Rentenmarkt: Diffuses Zinsbild
Während in früheren Jahren bisweilen bereits Anfang Dezember die Bücher an den internationalen Bondmärkten geschlossen wurden, scheinen dieses Mal Hektik und Bewegung gar nicht enden zu wollen. Die Festverzinslichen beidseits des Atlantiks gingen regelrecht auf Achterbahnfahrt, wobei sich die Renten trotz einer zuletzt einsetzenden Gegenbewegung deutlich von ihren Tiefstständen Anfang November abgehoben hatten; die als europäische Benchmark fungierende 10jährige Bundesanleihe verzinste sich aktuell mit 4,75 Prozent, die 10jährigen US-Treasuries mit 5,05 Prozent. Dabei mussten sie innerhalb von sechs Wochen einen Renditeanstieg von 85 bzw. von 50 Basispunkten hinnehmen.
Auslöser für die negative Entwicklung am heimischen Rentenmarkt waren einmal mehr die transatlantischen Vorgaben, d.h. der zunehmende Konjunkturoptimismus in den USA und die damit einhergehende Umschichtung von Liquidität in die Aktienmärkte. Man sprach bereits verschiedentlich von der „vollzogenen Zinswende“ und dem nahenden Ende des derzeitigen Zinszyklus. Soweit mochte die amerikanische Notenbank aber noch nicht gehen. Sie senkte auf ihrer jüngsten und letzten FOMC-Sitzung in diesem Jahr den Zielsatz für Tagesgeld um weitere 25 Basispunkte auf 1,75 Prozent (tiefster Stand seit 1961) und ließ sich mit der Betonung der gegenwärtigen Konjunkturrisiken die Tür für weitere geldpolitische Maßnahmen offen. Spielraum besteht insbesondere wegen des günstigen Preisumfeldes (Teuerung im Oktober: 2,1 Prozent).
Im Kontrast zur Fedeinschätzung steht damit auch die wieder aufgelebte Diskussion um einen möglichen V-förmigen Wirtschaftsaufschwung, d.h. den schnellen Wiederanstieg aus dem Rezessionstal. Die Notenbank hatte in ihrem „Beige Book“ vom November nochmals auf die eingetrübten Perspektiven hingewiesen. Die jüngsten Veröffentlichungen von Konjunkturdaten zeichnen ein eher diffuses Bild. Während wichtige Indikatoren wie der Index der Nationalen Einkaufsmanager (NAPM) bzw. der NAPM-Service-Index recht kräftig anzogen, mussten die November-Einzelhandelsumsätze mit 3,7 Prozent einen unerwartet starken Rückgang hinnehmen. Steigende Arbeitslosigkeit und sinkende Konsumausgaben dürften den Weg aus der Rezession aber deutlich verlängern.
In Euroland dürften die Frankfurter Währungshüter dank der zurückgekehrten Preisstabilität ebenfalls noch Zinssenkungsspielraum besitzen. Eine Ermäßigung des Leitzinses im ersten Halbjahr 2002 um 50 Basispunkte sollte angesichts der schwachen Euro-Konjunktur möglich sein. Die transatlantischen Politik- und Konjunkturvorgaben werden mehr denn je die Renditerichtung in Europa bestimmen. Da die Frage nach Zeitpunkt und Stärke der US-Wirtschaftserholung derzeit nur spekulativ beantwortet werden kann, empfiehlt es sich, bei Neuengagements kürzere bis mittlere Laufzeiten zu bevorzugen.
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