Subventionen in Europa
Eher Subventionen von konservativen als „linken“ Regierungen
Öffentliche Beihilfen in zehn EU-Ländern
Berlin (wbs) Konservative Regierungen sind deutlich subventionsfreudiger als linksorientierte Regierungen. Dies beruht vor allem darauf, dass konservative Regierungen den Unternehmen politisch näher stehen als der Arbeitnehmerschaft. Lars-Hendrik Röller vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und Damien J. Neven (Universität Lausanne) untersuchten die Beihilfepolitik der 1980er Jahre in zehn
Ländern der heutigen Europäischen Union und deckten diesen Widerspruch zwischen ordnungspolitischer Rhetorik und praktischer Politik auf.
Die 80er Jahre gelten gemeinhin als das Jahrzehnt neoliberaler Wirtschaftspolitik mit einem Minimum staatlicher Interventionen. Doch zumindest in Teilbereichen ist das Gegenteil der Fall. Der Anteil öffentlicher Beihilfen an der Bruttowertschöpfung in den zehn untersuchten EU-Ländern lag bei „rechten“ Regierungen, die in der Öffentlichkeit gern ordnungspolitische Argumente verwenden, um über zwei Prozentpunkte über dem Niveau „linker“ Regierungen.
Im Gesamtverlauf der 80er Jahre ist die Spannweite, in der sich die staatlichen Beihilfen der zehn betrachteten Länder bewegen, beträchtlich. So betrug der Unterschied zwischen den höchsten (Italien) und niedrigsten (Dänemark) Beihilfesätzen – gemessen als Anteil an der Bruttowertschöpfung – 1981 ca. elf Prozent, stieg dann auf über 16 Prozent (am höchsten: Griechenland; am niedrigsten: Dänemark) 1986 an, um bis 1990 etwa auf das Ausgangsniveau zu fallen.
Bei ihrer Auswertung eines umfassenden Datensatzes der Europäischen Union kamen Röller und Neven noch zu einem weiteren bemerkenswerten Ergebnis: Über 90 Prozent der unterschiedlichen Beihilfeniveaus in den zehn untersuchten Ländern lassen sich auf Faktoren der politischen Ökonomie zurückführen, insbesondere auf die politische Verfassung und die institutionelle Struktur des jeweiligen Landes. Die nationalen Innovationssysteme und die Unternehmenskultur scheinen nur eine untergeordnete Rolle zu spielen. Hervorzuheben sind besonders vier Teilergebnisse:
(1) Eine starke parteipolitische Zersplitterung des Parlaments drückt das Niveau staatlicher Subventionen, weil sich offenbar so verschiedene Interessengruppen gegenseitig neutralisieren.
(2) Regierungskoalitionen führen zwar grundsätzlich zu höheren staatlichen Beihilfen als Ein-Parteien-Regierungen, aber je mehr Parteien einer Koalition angehören, desto geringer werden wiederum die Subventionen.
(3) Es hat sich gezeigt, dass eine ausgeprägte föderale Struktur im Gegensatz zu einem starken Bundesstaat zur Eindämmung staatlicher Beihilfen führt, weil hier die politische Kontrolle der öffentlichen Ausgaben direkter einwirken kann.
(4) Die Transparenz spielt eine bedeutende Rolle bei der Vergabe staatlicher Beihilfen. Dazu zählen nicht nur die Veröffentlichung der Kriterien für die Subventionsvergabe und die Bekanntmachung der Empfänger, sondern auch die politische Kontrolle des Vergabeprozesses durch die Legislative und/oder unabhängige Behörden sowie eine Evaluierung, wie effektiv die vergebenen Mittel eingesetzt worden sind. So zeugen etwa die Vergabeprozesse in Italien und Belgien von deutlich geringerer Transparenz als die Verfahren in Deutschland, Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden.
Werden also Länder, in denen die Transparenz der Vergabeprozesse gering ist, von konservativen Regierungen regiert, dann führt dies zu den höchsten Beihilfen für die verarbeitende Industrie (ausgenommen Kohle, Stahl und Schiffbau).
Weitere Informationen: Professor Lars-Hendrik Röller Ph.D.
Telefon: 030-25 49 14 41
E-Mail: roeller@medea.wz-berlin.de
„Subventionen in Europa – Die politische Ökonomie staatlicher Beihilfen“, in: WZB-Mitteilungen, Heft 89,
September 2000, S. 6-8 http://www.wz-berlin.de/presse/pdf/mit89/WZBMit89-06-08.pdf
Damien J. Neven, Lars-Hendrik Röller, "The Political Economy of State Aid: Econometric Evidence for the Member States", in: Damien J. Neven, Lars-Hendrik Röller (Eds.), The Political Economy of Industrial Policy
in Europe and the Member States, Berlin: edition sigma 2000, S. 25-38
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