Fliegen in der Röhre

Im Fluglabor können Flüge mit einer Flughöhe von bis zu 13 000 Metern am Boden simuliert werden. Immer mit an Bord ist der Dressmann. Der mit den Sensoren ausgestattete Dummy liefert wichtige Daten zum Klima in der Flugzeugkabine. © Fraunhofer/Bernd Müller

Ein weltweit einzigartiges Fluglabor wird am 6. Mai in Holzkirchen bei München eröffnet. In der Flight Test Facility können Flüge mit einer Flughöhe von bis zu 13 000 Metern am Boden simuliert werden. Möglich macht das eine Niederdruckröhre, die um den vorderen Teil eines Großraumflugzeugs gebaut wurde. In dem Fluglabor untersuchen Fraunhofer-Forscher, wie sich Raumklima, Luftqualität und Akustik auf Passagiere und Crew auswirken.

Trockene Luft, Druck auf den Ohren, das Dröhnen der Turbinen – das gehört zum Fliegen wie das Boarding und die freundlichen Sicherheitseinweisungen vor dem Start. Besonders stark ist das Personal den unterschiedlichen Druck- und Luftverhältnissen ausgesetzt. Je nach Flugplan müssen Flugbegleiter und Piloten mehrmals am Tag starten und landen. Sie verbringen bis zu 17 Stunden an Bord. Doch wie wirkt sich das künstliche Klima in der Kabine auf Passagiere und Flugpersonal aus? Durch welche Veränderungen lässt sich die Behaglichkeit an Bord verbessern? Diese und ähnliche Fragen können jetzt erstmals am Boden untersucht werden. Am Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP wurde dazu ein neuartiges Fluglabor gebaut. Die Flight Test Facility wurde in einer Bauzeit von nur knapp einem Jahr auf dem Versuchsgelände des IBP in Holzkirchen errichtet.

„In dem Fluglabor können wir die Druck-, Temperatur- und Feuchteverhältnisse während eines Flugs realitätsnah am Boden nachstellen“, erklärt Prof. Dr. Klaus Sedlbauer, Institutsleiter am IBP. So kann untersucht werden, wie sich das Innenklima der Flugzeugkabine auf Fluggäste und Crew auswirkt, ohne dass ein Flieger abheben muss. „Die Tests mit Probanden in der Flight Test Facility sind ökologisch, wirtschaftlich und sicher“, betont der Initiator der Einrichtung, Dr. Erhard Mayer vom IBP.

Herzstück des Fluglabors ist eine 30 Meter lange Niederdruckkammer. In dieser Röhre befindet sich das Vorderteil eines Airbus A310. Mit Hilfe von drei Hochleistungsvakuumpumpen kann der Druck in der Kammer auf bis zu 150 Hektopascal abgesenkt werden. Das entspricht einer Flughöhe von 13 000 Metern. Auch Luftfeuchtigkeit und Temperatur in der Kabine können entsprechend den Bedingungen während eines Flugs eingestellt werden.

Wie sich Luftqualität und Raumklima auf die Passagiere auswirken, untersuchen die Forscher derzeit in ersten Testflügen für das EU-Vorhaben FACE (Friendly Air Cabin Environment). Schon jetzt haben mehr als 500 Probanden an 13 „Flügen“ in der Niederdruckröhre teilgenommen. Um die Tests so realitätsnah wie möglich zu gestalten, sorgen Lautsprecher für den typischen Flugzeugsound. Vibratoren unter den Sitzen ahmen das Rütteln beim Start und während des Flugs nach. Das freundliche Servicepersonal bietet den Gästen wie bei einer echten Flugreise Getränke und kleine Mahlzeiten an. Ungewöhnlich nur, dass die Probanden Fragebögen ausfüllen. War es zu warm oder kalt beim Flug? Gab es unangenehme Gerüche? Haben Sie unter trockenen Augen gelitten? „Wir fragen die Empfindungen der Passagiere ab, um daraus Informationen abzuleiten, wie das Klima im Flugzeug künftig verbessert werden kann“, erläutert Gunnar Grün vom IBP.

Besonders sensibel auf die Bedingungen in der Kabine reagiert ein ungewöhnlicher Passagier – der Dressmann. Dieser Dummy ist mit Streichholzschachtel großen Sensoren versehen, die ähnlich wie die menschliche Haut arbeiten und kleinste Temperaturveränderungen der Oberfläche messen. „Die Sensoren registrieren ganz genau, ob es am Kopf zu warm oder an den Füßen zu kalt ist, oder ob es etwa zieht“, sagt Erhard Mayer. Diese Daten und die Informationen aus den im Flugzeug angebrachten Messfühlern, die die Temperatur am Boden, in Sitzhöhe und in der Nähe des Kopfes registrieren, werden an die Leitwarte übermittelt. So lässt sich ein genaues Abbild des Klimas in der Kabine während des gesamten Flugs erstellen.

„Das Fluglabor soll eine unabhängige Testeinrichtung werden, die unterschiedlichen Herstellern, Fluglinien sowie Flug- und Sportmedizinern aber auch anderen Forschungsorganisationen offen steht“, sagt Mayer. Die Ergebnisse der jeweiligen Untersuchungen können die Grundlagen für technische Entwicklungen bilden, um das Reisen und Arbeiten an Bord künftig angenehmer und effizienter zu gestalten. „Damit sich die europäische Flugindustrie im globlalen Wettbewerb behaupten kann, muss sie ständig neue Technologien und Produkte entwickeln. Die Flight Test Facility bietet der Industrie eine wichtige Hilfestellung, um schneller zu Innovationen zu kommen“, betont der Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, Prof. Dr. Hans-Jörg Bullinger.

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Marion Horn idw

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