Automobilbranche verzeichnet deutlichen Rückgang bei Fusionen und Übernahmen
PricewaterhouseCoopers untersucht die M&A-Aktivitäten 2000 und 2001 / Stärkster Rückgang in Europa / Automobilhersteller bleiben weiterhin zurückhaltend
In der Automobilbranche sind die Werte der Fusionen und Übernahmen weltweit deutlich zurückgegangen. Wurde in der ersten Jahreshälfte 2000 ein Transaktionsvolumen von 22 Milliarden US-Dollar erreicht, so waren es bis Juni 2001 knapp zehn Milliarden US-Dollar. Dies entspricht einem Rückgang von 55 Prozent. Die Anzahl der Transaktionen reduzierte sich lediglich um 13 Prozent. Die derzeit niedrige Bewertung der Unternehmen öffnet den Markt für Private-Equity- und Venture-Capital-Unternehmen.
Dies ist das Ergebnis des aktuellen Reports Automotive Sector Insights von PricewaterhouseCoopers, der die Fusions- und Übernahmeaktivitäten (Mergers & Acquisitions, M&A) in der Automobilindustrie im Jahr 2000 und den ersten sechs Monaten dieses Jahres analysiert. Demnach verzeichnet der europäische Markt den größten Einbruch: Mit einem Transaktionsvolumen von 4,8 Milliarden US-Dollar sank der Wert im ersten Halbjahr 2001 um knapp 70 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum (erstes Halbjahr 2000: 15,8 Milliarden US-Dollar). Die Anzahl der Transaktionen reduzierte sich dabei jedoch lediglich um rund zehn Prozent. „Die Übernahme-Euphorie der neunziger Jahre hat sich gelegt. Milliardenschwere Deals, einst das Markenzeichen der Automobilindustrie, gehören der Vergangenheit an. 2000 war bereits ein schlechtes Jahr für Übernahmen. Das erste Halbjahr 2001 ist noch schwächer ausgefallen“, erläutert Werner Suhl, Leiter des Unternehmensbereiches M&A bei PricewaterhouseCoopers, die Ergebnisse der Studie.
Automobilhersteller befinden sich in Konsolidierungsphase
Das Transaktionsvolumen der Automobilhersteller ist im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 76 Prozent – von 5,28 Milliarden US-Dollar in der ersten Hälfte 2000 auf 1,25 Milliarden US-Dollar im ersten Halbjahr 2001 – zurückgegangen. „Angesichts des konjunkturellen Abschwungs warten die großen Automobilkonzerne zunächst einmal ab. In diesem Jahr sind die ersten sechs Monate von anhaltenden Beteiligungsverkäufen und sinkenden Unternehmenswerten geprägt. Interne Umstrukturierungsmaßnahmen stehen derzeit im Mittelpunkt der Unternehmensaktivitäten“, so Suhl. So gab es im ersten Halbjahr 2001 keine einzige große Übernahme bei den großen Automobilherstellern. Der Report identifiziert einen weiteren Trend: Die Automobilkonzerne lösen sich derzeit deutlich von der Rolle des Herstellers und widmen sich verstärkt dem Markenmanagement, dem Vertrieb sowie dem Marketing. Um eine größere Sicherheit der Margen zu erhalten, konzentrieren sie sich auf das obere Ende der Wertschöpfungskette.
Zulieferindustrie gerät zunehmend unter Druck
Die Automobilzulieferer hatten mit 55 Prozent weiterhin den größten Anteil an den M&A-Aktivitäten im ersten Halbjahr 2001. Die Branche verzeichnet jedoch einen Rückgang von sechs Prozent bei der Anzahl der Transaktionen sowie eine Reduzierung der Werte um 63 Prozent. Die Impulse gehen zu einem großen Teil auf Private-Equity-Unternehmen aus den USA und Europa zurück. Diese Investoren nutzen die momentan niedrigen Kurse für einen Beteiligungserwerb. In den letzten 18 Monaten sind Transaktionen im Wert von rund neun Milliarden US-Dollar auf Private-Equity-Unternehmen zurückzuführen.
Auch die Zulieferer tendieren dazu, höhere Stufen der Wertschöpfungskette abzudecken. Sie sind gefordert, der Nachfrage der Automobilkonzerne nach immer umfassenderen Systemlieferungen nachzukommen. Gleichzeitig diktieren die Hersteller immer schärfere Bedingungen. So hat beispielsweise DaimlerChrylser im Dezember 2000 angekündigt, bei seinen Lieferanten Preissenkungen in Höhe von fünf Prozent im Jahr 2001 und von weiteren zehn Prozent im Jahr 2003 durchzusetzen.
