Wie die Medien über den EURO berichten …

… und was die Deutschen (folglich) von ihm halten:

Was denken die Deutschen über den EURO? Und wie berichten die Massenmedien über ihn? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt eines Forschungsprojekts, das der Augsburger Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Frank Brettschneider mit Unterstützung des Bundesverbandes deutscher Banken und des internationalen Inhaltsanalyse-Instituts Medien Tenor bearbeitet. In diesem Projekt werden die Bevölkerungseinstellungen durch repräsentative Bevölkerungsumfragen erfasst. Die Medienberichterstattung wird mittels systematischer Inhaltsanalysen ermittelt.

Am 1. Januar 2002 fand der größte Währungswechsel in der Geschichte Europas statt. In zwölf der 15 EU-Mitgliedsstaaten ersetzte der EURO die Landeswährungen. Mit dem EURO-Bargeld wurde eine der bedeutendsten wirtschafts- und finanzpolitischen Weichenstellungen der Nachkriegszeit für die Bürger unmittelbar sichtbar. Trotz der herausragenden Bedeutung dieses Ereignisses für die wirtschaftliche Leistungs- und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und der europäischen Volkswirtschaften, lässt die Akzeptanz der neuen Währung in der Bevölkerung zu wünschen übrig.

EURO-SKEPSIS WEIT VERBREITET

Die Deutschen sind besonders EURO-skeptisch. Im europäischen Vergleich stimmen nur die Finnen, Dänen, Schweden und Briten dem Währungswechsel noch seltener zu als die Deutschen. Dieses lange Zeit vorherrschende Bild schien sich mit der Ausgabe der Starter-Kits am 17. Dezember 2001 etwas zu wandeln. Im Januar 2002 war erstmals eine deutliche Mehrheit für den EURO. Die Euphorie hielt jedoch nicht lange an. Nur drei Monate später befindet sich die Zustimmung zum EURO wieder auf dem gleichen Niveau wie vor dem Währungswechsel (vgl. Abbildung 1). Nach einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach wünschen sich 54 Prozent der Deutschen die D-Mark zurück, nur 37 Prozent teilen diesen Wunsch nicht. Die Kritik am EURO richtet sich vor allem auf die von den Menschen als drastisch wahrgenommen Preiserhöhungen ? vor allem in der Gastronomie und im Lebensmittelbereich. Neben der Teuerung wird ein Wertverlust des EURO gegenüber ausländischen Währungen erwartet. Die Befürworter des EURO betonen hingegen die internationale Wettbewerbsfähigkeit, Erleichterungen bei Aufenthalten in anderen EU-Ländern und seine identitätsstiftende Wirkung. In den neuen Bundesländern, unter Frauen, älteren Menschen und Personen mit niedriger formaler Bildung stößt der EURO auf die größte Ablehnung.

EURO-AUSSENWERT UND MEDIENBERICHTERSTATTUNG SIND ENTSCHEIDEND

Für die Schwankungen in der EURO-Akzeptanz kommen im Wesentlichen zwei Ursachen in Betracht: Veränderungen der realen wirtschaftlichen Grundlagen und Veränderungen der Medienberichterstattung über den EURO. Verliert der EURO an Außenwert gegenüber dem US-Dollar, so lässt auch seine Befürwortung in der Bevölkerung nach. Vor allem der Wechselkurs-Rutsch in der ersten Hälfte des Jahres 1999 hat zu einem deutlichen Vertrauensverlust geführt. Kritiker sahen sich bestätigt, dass es sich beim EURO um eine instabile Währung handele. Allerdings nimmt in den Erholungsphasen des EURO die Zustimmung zu ihm auch wieder zu. Ab Anfang des Jahres 2001 entkoppeln sich jedoch die Einstellungen zum EURO und sein Außenwert: Während der Außenwert leicht sinkt, steigt die Befürwortung des EURO in der Bevölkerung deutlich an (vgl. Abbildung 2). Spätestens hier kommt die Medienberichterstattung ins Spiel.

Bereits vor der Ausgabe des Bargeldes zählten ? neben den Geldinstituten ? die Massenmedien zu den wichtigsten Informationsquellen über die neue Währung. Dabei nahm das Fernsehen aufgrund seiner weiten Verbreitung und seines von der Bevölkerung wahrgenommenen Glaubwürdigkeitsvorsprung vor dem Radio und vor der Tageszeitung die Spitzenposition ein. Vor allem die Fernsehnachrichten erreichen auch jene Menschen, die sich nicht sonderlich für das politische oder wirtschaftliche Geschehen interessieren. Wie häufig wurde also in den Hauptnachrichtensendungen des Fernsehens über den EURO berichtet, welche Aspekte standen dabei im Mittelpunkt und wie wurde der EURO bewertet? Um diese Fragen zu beantworten, wurden sämtliche Beiträge über den EURO zwischen 1996 und 2002 untersucht.

