Die USA – größter Aktienmarkt der Welt
Die an der New York Stock Exchange (NYSE) und an der National Association of Securities Dealers Automated Quotations (Nasdaq) gelisteten Unternehmen hatten Ende 2000 eine gemeinsame Marktkapitalisierung von mehr als 20 Billionen Dollar. Davon entfielen 17,1 Billionen Dollar allein auf die NYSE. Mit 3,6 Billionen Dollar ist die oft als reiner „Wachstumsmarkt“ qualifizierte Nasdaq zwar um einiges kleiner, aber als Nummer 2 weltweit immer noch größer als die nächst-platzierte Börse in Tokio mit 3,2 Billionen Dollar. London kommt auf Platz 4 mit etwa 2,6 Billionen Dollar. An fünfter Stelle steht Euronext mit 2,3 Billionen Dollar, gefolgt von der Deutschen Börse auf Platz 6 mit 1,3 Billionen Dollar.
Ausländische Firmen an den US-Börsen
Die amerikanischen Börsenplätze sind wegen der Größe des heimischen Marktes, der langen Tradition der Unternehmensfinanzierung über die Kapitalmärkte und der Bedeutung des privaten Asset Managements weltweit führend. 1985 wurden 111 ausländische Unternehmen an allen amerikanischen Börsen neu gelistet, 1999 waren es fast fünfmal so viele, nämlich 504. An der NYSE wurden im Jahr 2000 insgesamt 434 nicht-amerikanische Aktiengesellschaften aus 51 Ländern gehandelt. 61 nicht-amerikanische Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von insgesamt 730 Milliarden Dollar wurden in 2000 neu an der NYSE gelistet. Von den europäischen Unternehmen sind unter anderem Novartis und UBS aus der Schweiz, Pearson und Prudential aus Grossbritannien und die französische Vivendi vertreten. Aus Deutschland sind vor Siemens bereits 13 Unternehmen an der NYSE gelistet, darunter Allianz, Infineon und BASF, sowie acht Unternehmen an der Nasdaq.
Die New York Stock Exchange ist der bevorzugte Markt der Großunternehmen
In den letzten anderthalb Jahrzehnten haben sich zwischen den Börsensegmenten interessante Verschiebungen ergeben. 1985 suchten noch 77 Prozent der ausländischen Unternehmen eine Notierung an der Nasdaq, nur 17 Prozent ließen ihre Aktie an der NYSE listen. 1999 hatte die NYSE kräftig aufgeholt: 65 Prozent der Non-US-Companies wurden nun an der NYSE neu notiert und nur mehr 34 Prozent an der Nasdaq. In den 80er Jahren waren es vorwiegend die kleineren und mittleren Wachstumswerte, die auf der Suche nach Wagniskapital nach Amerika strebten. Der Venture Capital Markt war in weiten Teilen Europas damals noch völlig unterentwickelt. In den letzten Jahren kamen dann mehr und mehr auch die großen, etablierten Unternehmen – die meisten aus ähnlichen Gründen wie nun auch Siemens: um den bedeutenden amerikanischen Kapitalmarkt noch besser zu erschließen und um im Zuge der Globalisierung ihres Geschäfts die Möglichkeit zu haben, ihre Aktie als Akquisitionswährung einzusetzen.
Warum sich Siemens für die New York Stock Exchange entschieden hat
Der Schwerpunkt der Nasdaq liegt eindeutig auf den kleineren und mittleren Werten mit starken Wachstumsraten und oft noch geringer Profitabilität. In diesem Umfeld hätte sich Siemens eher fremd ausgenommen. Auch die überwiegende Zahl der Wettbewerber von Siemens sind an der NYSE notiert: Alcatel, Alstom, Nokia, Philips, GE, Emerson, Lucent, Motorola und Nortel. Nur Ericsson, Marconi und Cisco sind aus diesem Kreis an der Nasdaq vertreten.
Ein Vergleich der Marktkapitalisierung der neugelisteten europäischen Unternehmen zeigt dasselbe Bild. Mit ihrem aktuellen Börsenwert von rund neun Milliarden Dollar war die finnische Sonera der größte Nasdaq-Wert der letzten drei Jahre. Die größten NYSE-Listings spielen dagegen in der Liga von Siemens: Die HSBC mit 134 Milliarden, Novartis mit 123 Milliarden und die UBS mit 71 Milliarden Dollar.