Zunahme von M&A-Aktivitäten in Vertrieb und Service
Das obere Ende der Wertschöpfungskette zeigte in den ersten sechs Monaten 2001 mit einem Wert von 3,19 Milliarden US-Dollar ein signifikantes Wachstum (erstes Halbjahr 2000: 2,07 Milliarden US-Dollar). 32 Prozent des gesamten Transaktionsvolumens in der Automobilbranche entfielen in der ersten Jahreshälfte 2001 auf den Autohandel sowie den Vertriebs- und Servicebereich. Im Vorjahreszeitraum waren es lediglich neun Prozent. Dazu trug insbesondere der Mietwagen- und Leasingbereich mit fünf Transaktionen im Wert von insgesamt 2,2 Milliarden US-Dollar bei. Somit verlagern sich die M&A-Aktivitäten der Automobilhersteller und Zulieferer auf den Vertriebs- und Servicebereich. Erhebliche Marktveränderungen für den Vertrieb sind durch die Aufhebung der Gruppenfreistellungsverordnung (GVO) im September 2002 zu erwarten.
Aktuelle Situation bietet Entwicklungschancen
Die Ereignisse am 11. September 2001 haben die M&A-Aktivitäten der Automobilbranche nicht gestoppt: In den letzten Wochen gab es bereits wieder einige Transaktionen und weitere Verhandlungen laufen. „Die Unternehmen sind weiterhin vorsichtig, die Grundsätze der Branche bleiben aber weiterhin Globalisierung und Konsolidierung“, so das Fazit von Suhl. „Die niedrigen Aktienkurse und Bewertungen in der Automobilindustrie bieten derzeit eine durchaus gute Kaufgelegenheit.“
Die englischsprachige Studie Automotive Sector Insights: Analysis and Opinions on Merger and Acquisition Activity 2000/2001 können Sie kostenlos im Internet herunterladen unter: www.pwcglobal.com/insights/auto
Für den Herausgeber:
PricewaterhouseCoopers ist in Deutschland mit einem Umsatz von rund 2,4 Milliarden Mark eines der marktführenden integrierten Dienstleistungsunternehmen im Bereich Beratung und Prüfung. Rund 11.000 Mitarbeiter arbeiten an über 40 Standorten in Deutschland für nationale und internationale Mandanten jeder Größe. Die breite Palette der Dienstleistungen umfasst die Wirtschaftsprüfung, die Steuerberatung, die Unternehmens- und Corporate Finance- sowie die Human Resource-Beratung. Im Bereich Mergers & Acquisitions zählt PricewaterhouseCoopers zu den fünf führenden Beratern in Europa bei Transaktionen mit einem Volumen bis 500 Millionen US-Dollar.
Hintergrundinformation zur Studie: Einblicke in die Automobilindustrie / Analysen und Meinungen zu Fusionen und Übernahmen 2000/2001
Die aktuell veröffentlichte Studie Automotive Sector Insights von PricewaterhouseCoopers analysiert die weltweiten Fusions- und Übernahmeaktivitäten (Mergers & Acquisitions, M&A) in der Automobilindustrie in der ersten Jahreshälfte 2001 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Übernahmen und Fusionen – Die Gesamtergebnisse im Überblick
- Die Übernahmewelle der 90er Jahre ist in den Jahren 2000 und 2001 abgeflacht, ein Konjunkturrückgang überschattet gegenwärtig auch die Automobilindustrie. Dies führt zu wichtigen Veränderungen in allen Bereichen der Wertschöpfungskette, das heißt: sowohl bei den Automobilherstellern als auch in der Zulieferindustrie und in Automobilhandel, -vertrieb und Service.
- Die Transaktionsaktivitäten verschoben sich von den Bereichen Automobilhersteller und -zulieferer (erstes Halbjahr 2000: 91 Prozent des gesamten Transaktionsvolumens in der Automobilbranche, erstes Halbjahr 2001: 68 Prozent) auf den Bereich Automobilhandel, -vertrieb und Service.