BIS ANFANG 2000 OHNE NACHRICHTENWERT

Insgesamt berichten die Nachrichtensendungen von ARD und ZDF relativ selten über den EURO (vgl. Abbildung 3). Bis zum Beginn des Jahres 2000 spielte der EURO in der Berichterstattung so gut wie keine Rolle. Lediglich im Juni 1997 und im Mai 1998, als der Europäische Rat den Rechtsrahmen für die Einführung des EURO absteckte, sowie zu Beginn des Jahres 1999, als der EURO im bargeldlosen Zahlungsverkehr eingeführt wurde, erreichte die Berichterstattung einen nennenswerten Umfang.

Die Spitzenwerte finden sich natürlich im Dezember 2001 und im Januar 2002. Danach hat das Medieninteresse am EURO wieder deutlich nachgelassen. Noch seltener ist der EURO den privat-kommerziellen Sendern eine Meldung wert. Menschen, die ihre Informationen über das Weltgeschehen aus deren Nachrichtensendungen beziehen, erfahren über den EURO praktisch nichts.

POSITIVE BERICHTERSTATTUNG, POSITIVE EINSTELLUNG

Im Laufe des Jahres 2001 hat aber nicht nur der Umfang der Berichterstattung über den EURO zugenommen, er wurde auch zunehmend positiv bewertet. Vor allem zwischen November 2001 und Januar 2002 gab es in den Fernsehnachrichten mehr positive als negative Aussagen über den EURO. Die Einstellungen der Bevölkerung entwickeln sich parallel zur Berichterstattung. Im November 2001 gibt es erstmals mehr EURO-Befürworter als EURO-Skeptiker (vgl. Abbildung 4). Mit der nachlassenden Unterstützung des EURO in den Medien sinkt aber auch wieder die EURO-Begeisterung der Menschen.

WIRTSCHAFTS- UND INTEGRATIONSPOLTISCHE ASPEKTE SPIELEN KAUM EINE ROLLE

„Die starken Schwankungen in der Tendenz der Medienberichterstattung“, so resümiert Brettschneider, „lassen sich auf die Schwerpunkte der Meldungen über den EURO zurückführen. Bis 2001 dominierte in der Berichterstattung der ? negativ bewertete ? Außenwert. Erst ab Mitte des vergangenen Jahres verdrängten dann zunehmend praktische ? und positiv bewertete ? Aspekte der Währungsumstellung dieses Thema aus der Berichterstattung ein. Seit Januar 2002 dominiert vor allem die Teuerungsdiskussion. Mit den Schwerpunktverschiebungen gehen also immer auch veränderte Bewertungen einher. Umso wichtiger wäre eine facettenreiche EURO-Berichterstattung, die zu einer von tagesaktuellen Stimmungen unabhängigen Beurteilung des EURO beitragen könnte. Davon kann nach wie vor keine Rede sein. Die wirtschaftspolitische Bedeutung des EURO für Europa sowie seine Funktion als Katalysator der europäischen Einigung werden beispielsweise praktisch gar nicht thematisiert.“

KONTAKT UND WEITERE INFORMATIONEN:
Prof. Dr. Frank Brettschneider
Kommunikationswissenschaft
Universität Augsburg
86135 Augsburg
Telefon: 0821/598-5665
Fax: 0821/598-5666
E-Mail: brettschneider@web.de
____________________________________

Unter anderen wird dieses Projekt auch bei der Tagung „Europäische Integration: Öffentliche Meinung, politische Einstellungen und politisches Verhalten“ vorgestellt, die am 6. und 7. Juni 2002 an der Universität Augsburg stattfindet. Veranstalter dieser von Prof. Dr. Frank Brettschneider ausgerichteten Tagung ist der Arbeitskreises „Wahlen und politische Einstellungen“ der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Wirtschaft Finanzen

Aktuelle und interessante Meldungen und Entwicklungen aus dem Bereich der Wirtschaftswissenschaften finden Sie hier zusammengefasst.

Unter anderem bietet Ihnen der innovations-report Berichte aus den Teilbereichen: Aktienmärkte, Konsumklima, Arbeitsmarktpolitik, Rentenmarkt, Außenhandel, Zinstrends, Börsenberichte und Konjunkturaussichten.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Größte bisher bekannte magnetische Anisotropie eines Moleküls gemessen

An der Berliner Synchrotronstrahlungsquelle BESSY II ist es gelungen, die größte magnetische Anisotropie eines einzelnen Moleküls zu bestimmen, die jemals experimentell gemessen wurde. Je größer diese Anisotropie ist, desto besser…

Tsunami-Frühwarnsystem im Indischen Ozean

20 Jahre nach der Tsunami-Katastrophe… Dank des unter Federführung des GFZ von 2005 bis 2008 entwickelten Frühwarnsystems GITEWS ist heute nicht nur der Indische Ozean besser auf solche Naturgefahren vorbereitet….

Resistente Bakterien in der Ostsee

Greifswalder Publikation in npj Clean Water. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Instituts für One Health (HIOH) hat die Verbreitung und Eigenschaften von antibiotikaresistenten Bakterien in der Ostsee untersucht. Die Ergebnisse ihrer Arbeit…