Der Wucht die Wucht nehmen
Der unbedachte Schritt auf die Straße, quietschende Reifen, ein stechender Schmerz in den Beinen, der Aufprall auf die Motorhaube und dann ein dumpfer Schlag gegen den Kopf. – Wie in Zeitlupe läuft der Unfall immer wieder vor dem inneren Auge von Irma P. ab. Alles dauerte nur Bruchteile von Sekunden, die Behandlung ihres Oberschenkelhalsbruches dagegen acht Wochen. Dabei hatte sie noch Glück …
„Irma P. hat genau das erlebt, was wir immer wieder simulieren“, weiß Klaus-Werner Huland. Schicksale wie dieses treiben ihn und seine Kollegen bei ihrer täglichen Arbeit an. Der Ingenieur entwickelt bei Bayer neue Stoßfängersysteme, die Fußgänger bei einem Crash mit einem Auto besser schützen. Und das ist bitter nötig: Laut ADAC-Statistik kamen 1999 allein in Deutschland 983 Fußgänger ums Leben, rund 39.300 wurden verletzt. Kein Wunder, dass die Europäische Union eine neue Norm zu Stoßfängern für das Jahr 2005 plant. Verletzungen sollen sich dann auch noch bei einem Zusammenstoß mit bis zu 40 Stundenkilometern in Grenzen halten.
Die Bayer-Forscher konzentrieren sich besonders darauf, das Verletzungsrisiko im Knie- und Unterschenkelbereich zu verringern. Ihr Credo heißt: „Energie vernichten“ – nämlich die beim Aufprall auf den Stoßfänger. Und dazu bedienen sie sich ausgefeilter Werkstoffkombinationen. Entwickelt haben sie ein Stoßfängersystem mit einer dünnen, elastischen Verkleidung. Sie ist mit dem „weichen“ Polyurethan-Schaumstoff Bayfill EA hinterschäumt, dem eigentlichen Energieschlucker. „Gerade einmal 75 Millimeter an den entscheidenden Stellen reichen in der Regel, um die anstehende Norm zu erfüllen“, so Huland. Die Stoßfängerprototypen kommen deshalb keineswegs klobig daher, was die Fans schlanker Formen und eleganter Linien beim Automobil erfreuen wird.
Verändern wird sich das Stoßfängerdesign aber dennoch. Denn heutige Systeme reichen nicht tief genug hinab, so dass sich das Bein bei einem Aufprall zu stark biegen kann und schlimmstenfalls bricht. Dieses Problem lösten die Bayer-Experten, indem sie einen Spoiler unter dem Stoßfänger anbrachten.
Ganz nebenbei sind die neuen Systeme – sehr zur Freude der Versicherer – unempfindlich bei Bagatellunfällen. Und leicht sind sie auch, was wiederum Spritersparnis und weniger Abgase bedeutet.
Lohn der Forschermühen: Die Bayer-Prototypen erfüllen nicht nur, sondern übertreffen zum Teil heute schon die geplanten EU-Empfehlungen. Deren Segen spiegeln folgende Zahlen wider. Schätzungen zufolge könnten auf Europas Straßen pro Jahr rund 2.000 Menschenleben gerettet und etwa 18.000 schwere Verletzungen vermieden werden, wenn eben alle Autos den geplanten Anforderungen gerecht würden.
Irma P. kommt dieser Fortschritt nicht mehr zugute. Huland ist sich allerdings sicher: „In drei, vier Jahren wäre sie wahrscheinlich glimpflicher davongekommen.“
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