Neue Sozialpläne


Statt mit Abfindung in die Arbeitslosigkeit der Beschäftigtentransfer in eine neue berufliche Zukunft – Institut Arbeit und Technik untersuchte erste praktische Erfahrungen mit den gesetzlichen Neuregelungen

In vielen Unternehmen des Industriellen Sektors wird Personalabbau auch in den nächsten Jahren aktuell bleiben. Während traditionell die Betroffenen lediglich mit dem „goldenen Handschlag“ einer mehr oder weniger hohen Abfindung in eine ungewisse Zukunft und Arbeitslosigkeit entlassen wurden, sollen jetzt die Sozialpläne stärker „aktiviert“ werden und durch Arbeitsförderung und Weiterbildung den Übergang in eine neue Beschäftigung ermöglichen. Das sehen zumindest die gesetzlichen Neuregelungen vor. In der Praxis ist der Transfergedanke bei betrieblichen Umbrüchen allerdings noch unzureichend entwickelt, vor allem bei den Beschäftigten selbst ist in den nächsten Jahren noch umfangreiche Überzeugungsarbeit zu leisten. Das ergaben Untersuchungen des Instituts Arbeit und Technik (IAT/Gelsenkirchen), die sich mit den neuen Möglichkeiten eines sozialverträglicheren Personalabbaus über „Beschäftigtentransfers“ befassten.

Den Sinn von Transfermaßnahmen unterstreicht die Tatsache, dass zwischen 1995 und 1998 zwar die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten um etwa 1 Million zurück ging. Im gleichen Zeitraum fand ebenfalls der Abbau von etwa 7 Millionen Arbeitsplätzen statt, der jedoch durch neugeschaffene Arbeitsplätze in anderen Branchen ausgeglichen wurde. Durch die neu eingeführte Fördermöglichkeit der Zuschüsse zu Sozialplanmaßnahmen und durch erleichterte Zugangsbedingungen zum „Strukturkurzarbeitergeld“ soll die Umorientierung von passiv zu konsumierenden Abfindungen zu aktiven Maßnahmen der Arbeitsförderung erleichtert werden. Eine wachsende Zahl von Transferagenturen und Transfergesellschaften bieten inzwischen ihre Dienste an, um für Betriebe Maßnahmen des Beschäftigtentransfers durchzuführen.

Abfindungszahlungen spielen aber immer noch die bedeutendste Rolle in Sozialplänen, wenn auch eine inhaltliche Entwicklung zu erkennen ist: In den 70er Jahren regelten über 50 Prozent der Sozialpläne ausschließlich das Ausscheiden aus dem Unternehmen, nur knapp 25 Prozent organisierten die Weiterbeschäftigung durch Umsetzung. In den 80er Jahren veränderte sich dieses Verhältnis auf jeweils 40 Prozent. Allerdings spielte hier vor allem der Wechsel innerhalb des Konzerns oder Betriebes eine Rolle. Nur 10 Prozent der Sozialpläne regelten den Übergang in ein anderes Unternehmen. Nach wie vor ist der größte Teil von Sozialplanmitteln – 81 bis 90 Prozent – immer noch für Abfindungen vorgesehen. Bei Großbetrieben stehen damit immerhin knapp 20 Prozent der Sozialplanmittel für Qualifizierung, interne Umsetzungen und berufliche Neuorientierungen zur Verfügung.

Eine besondere Rolle – und zentrales Problem der Rentenkassen – stellten die sog. „Vorruhestandsregelungen“ dar, bei denen das Arbeitslosengeld vom entlassenden Unternehmen um die Sozialplanabfindung aufgestockt wurde: 1996 waren in Westdeutschland 36 Prozent der Männer und 11 Prozent der Frauen vor dem Eintritt in die Rente arbeitslos gemeldet. In gesamtdeutscher Betrachtung ist Arbeitslosigkeit der häufigste Zustand vor der Rente. Durch neue gesetzliche Regelungen wurde der vorzeitige Übergang in Rente durch Abschläge bis zu 18 Prozent, Anrechnung der Abfindungen bei der Bedürftigkeitsprüfung und bei Steuerentlastungen unattraktiver gestaltet – was allerdings viele nicht hindert, trotzdem am Abfindungssozialplan festzuhalten.

Die Abteilung Arbeitsmarkt des IAT untersuchte die Instrumente und Erfolgsaussichten der neuen Transfersozialpläne. Während mit Sozialplanzuschüssen eher kurzzeitige Maßnahmen wie Outplacement, Lohnkostenzuschüsse und finanzielle Hilfen zur Erleichterung der Arbeitsaufnahme sowie kurze Qualifizierungen und Weiterbildungen finanziert werden, können mit den Mitteln des Strukturkurzarbeitergeldes umfangreichere und längerfristige Qualifizierungsmaßnahmen realisiert werden, sind allerdings nicht zwingend vorgegeben. Deshalb erscheint manchen Akteuren und Betroffenen die teure Struktur-Kurzarbeit ohne Qualifizierung attraktiver als die kostengünstigeren, jedoch arbeitsmarktpolitisch wirksamen Sozialplanzuschüsse. Mit einem Erlass vom 21.06.00 ist ein Vor- bzw. Nacheinanderschalten der beiden Instrumente möglich.

Die Transfergesellschaften helfen bei der beruflichen Neuorientierung, geben psychologische und pädagogische Betreuung und konkrete Hilfestellung, etwa bei Überschuldung, unterstützen mit Bewerbungstraining und aktiver Stellensuche, bieten individuelle Qualifizierungen aller Art und stellen Kontakte zu potenziellen neuen Arbeitgebern her. Für den Erfolg der Transfermaßnahmen ausschlaggebend sind nach den Ergebnissen der IAT-Untersuchung die regionalen Infrastrukturen: fundierte Beratung für die Betriebsparteien, kompetente Dienstleister in der Region, Kontakte untereinander.

Als hemmend für Transfersozialpläne stellt sich insbesondere die Haltung der Betroffenen in den Betrieben dar. Die bewährten Wege des Abfindungssozialplans haben trotz der steuerrechtlichen Anrechnungsregelung und geringerer Freibeträge an Reiz wenig eingebüßt. Die IAT-WissenschaftlerInnen stellten fest, dass nach wie vor auf allen Ebenen das Problembewusstsein nur schwach entwickelt ist. Die Personalverantwortlichen haben oft nur die möglichst schnelle und reibungslose Trennung von Mitarbeitern im Blick. Für die von Entlassung bedrohten Arbeitskräfte ist zunächst eine hohe Abfindung von Bedeutung und damit zentrales Verhandlungsziel der Betriebsräte in Sozialplanverhandlungen. Da die eigene Position am Arbeitsmarkt unzulänglich und viel zu positiv eingeschätzt wird, fehlt das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Qualifizierungen. Eine realistischere Einschätzung der Chancen und der persönlichen Arbeitsfähigkeit werden vielfach erst nach einer längeren Phase der Arbeitslosigkeit mit allen damit verbundenen Nachteilen vorgenommen.

Bei allen Akteuren der Arbeitsmarktpolitik, Verbänden, Bildungsträgern, der Arbeitsverwaltung und allen voran bei den Betriebsparteien und den Beschäftigten selbst ist in den nächsten Jahren noch eine umfangreiche Überzeugungsarbeit, flankiert von neuen rechtlichen Regelungen, zu leisten.

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