Das Unbekannte vorausplanen
Touren für Logistikdienstleister zu planen ist wie die Wettervorhersage: Zu bekannten Ereignissen kommen unbekannte Größen, die alles verändern können. Zwar weiß der Speditionsmitarbeiter, der die Touren koordiniert – der Disponent –, vor der Abfahrt der Transporter, welche Pakete wo abgeliefert werden sollen. Er weiß jedoch nicht, welche Abholaufträge eingehen, wenn die Transporter bereits unterwegs sind.
»Den ganzen Tag über kommen Aufträge neu hinzu, fallen weg oder ändern sich, aber es findet keine richtige Planung mehr statt«, berichtet Axel Simroth, Mathematiker am Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme IVI. Disponenten bauen zwar Puffer in die Tourenpläne ein, bewegen sich dabei aber auf einem schmalen Grat: Sind die Puffer zu groß, verursachen sie teuren Leerlauf. Sind sie zu klein, kommt es zu Verspätungen.
Gemeinsam mit den Logistik-Experten von der GTS Systems and Consulting GmbH entwickeln die Forscher vom IVI mathematische Entscheidungsmodelle und -verfahren: Eine spezielle Software erstellt die Tourenpläne in Echtzeit und berücksichtigt dynamisch die Auftragslage. Kurzfristig hinzukommende Aufträge werden durch Optimierungsalgorithmen und eine genaue mathematische Analyse der Erfahrungswerte von vornherein mit einkalkuliert: In welchen Gebieten kommen die meisten kurzfristigen Aufträge hinzu? Wie können die Fahrten geplant werden, um diese Änderungen bestmöglich aufzufangen? Und wie viel Pufferzeit wird bei welchen Lieferungen tatsächlich benötigt? Kommen kurzfristig neue Aufträge dazu, kalkuliert die Software, welcher Fahrer diese am besten übernehmen kann, und baut sie so in den Plan ein, dass möglichst wenige Umwege hinzukommen. Über Telematikmodule stehen die Fahrer in ständigem Kontakt mit der Logistikzentrale und werden laufend über Änderungen informiert.
Zudem behält die Planungssoftware die Übersicht, wo jeder Mensch überfordert wäre: Ein Disponent eines Paketdienstes etwa plant die Touren für bis zu hundert Fahrzeuge. Jedes Fahrzeug ist am Tag bis zu zehn Stunden unterwegs und legt im Stadtbereich bis zu 70 Kilometer mit 100 bis 120 Stopps zurück. »Im Moment betrachtet der Disponent nur einen Ausschnitt aus dem Tourenplan. Die Software berücksichtigt jedoch sämtliche Fahrzeuge, Fahrer und Touren gleichzeitig«, stellt Simroth fest. »Indem wir die Fahrzeuge untereinander besser koordinieren, lassen sie sich vor allem im Nahverkehr um bis zu 30 Prozent besser auslasten.« Der erste Prototyp des dynamischen Tourenplaners soll im Laufe des Jahres 2008 im täglichen Einsatz getestet werden.
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