Clever durch Telematik – Bremer Wissenschaftler entwickeln System zur Vermeidung von Verkehr

Um Geld zu sparen und die Umwelt schonen, organisieren Menschen immer häufiger Fahrgemeinschaften. Sogar kleine Umwege zahlen sich hier aus. Hauptsache, das Auto ist voll besetzt und die Termine können ohne zu großen Aufwand eingehalten werden. Wie das auch im Güterverkehr auf Straße und Schiene funktionieren kann, zeigt das Forschungsprojekt INWEST (Intelligente Wechselbrückensteuerung) unter der Leitung des BIBA – Bremer Institut für Produktion und Logistik GmbH an der Universität Bremen.

Mit Köpfchen, Kombinationsgabe und Organisationstalent planen Menschen ihre Fahrgemeinschaften, um die vorhandenen Ressourcen optimal zu nutzten, die besten Routen zu finden oder sie bei Bedarf flexibel zu verändern. Diese Intelligenz fehlt den Navigations- und Softwaresystemen. Für die perfekte Gestaltung einer „Güter-Fahrgemeinschaft“ soll künftig ein intelligentes System aus Kommunikationstechnik und Computerprogrammen sorgen. Fachleute bezeichnen diese Verknüpfung als „Telematik“ (von Telekommunikation und Informatik). In dem Projekt INWEST werden nun die Software und die Hardware entwickelt.

Das Besondere an dem System sind erstens die Hardware-Komponenten. Diese Telematik-Einheiten können entsprechend der Auftragsdaten und Rahmenbedingungen konfiguriert, also jeweils für individuelle Aufgaben und Anforderungen schlau gemacht werden, und sie beziehen dabei sogar externe Einflüsse wie die Verkehrslage mit ein. Genau so, wie eine gut funktionierende, effektive Fahrgemeinschaft es braucht. Zweite Besonderheit des Systems ist die Gestaltung der Informations- und Kommunikationsflüsse. Mit einer eigenen Intelligenz versehen arbeiten die hierfür entwickelten Module extrem stromsparend und sehr zuverlässig. Derart aufgebaut, wird das INWEST-System zum Beispiel künftig den Disponenten in einer Spedition unterstützen können und ihm wertvolle Entscheidungshilfen zur Optimierung seiner Tourenplanung bieten.

Seit Anfang des Jahres läuft das zweijährige Vorhaben, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) gefördert wird. Nun präsentieren die Wissenschaftler bereits die ersten Ergebnisse ihrer Forschungen – unter anderem beim BMWi, und im November veranstaltet der Bundesverband Deutscher Postdienstleister (BvDP) im BIBA ein Branchentreffen, um sich über INWEST zu informieren. „Uns interessieren neue Lösungen für die Echtzeitverfolgung von Transportmitteln, und wir sind auch stets auf der Suche nach Optimierungspotenzialen im Güterverkehr. Sie haben einen sehr hohen Nutzwert für die Logistik“, sagt BvDP-Geschäftsführer Eugen Pink. Durch INWEST verspreche man sich einige neue Anregungen.

Im Rahmen des Förderschwerpunktes „Intelligente Logistik“ hatten die Wissenschaftler 2007 ihren Antrag für das Vorhaben beim Projektträger TÜV Rheinland in Köln eingereicht, und heute zählt es zu den 21 in diesem Programm geförderten Projekten. Daran beteiligt sind neben dem BIBA die Micromata GmbH (Kassel) und die OHB Teledata GmbH (Bremen) sowie als Anwendungspartnerinnen die Deutsche Post AG (Bonn) sowie die DHL Solutions Fashion GmbH (Essen). Gemeinsam wollen sie nun mithilfe der modernen Kommunikationstechniken und Computerprogramme einen Beitrag zum Umweltschutz leisten: Durch die Optimierung von Touren wird der Verkehr reduziert und so auch der Ausstoß von Kohlendioxid. Im Fokus haben die Wissenschaftler dabei die so genannten Wechselbrücken. Das sind die austauschbaren Ladungsträger, mit denen Güter per Lkw oder Zug transportiert werden können. Am Straßenrand abgestellt sehen sie aus wie kleine Container auf Stelzen. INWEST beschäftigt sich damit, wie, wann und wo die Wechselbrücken am besten be- und entladen werden und welche optimalen Wege sie über Straße oder Schiene nehmen können. Die Projektergebnisse lassen sich später auch auf andere Ladungsträger für den Gütertransport übertragen.