- In der ersten Jahreshälfte 2001 sank der Gesamtwert der Fusionen und Übernahmen in der Automobilindustrie weltweit um 55 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die Anzahl der Transaktionen ging im ersten Halbjahr 2001 um 13 Prozent zurück:
- Januar – Juni 2001: 89 Transaktionen mit einem kumulierten Wert von 9,86 Milliarden US-Dollar. Durchschnittlicher Wert pro Transaktion: 111 Millionen US-Dollar
- Januar – Juni 2000: 102 Transaktionen mit einem kumulierten Wert von 22 Milliarden US-Dollar. Durchschnittlicher Wert pro Transaktion: 216 Millionen US-Dollar
- Der größte Teil der M&A-Aktivitäten im ersten Halbjahr 2001 entfiel mit 47 Prozent aller Transaktionen sowie 55 Prozent des Gesamtvolumens auf die Automobilzulieferindustrie: Im ersten Halbjahr 2000 betrug der Anteil am gesamten Transaktionsvolumen 67 Prozent. Hintergrund für einen Großteil der Transaktionen im Zulieferbereich war die Tatsache, dass Private-Equity-Unternehmen aus den USA und Europa die aktuell niedrigen Bewertungen zum Beteiligungserwerb nutzten.
- Am stärksten rückläufig waren die M&A-Aktivitäten bei den Automobilherstellern. Der Transaktionswert ging im ersten Halbjahr 2001 um 76 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zurück. Der Anteil am gesamten weltweiten Transaktionsvolumen im Automobilsektor sank auf 13 Prozent und liegt somit 46 Prozent unter dem Vorjahreswert.
- Die Automobilkonzerne sind bei Übernahmen und Fusionen derzeit sehr zurückhaltend. Nach den zahlreichen Akquisitionen Ende der 90er Jahre überprüfen die Unternehmen gegenwärtig ihre Strukturen und strategischen Konzepte. Im Zuge interner Umstrukturierungsmaßnahmen reduzieren die großen Automobilkonzerne Personal und Lagerbestände. Zudem bemühen sie sich um eine Steigerung des Unternehmenswertes. In der aktuellen Phase des wirtschaftlichen Abschwungs ist jedoch nicht absehbar, wie rasch sich diese Maßnahmen auszahlen werden.
- Das obere Ende der Wertschöpfungskette (Automobilhandel, -vertrieb und Service) zeigte in den ersten sechs Monaten des Jahres 2001 ein signifikantes Wachstum: Es fanden 40 Transaktionen (erstes Halbjahr 2000: 44) im Wert von 3,19 Milliarden US-Dollar (erstes Halbjahr 2000: 2,07 Milliarden US-Dollar) statt.
- Der Mietwagen- und Leasingbereich ist mit fünf Transaktionen im Wert von 2,2 Milliarden US-Dollar im ersten Halbjahr 2001 besonders gewachsen.
- Grundsätzlich waren vorrangig M&A-Transaktionen mittlerer Größe zu beobachten. Ursachen hierfür sind einerseits die Ausdünnung des Marktes durch eine umfassende Konsolidierungsphase und andererseits die noch nicht abgeschlossene Bewältigung unternehmensinterner Integrationsmaßnahmen.
Geografische Trends
- Der wirtschaftliche Rückgang machte sich am deutlichsten in Europa bemerkbar. Obwohl die Anzahl der Transaktionen im ersten Halbjahr 2001 um lediglich zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurückging, lag das Gesamtvolumen knapp 70 Prozent unter dem im Vergleichszeitraum (Rückgang von 15,8 Milliarden US-Dollar 2000 auf 4,8 Milliarden US-Dollar in 2001). Rückläufig waren besonders große M&A-Aktivitäten zwischen den USA und Europa sowie innerhalb Europas.
- Der Anteil von Transaktionen in Asien am weltweiten Volumen reduzierte sich im ersten Halbjahr 2001 auf zehn Prozent (Vorjahreszeitraum: 15 Prozent). Der Anteil an der Gesamtzahl betrug in den ersten sechs Monaten 2001 zehn Prozent (erstes Halbjahr 2000: elf Prozent). Gleichzeitig war eine Zunahme asiatischer Investitionen in Europa festzustellen.
- Zuwächse im M&A-Geschäft gab es lediglich in Nordamerika. Die Transaktionszahlen stiegen hier im Jahr 2001 insbesondere aufgrund der Aktivitäten von Private-Equity-Investoren bei Zulieferunternehmen an. Sollte der weltweite Abschwung weiter anhalten, wird sich dieser Trend fortsetzen.
