Arbeitszeitorganisation in der europäischen Automobilindustrie
Arbeitszeitorganisation in der europäischen Automobilindustrie: Wo kurz und flexibel gearbeitet wird, können die Maschinen länger laufen – Institut Arbeit und Technik untersuchte Veränderungen der Arbeits- und Betriebszeiten der europäischen Automobilfabriken in den letzten zehn Jahren
Wo nur kurz, aber flexibel gearbeitet wird, können die Maschinen trotzdem länger laufen. Das zeigen Untersuchungen des Instituts Arbeit und Technik (IAT/Gelsenkirchen) zu den Arbeits- und Betriebszeiten in den europäischen Automobilfabriken. „Arbeits- und Betriebszeiten werden zunehmend entkoppelt“, stellt der IAT-Arbeitszeitforscher Dr. Steffen Lehndorff fest. „Für die Realität in den Automobilfabriken sind heute allerdings Flexibilisierungen der Arbeitszeit weitaus wichtiger geworden als Verkürzungen der Arbeitszeit, wie sie beispielsweise mit der 35-Stunden-Woche in Deutschland durchgesetzt wurden.“
In den meisten europäischen Automobilfabriken wird Flexibilität noch vorrangig mit Sonderschichten oder Variation der Dauer der Werksferien erreicht. Dort aber, wo die Arbeitszeit vergleichsweise kurz ist, entwickeln die Unternehmen besonders große Anstrengungen zur Differenzierung der Schichtsysteme und zur Verlängerung und Flexibilisierung der Betriebszeiten durch den Einbau flexibler Gestaltungselemente in die Schichtsysteme selber. Dies ist seit einigen Jahren eindrucksvoll in Deutschland zu beobachten und aktuell auch in Frankreich.
Im Laufe der 90er Jahre hat sich das Schwergewicht in der Automobilproduktion vom Zwei- zum Dreischichtbetrieb verschoben. Zweischichtsysteme mit langen Schichten konnten sich nicht durchsetzen und wurden teilweise sogar wieder zurückgenommen. Die Entwicklung scheint dahin zu tendieren, dass Zweischichtbetrieb nur noch in nachfrageschwachen Perioden akzeptiert wird. Die Gefahr von Standortschließungen wird dadurch größer.
Lange Betriebszeiten werden vor allem in Spanien, Deutschland und Belgien, mit Einschränkungen auch in Frankreich gefahren. Die Standortentscheidung der Automobilhersteller hängt dabei weniger von den nationalstaatlichen Arbeitzeitregulierungen ab. Unternehmen, die lange Betriebszeiten benötigen, ändern vielmehr ihre Schichtsysteme dort, wo sie die jeweils besonders stark nachgefragten Modelle bauen. Allerdings werden die meisten Volumenmodelle an mehreren europäischen Standorten gebaut. Deshalb wird die Bereitschaft der örtlichen Gewerkschaften und Interessenvertretungen, auf Forderungen der Unternehmen nach Nacht- oder Wochenendarbeit einzugehen, für die Standortstrategien der Unternehmen eine wichtige Rolle spielen.
Bei der Flexibilisierung der Arbeitzeit üben die Unternehmen zwar dominierenden Einfluss aus, von Sonderschichten bis hin zu variablen Schichtsystemen werden die Regelungen jedoch in hohem Maße durch die betrieblichen Interessenvertretungen mitbestimmt. „Die Flexibilisierung ist gerade dort Gegenstand betrieblicher Aushandlungsprozesse, wo sie im Grunde auf ein Tauschgeschäft „Verkürzung gegen Flexibilisierung der Arbeitszeit“ zurückgeht“, so Lehndorff. Je stärker sich die Gewerkschaften um Arbeitszeitverkürzungen bemühen, desto eher sind sie gezwungen, ihr eigenes „Arbeitszeit-know how“ zu entwickeln, das sie für die Beeinflussung der betrieblichen Arbeitszeitpolitik benötigen.
Steffen Lehndorff: Die Arbeits- und Betriebszeiten in der europäischen Automobilindustrie, Graue Reihe des Instituts Arbeit und Technik 2000 – 13
Die Studie kann zum Preis von 10 DM über die Abteilung Veröffentlichungen des IAT, Munscheidstraße 14, 45886 Gelsenkirchen, bezogen werden oder im Internet unter http://iat-info.iatge.de kostenlos als pdf-Datei heruntergeladen werden.
Für weitere Fragen steht Ihnen zur Verfügung:
Dr. Steffen Lehndorff
Tel.: 0209/1707-146
Claudia Braczko
Tel.: 0209/1707-176
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