenieure künftig als Grundlage dienen, um Fahrzeuge zu entwickeln, die einen hochwertigen Eindruck vermitteln, und in denen die Kunden – entlastet von störenden Empfindungen – angenehmer und sicherer fahren.

Vom ehemaligen Fuhrpark zum Hightech-Labor

Jedes Auto spricht – neben der reinen Funktionalität – auch die Gefühle des Fahrers und der Insassen an. Doch jeder Autofahrer nimmt ein Fahrzeug unterschiedlich wahr: Was der eine als Spitzenqualität empfindet, ist für den anderen bestenfalls eine Minimalausstattung. Wie dieser persönliche Eindruck zustande kommt und wie Autofahrer – bewusst oder unbewusst – auf Reize vom Fahrzeug und von anderen Verkehrsteilnehmern reagieren, wird jetzt im neuen DaimlerChrysler-Forschungszentrum gemeinsam mit Kunden untersucht.

Für das 16-köpfige Team aus Psychologen und Ingenieuren wurde ein altes Industriegebäude, ehemals eine Fuhrparkhalle, zu einer modernen Laborlandschaft umgestaltet. Hinter der roten Ziegelsteinfassade entstanden in knapp einem Jahr drei große Abteilungen: Im Erdgeschoss befindet sich das Fahrzeugstudio – hier wird untersucht, welche Bestandteile von Karosserie und Innenausstattung den Autofahrer vom Verkehr ablenken. In der ersten Etage haben die Forscher ihre Labors für optische, akustische und gefühlte Sinnesreize eingerichtet. Gezieltes Hören, Sehen und Fühlen gehören hier zum Alltag. Es wird ermittelt, welcher Schalterklick für Testpersonen passend klingt oder welcher Sitzbezug sich am angenehmsten anfühlt. Nebenan sind die beiden Labore für Telematiksysteme und elektronische Dienste. Dort beobachten die Forscher, wie Autofahrer reagieren, wenn sie ein neues Serviceangebot im Fahrzeug nutzen. Hierfür stehen auch fünf Forschungsfahrzeuge der Mercedes-Benz E-Klasse bereit.

Forschung an Schalterklick und Reflexionen

Von Telematikdiensten über Details in der Innenausstattung bis hin zur Getriebetechnik – mit dem neuen Forschungszentrum können die DaimlerChrysler-Forscher eine große Bandbreite an technischen Merkmalen abdecken, die den Autofahrer emotional beeinflussen. Im Fahrzeugstudio untersucht das Team derzeit, wann sich Autofahrer durch Spiegelungen auf der Windschutzscheibe gestört fühlen. In einer Fahrzeug-Attrappe fährt eine Testperson durch eine virtuelle Landschaft, die auf eine Leinwand projiziert wird. Die Ingenieure verändern die Neigung der Windschutzscheibe und die Anordnung der Lüftungslamellen, um die Reflexionen möglichst gering zu halten. Zugleich befragen sie die Testfahrer nach ihren Eindrücken unter verschiedenen Beleuchtungsbedingungen, um das bestmögliche Zusammenspiel von Karosserie und Innenausstattung zu ermitteln.

In den Labors für Akustikuntersuchungen und Tastsinn sollen Versuchspersonen Oberflächen erfühlen – etwa das Relief unterschiedlicher Bedienhebel. Außerdem bewerten sie Geräusche rund ums Auto – von Fahrtwind und Motorbrummen bis zum Schalterklacken. „Auf dem Weg zum umweltverträglichen und sparsamen Auto werden Karosserie und Motoren technisch immer ähnlicher“, erläutert Laborleiter Dr. Götz Renner die Ziele des neuen Labors. „Zukünftig wird die Markendifferenzierung über die Innenausstattung erfolgen – wie etwa über hervorragende Sitzbezüge.“

Ideen von der Straße

Um die Reaktionen der Autofahrer auf neue elektronische Dienstleistungen zu beobachten, nut zen die Forscher zwei unterschiedliche Labore: Die Labors für Telematiksysteme und für elektronische Dienste direkt im Customer Research Center. Hier können Versuchspersonen unter realistischen Bedingungen neue Serviceangebote testen. Daneben gibt es die mobile C-BaSE (Customer Behaviour and Service Engineering) – die Ideenschmiede des Forschungszentrums.

Das Besondere: Anstatt sich am Schreibtisch den Kopf zu zermartern, schicken die Forscher Testpersonen auf die Straße. Die Testpersonen fahren in einer Mercedes-Benz-Limousine mit GPS-Ortung und zwei Kameras. Die eine Kamera beobachtet den Fahrer, die andere blickt auf die Straße. Kommt dem Fahrer spontan eine Idee, kann er sich per Knopfdruck mit den Wissenschaftlern im Labor austauschen und gleichzeitig die Kameras einschalten.

Psychologie für die Technik

Die Ergebnisse der psychologischen Studien dienen den Ingenieuren der DaimlerChrysler-Fahrzeugentwicklung als Arbeitsgrundlage. „Wir legen das Fundament für die Cockpit-Designer, den Karosseriebau und manchmal auch für die Getriebeingenieure“, sagt Dr. Götz Renner. Tatsächlich führen die Akzeptanztests nicht nur zu Verbesserungen der Innenausstattung, sondern auch zur Optimierung von technischen Systemen.

„Im Customer Research Center wird der Kunde selbst zum Forscher.“ Von diesem Ansatz verspricht sich das Team um Dr. Renner wenigstens einem Teil der subjektiven Empfindungen auf die Spur zu kommen, die Autofahrer im Straßenverkehr entwickeln.

Media Contact

Patricia Piekenbrock DaimlerChrysler

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