Kannibalismus in der Wohnungswirtschaft: "Wir fressen uns gegenseitig die Mieter weg"

Am Rande des Immobilienkongresses überreichten Vertreter der BauConsult Stuttgart eine Stiftungsprofessur für den Studiengang Immobilienwirtschaft an der Fachhochschule Nürtingen. V.l.n.r: Volker Hardegen von der DePfa Bau & Boden Bank, Geschäftsführer

Service, Service, Service – auf diese Wiederholung lässt sich der Nenner des jüngsten Immobilienkongresses an der Fachhochschule Nürtingen reduzieren. Vertreter aus der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft stehen alle vor dem selben Problem. Der Markt ist hart und grausam. Die Politik ändert ihre Förderungsinstrumentarien, die Mieter sind die bestimmende Größe auf dem Wohnungsmarkt und für viele Unternehmen fehlt schlicht die Planungssicherheit: Von Nord bis Süd. Der Kongress am Hochschulstandort Geislingen bot ein Stelldichein der Meinungen und Sichtweisen. Geladen hatte der Studiengang Immobilienwirtschaft der FH-Nürtingen.

Was tun? Der Staat zieht sich als Eigentümer von Immobilien und Grundstücken immer weiter zurück. Immer mehr Privatisierungen sorgen hier für einen Wachstumsmarkt der Liegenschaftsverwaltung. Darin sieht Professor Wolfram Mutschler vom Verband baden-württembergischer Wohnungsunternehmen ein Feld für neue Aufgaben seiner Mitgliedsunternehmen. Die Immobilienverwaltung verändere sich weg von der bloßen Gebäudeverwaltung hin zu einer Managementtätigkeit, die für umfassende Serviceleistungen sorgen müsse. Die Wohnungsunternehmen besitzen jahrzehntelanges Know How in der Rechtsberatung, steuerlichen Fragen, in der Verwaltung bis hin zu Multimedia und Software Consulting. Kaum jemand sei besser für die neuen Aufgaben der Objektverwaltung und des Facility Managements geeignet, als die Wohnungsunternehmen. Man stehe vor einem riesigen Markt, auf dem es natürlich auch Gewinner und Verlierer gebe.

Dem stimmt Mutschlers Kollege aus Deutschlands Norden, Ludwig Schönefeldt vom Verband Berliner und Brandenburgischer Wohnungsunternehmen, durchaus zu. Er sieht in Süddeutschland im Vergleich zu seiner Situation vor Ort jedoch immer noch die Züge einer heilen Welt. „Die Wohnungsunternehmen fressen sich gegenseitig ihre Mieter weg“, stellt Schönefeldt fest. Der neue Wettbewerb um Dienstleistungen sei auch von den Mitgliedsunternehmen seines Verbandes längst aufgenommen worden. Der Verband habe sich als Dienstleister für die unternehmerische Wohnungswirtschaft etabliert. Der BBT sei heute Berater für die Mitgliedsunternehmen und stelle ihnen das Instrumentarium für modernes Bestandsmanagement zu Verfügung. Für sein Verbandsgebiet reklamiert Schönefeldt gleichwohl den Begriff des „Kannibalismus“. Ein Grund dafür, dass Gastgeber Professor Dr. Hansjörg Bach in den Ausführungen seines Gastes Ludwig Schönefeldt „viel Zündstoff“ feststellt.

Bestandsmanagement muss heute alle professionellen Handwerkzeuge in Anspruch nehmen. Dazu gehört vor allem das „computergestützte Gebäudemanagement“, das über entsprechende Datenbankanbindungen alle Funktionen der Immobilienverwaltung abdeckt. Wolfgang Wingendorf, Treubau Verwaltung & Partner Immobiliendienstleistungsgesellschaft, besteht darauf, dass eine erfolgreiche Arbeit ohne solche Systeme nicht möglich sei. Der gesamte Wohnungsmarkt habe sich verändert. Andere Arten von Kunden verlangten neue Produkte, haben völlig veränderte Erwartungen an die Dienstleistungen der Wohnungsunternehmen und neue Ansprüche. Dies alles gelte es als Manager im Griff zuhaben. Jede Immobilie, jeder Eigentümer und jede Dienstleistung habe ihre individuellen Eigenschaften und ihren Preis. Professionelle Dienstleistungsunternehmen müssen schon deshalb qualifiziertes Fachwissen die entsprechend ausgebildeten Fachleute zur Verfügung stellen.