Automobilhersteller
- Das kumulierte Transaktionsvolumen ging im ersten Halbjahr 2001 um 76 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zurück, wobei die Anzahl der Transaktionen mit 14 unverändert blieb (Volumen im ersten Halbjahr 2001: 1,25 Milliarden US-Dollar, erstes Halbjahr 2000: 5,28 Milliarden US-Dollar).
- Die sechs größten Automobilkonzerne General Motors, DaimlerChrysler, Ford, Toyota, VW und Renault, die mehr als 80 Prozent des weltweiten Marktes abdecken, zeigen sich bei Fusionen und Übernahmen zurückhaltend.
- Der asiatische Markt ist für die nächsten sechs bis sieben Jahre der größte Hoffnungsträger und soll mehr als 30 Prozent des weltweiten Wachstums erwirtschaften.
- Die Automobilkonzerne werden sich von ihrer Rolle als Hersteller lösen und verstärkt dem Markenmanagement, dem Vertrieb und dem Marketing zuwenden: DaimlerChrysler hat mit dem Verkauf seiner Beteiligungsanteile an der indischen Bajaj Tempo bereits ein Zeichen in diese Richtung gesetzt. Die Zulieferindustrie wird die in diesem Trend liegende Chance nutzen und nicht nur einzelne Teile sondern auch größere Komponenten bis hin zu kompletten Fahrzeugen liefern. Das kanadische Unternehmen Magna produziert beispielsweise bestimmte Modelle für DaimlerChrysler und hat Verträge zur Herstellung eines neuen Saab Cabriolets sowie des BMW X3 abgeschlossen.
Zulieferindustrie
- Trotz eines Rückgangs um sechs Prozent der Anzahl und 63 Prozent des Transaktionsvolumens im ersten Halbjahr 2001 bleibt die Zulieferindustrie mit 55 Prozent Anteil am Gesamtmarkt im Mittelpunkt der M&A-Aktivitäten.
- Als Gründe gelten das Bestreben, einerseits höhere Bereiche der Wertschöpfungskette abzudecken und andererseits die Anforderungen der Automobilkonzerne, die sich auf wenige weltweit liefernde Zulieferer beschränken möchten (Single Source Supply), zu erfüllen.
- Neben den allgemeinen Konjunkturaussichten sorgt auch der von den Automobilkonzernen unvermindert ausgehende Preisdruck für die niedrigen Bewertungen der Zulieferunternehmen: DaimlerChrylser hat beispielsweise im Dezember 2000 angekündigt, Preissenkungen in Höhe von fünf Prozent im Jahr 2001 und von weiteren zehn Prozent im Jahr 2003 bei den Lieferanten durchzusetzen.
- Zusätzlich treiben rückläufige Absatzzahlen und Überkapazitäten den Konsolidierungsprozess voran.
- Private-Equity-Investoren haben in dieser schwierigen Phase die Chance genutzt und in den letzten 18 Monaten Transaktionen im Wert von 9,08 Milliarden US-Dollar abgeschlossen. Diese Unternehmen verfolgen häufig Buy-and-Build-Strategien. Das heißt, kleinere Zulieferer werden erworben und anschließend zu größeren Unternehmensgruppen zusammengesetzt.
Automobilhandel, -vertrieb und Service
- Der Bereich Automobilhandel, -vertrieb und Service trug im ersten Halbjahr 2001 32 Prozent zum gesamten Transaktionsvolumen der Automobilbranche bei (erstes Halbjahr 2000: neun Prozent). Dabei entfielen allein auf den Bereich Vermietung und Leasing 22 Prozent des gesamten Transaktionsvolumens.
- Automobilhersteller aber auch Mischunternehmen wenden sich zur Erzielung zusätzlicher Erträge dem oberen Ende der Wertschöpfungskette zu (Beispiele: Übernahmen von Hertz-Anteilen durch Ford sowie Avis-Anteilen durch den Immobilien- und Touristikkonzern Cendant).
- Der Bereich des Automobilvertriebs ist traditionell nicht durch große Transaktionen geprägt. Ein Wegfall der Gruppenfreistellungsverordnung (GVO) im Jahr 2002 wird den Markt erheblich verändern: 63 Prozent der europäischen Händler erwarten im nächsten Jahr eine Änderung der Händlerstruktur, wobei 72 Prozent die Beibehaltung des bisherigen Systems befürworten. Einen größeren Rechtsschutz gegenüber den Herstellern halten 82 Prozent der Händler für wünschenswert.
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