Hochflexibel auf Kundenanfragen reagieren, jederzeit und ruckzuck die Planung ändern

In die Wechselbrücken werden verschiede Module eingebaut. Diese kleinen, elektronischen Bauteile haben verschiedene Aufgaben. Die Telematik-Einheiten sammeln und übermitteln Informationen, die für eine den Verkehr reduzierende, logistische Planung erforderlich sind. Dabei nutzen die Forscher die satellitengestützte Ortung das Global Positioning System (GPS). Eine große Herausforderung beim Einsatz dieser Telematik-Module ist deren Stromversorgung. Sie muss stets und unabhängig vom Fahrzeug gewährleistet sein. Hier haben die INWEST-Partner ein Kommunikationskonzept entwickelt, das durch seine intelligente Strategie sowohl Energie spart als auch eine hohe Qualität und Sicherheit bietet. Andere, ergänzende Module überwachen zum Beispiel den Ladezustand, also das Volumen im Laderaum der Wechselbrücke.

Verbindendes Element in dem System ist eine intelligente Software. Sie nimmt die von den Modulen in der Wechselbrücke erzeugten Daten auf, verarbeitet sie und koordiniert die Kommunikation. Darüber hinaus bezieht die Software Verkehrsinformationen mit ein. Sie sind eine wichtige Einflussgröße bei der Tourenplanung. Dabei nutzt das Programm auch den in Navigationssystemen eingesetzten Traffic Message Channel (TMC) zur automatischen Umfahrung von Verkehrsstaus und Behinderungen. Mit festgelegten Methoden werden Verkehrssituationen analysiert, statistisch ausgewertet und vorhergesagt. Wenn sich also jeden Freitagnachmittag der Verkehr am Bremer Autobahnkreuz staut, wird das INWEST-System dem Disponenten diese Strecke nicht für eine Tour zu dieser Zeit vorschlagen. Es errechnet stets die bestmögliche Route.

Die Software unterstützt die Anwender in der Planung und Steuerung der Auftragsdaten und ermöglicht jederzeit eine „ad hoc-Optimierung“: Auch wenn die Wechselbrücke schon unterwegs ist und bereits Güter zu- oder entladen worden sind, kann der Disponent über das INWEST-System ihren Standort sowie den Ladezustand abfragen. Er kann also hochflexibel auf Kundenanfragen reagieren und die vorhandenen Kapazitäten optimal nutzen. Das INWEST-Konzept berücksichtigt dabei technische, organisatorische und wirtschaftliche Faktoren sowie den Umweltschutz. „Wir sprechen hier von einem 'integrativen Ansatz'“, erklärt Projektleiter Christian Gorldt. „Das heißt, wir betrachten die ganze Prozesskette und alle Rahmenbedingungen. Vom Kundenauftrag bis hin zur Auslieferung der Güter“, sagt der BIBA-Wissenschaftler. Nicht nur durch die Intelligenz der einzelnen Komponenten, auch durch diesen ganzheitlichen Ansatz unterscheidet sich das INWEST-System von anderen.

Um Versuchsaufbauten mit unterschiedlichen Technologiekonzepten zu erproben und zu bewerten, wurde auf dem BIBA-Gelände ein Wechselbehälter aufgebaut. Derzeit werden hier die ersten prototypischen Module integriert, und im Frühjahr 2009 beginnen die bundesweiten Feldtests. Sechs Monate lang werden reale, betriebliche Daten aus rund hundert Telematik-Einheiten zur Verfügung stehen, um das Konzept der intelligenten Wechselbrückensteuerung zu überprüfen und in die Praxis zu übertragen.

Achtung Redaktionen: druckfähige Fotos finden Sie unter http://www.biba.uni-bremen.de/press2008.html oder erhalten sie bei Anfrage von Sabine Nollmann (mail@kontexta.de)

Weitere Informationen erhalten Sie von:

M. Sc. Christian Gorldt (BIBA, Projektleiter)
Telefon: 0421 218-55 80 oder 0177 412 44 75, E-Mail: gor@biba.uni-bremen.de
Sabine Nollmann (kontexta, PR/Wissenschaftskommunikation)
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