Ein wesentlicher Grund, weswegen auch viele Firmen aus dem Hightech-Bereich die NYSE wählen, liegt in ihrem besonderen Spezialisten-Handels-System. Die NYSE hat in den vergangenen zehn Jahren über zwei Milliarden Dollar in ihre eigene technische Fortentwicklung investiert. Während an der Nasdaq der Markt auf viele hundert Market-Maker zersplittert ist, werden an der NYSE die Aufträge an einem Punkt, nämlich beim sogenannten „Specialist“, zentralisiert. Seine Aufgabe ist es, für einen „orderly market“, also für faire Preise in einem liquiden Markt zu sorgen. Dazu stellt er Kurse notfalls auch unter Einsatz eigenen Geldes. Außerdem agiert er als zentrale Informationsquelle für seine Werte und als Ansprechpartner in kritischen Marktsituationen.
Aktionärsstruktur von Siemens – Breite Basis in den USA
Siemens erschließt sich mit dem Listing den US-Aktienmarkt nicht neu. Bereits heute liegen etwa 13 Prozent des Kapitals von Siemens in den Händen amerikanischer Anleger, vorwiegend großer institutioneller Aktionäre. Bei der letzten Aktionärserhebung im Jahr 1996 lagen erst etwa 7 Prozent des Kapitals in den USA, 1993 waren es 5 Prozent. Das Gesamtinvestment amerikanischer Anleger in ausländische Aktien hat sich seit 1991 mehr als verfünffacht. Es lag im Jahr 2000 bei ca. 1,7 Billionen Dollar, und für die nächsten Jahre ist ein anhaltendes Wachstum prognostiziert.
Mit ihrem Anteil am Siemens-Kapital sind die Vereinigten Staaten eine der stärksten ausländischen Aktionärsbasen. Im Inland, wo die Mehrzahl der privaten Siemens-Aktionäre zu Hause ist, werden etwas mehr als 50 Prozent des Kapitals gehalten. Neben den USA liegen bedeutendere Anteile auch in Großbritannien und in der Schweiz.
Deutlich über 50 Prozent des Siemens-Kapitals werden von institutionellen Anlegern, also großen Fonds und Versicherungen, gehalten. Die Familie von Siemens ist mit rund 6,5 Prozent weiterhin der einzige Großaktionär. Mehr als 800.000 Privataktionäre machen die Siemens-Aktie zu einem der am breitesten gestreuten deutschen Aktienwerte.
Die Siemens-Aktie wird als American Depositary Receipt gelistet
Siemens emittiert zum Listing keine neuen Aktien, um sie spezifisch in den USA zu platzieren. Dies stünde im Widerspruch zur grundsätzlichen Politik, das Eigenkapital durch den Rückkauf und Einzug eigener Aktien zu verringern und den Gewinn pro Aktie zu erhöhen. Die Notierung in den USA eröffnet eine zusätzliche Handelsmöglichkeit. So dürfen insbesondere einige öffentliche institutionelle Anleger, wie z. B. staatliche Pensionsfonds, aufgrund ihrer Anlageprinzipien nur in Aktien investieren, die als US-Wertpapiere registriert sind.
Siemens listet seine Aktie in den USA als American Depositary Receipts (ADRs). Ein ADR des sogenannten Level II wird in den USA als „registered US equity“ angesehen und kann damit von allen Investoren erworben werden. Technisch funktioniert das so, dass eine ADR-Bank – bei Siemens ist das JP Morgan – eine Siemens-Aktie bei sich hinterlegt und auf dieser Grundlage das Receipt emittiert und in den Handel gibt. Beim Level II erfüllt das Unternehmen die vollen Anforderungen der Securities Exchange Commission (SEC) und der Börse bezüglich Rechnungslegung und Transparenz wie jedes amerikanische Unternehmen (von einigen kleineren Sonderregelungen für ausländische Firmen abgesehen). Die ADRs können deshalb vollgültig als Investment-Instrument wie auch als Akquisitionswährung eingesetzt werden.
Die Alternative zum ADR wäre die Global Share gewesen. Nur drei ausländische Konzerne haben sich bislang für diese Variante entschieden, DaimlerChrysler, Celanese und UBS. Beim Global Share ermöglicht eine globale Clearing-Struktur den unterbrechungslosen Handel in der Aktie, es gibt keine Zwischenschaltung eines anderen Wertpapiers. Die Etablierung der globalen Handelsplattform ist jedoch ein aufwendiger Prozess. Bei den bislang als Global Shares notierten Werten stehen dem keine deutlich höheren US-Handelsvolumina als bei vergleichbaren ADRs gegenüber. Der Haupthandel findet weiterhin am liquidesten Markt statt.
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