Wettbewerbsfähigkeit von Industrienationen: Die USA und Europa bleiben Erfolgsmodelle

Deutschland kann sich im internationalen Standortwettbewerb um die Ansiedlung sogenannter „Zukunftsindustrien“ sehr gut behaupten und seine Position sogar festigen – das ist eines der Ergebnisse einer internationalen Expertenbefragung, die an der Universität Erlangen-Nürnberg im Jahr 1999 am Lehrstuhl für Unternehmensführung von Prof. Dr. Harald Hungenberg durchgeführt wurde. 257 Politiker, Spitzenmanager und Professoren aus 34 Ländern gaben im Detail Auskunft über ihre Einschätzung der Wettbewerbsfähigkeit ausgewählter Nationen in den kommenden 10 bis 15 Jahren und des Wachstumspotentials bestimmter „Zukunftsbranchen“. So erstaunlich es für viele klingen mag, das Urteil der Experten lautet: „Die neue Welt wird wohl weiterhin die alte Welt sein.“

Riesen im Dornröschenschlaf

Die Ergebnisse der Untersuchung von Dipl.-Kfm. Stefan Lackner und Dr. Torsten Wulf zeigen eine eindeutige Rangfolge der zehn analysierten Länder: Die USA besitzen das größte Potential im Bereich der wissensbasierten Branchen, gefolgt von Großbritannien und Deutschland. Ein vereintes Europa kommt nahe an die als Einzelland dominierenden USA heran. Japan ist eher mittelklassig einzuordnen, und die „schlafenden Riesen“ China, Indien und Rußland bleiben auch in Zukunft, was sie sind – nämlich schlafende Riesen.

Diese Untersuchung bestätigt damit den dramatischen Wandel, der in den letzten 10-15 Jahren in der Weltwirtschaft stattgefunden hat: Noch in der zweiten Hälfte der 80er Jahre galt die Wirtschaft der USA als rückständig. „Japan Inc.“ wurde als das zukunftsträchtige Erfolgsmodell gepriesen. In Europa beobachtete man mit Sorge die Abwanderung von industriellen Großinvestitionen in die Schwellenländer, und speziell in Deutschland befaßte man sich seit 1990 überwiegend mit den Problemen der Wiedervereinigung. Ganze Industriesegmente wie die Unterhaltungselektronik oder der Großschiffbau existierten in den USA und Europa praktisch nicht mehr, kurz: Die Angst um die Zukunftsfähigkeit der alten Industrienationen griff um sich.

Die 90er Jahre brachten jedoch die Wiedergeburt des Erfolgsmodells USA, und auch Europa zeigt sich spürbar erholt, wie beispielsweise ein Blick auf die Entwicklung der Automobilindustrie verdeutlicht. Der schleichende Niedergang Japans gipfelte dagegen in der Asien-Krise, die seit 1997 immer weitere Kreise zieht und auch Rußland erfaßt. Diese globalen Trends werden nach Meinung der befragten Politiker, Manager und Professoren auch die Zukunft bestimmen.

Branchen der Zukunft

Die für die Untersuchung ausgewählten Experten wurden jedoch nicht nur danach gefragt, wo die Spitzenbranchen der Zukunft reifen werden, sondern es wurde auch ermittelt, welche Industrien überhaupt zu den wissensbasierten Branchen gezählt werden und welche von diesen das größte Wachstumspotential besitzen. Die Untersuchungsergebnisse zeigen drei Segmente, die zukünftiges Wachstum bestimmen. Rund um den Bereich „Mikroelektronik“ bildet sich ein Cluster von Industriesegmenten wie Telekommunikation, Software, Multimedia, Entertainment und Satellitentechnik, denen das höchste zukünftige Wachstum zugetraut wird. Ein weiterer Wachstumsbereich wird von den Segmenten Biogenetik, Pharma und Medizintechnik gebildet. Mikromechanik könnte der Nukleus für eine ganze Reihe weiterer neuer Zukunftsmärkte werden.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht ganz so überraschend, daß die USA und Europa einen großen Vorsprung vor Japan und dem Rest der Welt halten. In keiner der Zukunftsindustrien wird die Spitzenposition von einem japanischen Unternehmen eingenommen, während beispielsweise im Softwarebereich die zehn besten und größten Unternehmen US-amerikanisch sind – mit Ausnahme von SAP. Die europäische Telekommunikationsindustrie besitzt mit ihren inzwischen deregulierten nationalen Telefongesellschaften und Unternehmen wie Nokia, L.M. Ericsson oder Siemens gute Voraussetzungen, eine Spitzenposition zu behaupten, zumal von hier einige grundlegende Innovationen und Standards wie z. B. GSM ausgegangen sind. Im Pharmabereich wurde und wird die Welt US-amerikanisch-europäisch bedient. In der Umwelttechnologie ist Deutschland führend.

Damit zeichnet diese Studie insgesamt ein positives Zukunftsszenario für die Industrieländer: „Die wichtigsten Wachstumsmärkte der Zukunft – Telekommunikation, Mikroelektronik, Software, Biogenetik, Multimedia – werden von den USA dominiert; mit etwas Abstand folgt Europa. Japan spielt in diesem Feld eine Nebenrolle, und der Rest der Welt bleibt eher ein entfernter Zuschauer oder potentieller Nachfrager.“

Eine ausführliche Dokumentation der Studie einschließlich weiterer Einzelergebnisse ist auf Anfrage beim Lehrstuhl erhältlich.

Kontakt:
Dipl.-Kfm. Stefan Lackner, Dr. Torsten Wulf
Lehrstuhl für Unternehmensführung, Lange Gasse 20, 90403 Nürnberg
Tel.: 0911/5302 -293, Fax.: 0911/5302 -474
E-Mail: stefan.lackner@wiso.uni-erlangen.de, torsten.wulf@wiso.uni-erlangen.de,
Hungenberg@wiso.uni-erlangen.de

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Gertraud Pickel

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