ÖPNV- und PKW-Nutzung in Bochum
Trotz teurerer Preise und identischer Fahrzeiten nutzen Bochumer lieber das Auto als den ÖPNV.
Die Kosten spielen (noch) keine Rolle
RUB-Studie: ÖPNV- und PKW-Nutzung in Bochum
Gleiche Fahrzeiten, gravierende Preisunterschiede
Wann ist die Schmerzgrenze bei weiter steigenden Benzinpreisen erreicht? In Bochum scheinbar noch lange nicht, denn bei nahezu identischen Fahrzeiten, z. B. zur Arbeit, nutzen Bochumer Bürger lieber das Auto statt den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) – und das, obwohl Strecken mit dem PKW erheblich teurer sind. Das ist das zentrale Ergebnis einer Studie der Arbeitseinheit Kognitions- und Umweltpsychologie (Leitung: Prof. Dr. Rainer Guski, Fakultät für Psychologie der RUB).
Bochumer führten Fahrtenbücher
An der Untersuchung nahmen 212 Bochumer Bürgerinnen und Bürger teil. Einziges Kriterium für die Teilnahme war, dass die Personen einen Führerschein haben und über einen PKW verfügen. In Bezug auf Alter, Familienstand, Einkommen und Ausbildung entsprach dieser Personenkreis in etwa dem Bochumer Durchschnitt, so dass sich die Ergebnisse der Studie zuverlässig auf die gesamte Bochumer Bevölkerung übertragen lassen. Die 212 Personen haben in einem persönlichen Interview Fragen beantwortet und über einen Zeitraum von vier Wochen ein Fahrtenbuch geführt. Hierin haben sie ihre Standardstrecken zur Arbeit, zu Freizeitzielen und zum Einkaufen protokolliert.
„Innere“ und „äußere“ Faktoren
Anhand der Interviews konnten die Bochumer Forscher die so genannten „inneren“ Faktoren messen, die ausschlaggebend dafür sind, welches Verkehrsmittel eine Person benutzt – z. B. das Umweltbewusstsein. Zudem haben sie die „äußeren“ Faktoren bestimmt: Aus den Angaben über das Auto, das ÖPNV-Ticket und die jeweilige Standardstrecke einer Person haben die Wissenschaftler errechnet, wie viel eine gefahrene Strecke mit dem PKW und dem öffentlichen Nahverkehr tatsächlich kostet. Fuß- und Radwege wurden bei der Studie nicht berücksichtigt.
Hohe PKW-Nutzung, hohe Preise
Drei Viertel der Befragten nutzen das Auto, um zur Arbeit zu fahren (77,1%), obwohl genau für diesen Weg der Preisunterschied zwischen PKW und ÖPNV am größten ist (10,37 DM für eine Fahrt mit dem PKW, 3,32 DM mit dem ÖPNV). Ein ähnliches Preisgefälle zeigt sich bei den Wegen zu Freizeitzielen, und hier ist der Anteil der PKW-Nutzer mit ca. 90 Prozent noch höher. Lediglich die Fahrt zum Einkaufen ist mit dem PKW genauso günstig wie mit dem ÖPNV, 93,7% der Befragten nutzen zu diesem Zweck ihr Auto.
Autofahrer sind kaum schneller
Die Zeitersparnis ist im Vergleich dazu minimal: Durchschnittlich vier Minuten schneller erreichen die Autofahrer ihren Arbeitsplatz gegenüber den ÖPNV-Nutzern (29,32 min. vs. 33,60 min.). Das gleiche Bild zeigt sich bei den Wegen zu Freizeitzielen (28,74 min. vs. 31,86 min.). Um zu ihrem Einkaufsziel zu gelangen, brauchen die Befragten mit PKW sogar zwei Minuten länger (12,37 min. vs. 10,04 min.). Dabei haben die Bochumer Forscher auch berechnet, dass der Weg zum Arbeitsplatz im Schnitt 16,4 Kilometer beträgt, zu Freizeitzielen 15,7 Kilometer und zum Einkaufen 3,3.
„Innerer“ Faktor Umweltnorm
Das Umweltbewusstsein spielt eine zentrale Rolle bei der Entscheidung, welches Verkehrsmittel die Befragten wählen. Personen mit einer hohen Umweltnorm nutzen etwa zu 37 Prozent den ÖPNV, um zur Arbeit zu fahren, weil sie aufgrund ihrer persönlichen Einstellung auf umweltfreundliche Verkehrsmittel zurückgreifen. Umgekehrt weisen Befragte mit einer niedrigen Umweltnorm auch geringe ÖPNV-Anteile auf, bei der Fahrt zum Einkaufen z. B. nur mit 3 Prozent.
Am Wissen hapert es
Die Bochumer pauschal zu Autofahrern abstempeln wollen die RUB-Forscher nicht. Immerhin zeigen ihre Ergebnisse, dass z. B. 30 Prozent der Befragten auch den ÖPNV nutzen, um zur Arbeit zu fahren, wenn diese Fahrt mit dem PKW teurer ist. Das Wissen um die tatsächlichen (höheren) PKW-Kosten und die nahezu identischen Fahrzeiten kann also bewirken, aus Kostengründen eher auf die öffentlichen Verkehrsmittel umzusteigen. Diese Ergebnisse der Studie ließen sich einsetzen, um die Bürger gezielt zu informieren, damit sie umweltfreundliche Verkehrsmittel wählen. Einen Anfang haben die Psychologen der Ruhr-Uni schon gemacht: Alle Befragten erhielten eine Auswertung ihrer je individuellen Ergebnisse – und dürften daraus ein paar neue Erkenntnisse gewonnen haben.
Weitere Informationen
Dipl.-Psych. Claudia L. Preißner, AE Kognitions- und Umweltpsychologie, Fakultät für Psychologie der RUB, GAFO 02/380, Tel. 0234/32-22668, Fax: 0234/32-14308, E-Mail: Claudia.L.Preissner@ruhr-uni-bochum.de
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