Aus der Sicht der harten Praxis erklärte Uwe Krey als Geschäftsführer der CREM Consult in Köln, was dies alles bedeutet. Das von allen Referenten postulierte professionelle Immobilienmanagement bekam bei ihm einen Namen: CREM Corporate Real Estate Management. Ob dies nun die Wunderwaffe sei, diese Frage stellte Krey selbst auch gleich mit der Antwort in Frage: „Bei weitem nicht!“ Gleichwohl sieht Krey in dieser Begrifflichkeit eine hilfreiche Methode, die Unwägbarkeiten des Immobilienmanagements einigermaßen zu beherrschen. Mit Immobilien verhalte es sich wie mit einem Eisberg: Der Hauptanteil der Kosten liege unter der Wasseroberfläche.

An der professionellen Immobilienverwaltung führt kein Weg vorbei. Dr. Kurt Müller, Geschäftsführer der SEB Immobilien-Investment GmbH, sieht darin das zentrale Instrument, um bei der Anlage in Immobilien langfristig die Rendite zu sichern. Und dabei muss das Management stimmen: In bezug auf die Mieterbindung, in bezug auf das Vermietungsmanagement, in bezug auf die Qualität der Gebäude und vor allem der Marktorientierung.

All dies sind Faktoren, die auch im öffentlichen Bereich Einzug halten. So hat zum Beispiel das Bundesland Nordrhein-Westfalen erkannt wohin die Reise geht. Der Bau- und Liegenschaftsbetrieb dieses Bundeslandes bewirtschaftet die öffentlichen Liegenschaften wie ein Marktbetrieb. Liegenschafts- und Bauverwaltung sind zusammengelegt und die BLB bietet ihren Mietern die Dienstleistungen marktgerecht an. Geschäftsführer Dr. Volker Oerter ist dies wichtig: „Die öffentlichen Behörden, Polizei, Gerichte, Ämter und Hochschulen sind heute unsere Kunden und eigenverantwortlich rechnende Mieter“. Ein Prozess der längst nicht abgeschlossen ist, aber die gesamten Liegenschaften in NRW werden im Sinne eines modernen Immobilienmanagements verwaltet.

Wie dieses Management in Bezug auf die Immobilie als Anlageform aussieht, erklärte Mario Caroli vom Bankhaus Ellwanger& Geiger. Die Immobilie ist und bleibt ein wichtiger Faktor der Vermögensbildung. Wer damit umgeht muss die Immobilie als Anlageprodukt optimal betreuen und managen. Langfristig zählt, dass die Rendite stimmt. Und die lässt sich durch die professionelle Begleitung einer Immobilie über ihren gesamten Lebenszyklus deutlich erhöhen. Dazu ist Betreuung gefragt, die technische, finanzielle und auch kaufmännische Kompetenzen einschließt.

Das Facility Management ist nur eine Form, wie die Immobilienverwaltung modern wahrgenommen wird. Wolfgang Inderwies ist dafür bei der Flughafen GmbH München zuständig. Er liefert ein Beispiel dafür, dass es nicht unbedingt einen Königsweg in der Immobilienverwaltung geben kann. Auch wenn sich die Begrifflichkeiten ähneln: Das Facility Management unterscheidet sich, je nach Objekt um das es geht. Das Beispiel Flughafen München macht dies überdeutlich.

Keine Interpretation lässt dagegen die Forderung nach besseren Dienstleistungen zu. Es ist wie so oft das Beispiel USA, das zeigt, was in deutschen Landen (noch) im Argen liegt. Thomas Engels, von Falk of North America, beschrieb den vorbildlichen Servicehintergrund, der in den USA bestehe. Alles was in Deutschland an Serviceprodukten in der Immobilienwirtschaft bekannt sei, komme aus den USA. Dort entstand diese Struktur nicht über Nacht, aber auch nicht ohne Grund. „Vor 20 Jahren gab es hier enorme Leerstände. In halb Manhattan brannte nachts kein Licht“. Dies ist heute anders, aber es bleibt zu hoffen, dass dies nicht erst in Deutschland passieren muss, bevor sich die Immobilienverwaltung in großem Stile professionalisiert. Rund 300 Gäste auf dem Immobilienkongress der Fachhochschule Nürtingen lassen anderes hoffen.

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Gerhard Schmuecker idw

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